Porträt
Mieses Karma mit fantastischem Einschlag
Bestsellerautor David Safier beschreibt unglaubliche Szenerien im Hier und Jetzt. Oder er seziert das Leben im Nationalsozialismus - preiswürdig
"Das hast Du sehr, sehr fein gemacht, Putin!" - Als Politikerin hätte Angela Merkel so einen Satz wohl eher nicht über die Lippen gebracht. Als Hobbydetektivin, die in der heimischen Uckermark einen Mord aufklärt, ist jedoch alles möglich. Selbst eine unverrückbare Liebe zu Putin. Zu Mops Putin wohlgemerkt, den Autor David Safier der Kanzlerin a.D. in seinem Roman "Miss Merkel" an die Leine gibt. Er lässt Neu-Rentnerin Merkel im pittoresken (fiktiven) Örtchen Klein-Freudenstadt herumschnüffeln: analytisch, zupackend, notfalls mit Anzug und Raute.
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Dass David Safiers Ex-Kanzlerinnen-Krimi im heimeligen Kleinstadt-Setting 2021 in kürzester Zeit ein Bestseller wurde, ist keine Überraschung. Geschichten mit zum Teil skurrilem Plot und Schmunzelfaktor hatte er bereits zuvor erfolgreich zwischen Buchdeckel gepackt: "Mieses Karma", "Plötzlich Shakespeare", "Happy Family" und andere eroberten die Bestseller-Listen, Geschichten im Stil des magischen Realismus. Sechs Millionen Leser in über 50 Ländern fanden die humorvollen Alltagskrümeleien samt Beziehungsstress, Reinkarnationen und Hexenzauber. "Das empfinde ich als meine allererste Aufgabe, Spaß beim Lesen zu vermitteln, ein Lachen hervorzuzaubern", meint der Bremer.
Schreibstube mit Babywiege
Wie er bis an die Spitze der Buch-Charts kam? David Safier arbeitete lange als Hörfunk- und TV-Journalist für den Sender Radio Bremen — Recherchieren und Schreiben als Tagesgeschäft, Hörspiele kamen dazu. Humorvoll wurde es dabei in einer Bundesliga-Serie, die noch heute als "Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs" Kicker und Milieu auf die Schippe nimmt.
Seit Mitte der 1990er Jahre ist David Safier zudem Drehbuchautor. "Die Camper", "Mein Leben und ich", die Serie "Zwei Engel für Amor" und mehr entstanden im heimischen Büro, das er sich anfangs mit einem seiner Söhne teilte. "Nicht ganz einfach, wenn es in der Babywiege ständig zappelt und brabbelt", schmunzelt er im Rückblick. Sein erfolgreichstes TV-Drehbuch: die Serie "Berlin, Berlin", mit der er neben dem Grimme-Preis sogar den amerikanischen Fernseh-Oscar Emmy gewann.
Derzeit ist David Safier beim spanischen Filmpreis Feroz für das beste Drehbuch im Rennen. Er hatte ein Originalwerk aus dem Warschauer Ghetto entdeckt, das Schauspieler im Winter 1942 dort aufführten: "Love gets a room". Jahre zuvor hatte er bereits in "28 Tage lang" vom Überlebenskampf im Ghetto geschrieben. Ein Thema, das er besonders wichtig findet: Safiers Vater war vor den Nationalsozialisten aus Wien geflohen, seine Großmutter starb im Konzentrationslager Lodz. 2014 gewann er für "28 Tage lang" den renommierten Jugendbuchpreis "Buxtehuder Bulle".
Sein Lächeln verrät, wie sehr sich David Safier über solche Erfolge freut. Doch der (Zoom-)Blick in sein Arbeitszimmer zeigt weder Trophäen noch große Ehrungen. "Neun Monate brauche ich etwa für ein Buch. Jede Seite wird bis zu 50 Mal überarbeitet", erzählt er. Auch seine Drehbücher entstehen in vielen Fassungen. Glitzer, Glamour oder Preistafeln wären da weniger hilfreich.
Die rotarischen Freunde wundert das nicht. Bodenständig sei er, ohne Star-Allüren, eben ein Freund. Die Clubprojekte – für obdachlose Kinder in Estland, Berufsausbildung für Jugendliche in Uganda und die Wohngruppe Hof Grasdorf – seien ihm Herzensanliegen. Genauso wie sein Engagement für krebskranke Kinder. Seine Schwester war mit 35 Jahren dem Krebs erlegen. "Die Auseinandersetzung mit dem Tod findet sich seither in fast allen meinen Büchern", sagt er.
2021/22 ist David Safier auch Präsident im RC Bremen-Böttcherstraße. Und er will es nicht nur auf dem Papier sein: Er sorgt für Online-Vorträge, interviewt Gäste, versucht den Meetings einen Aha-Faktor zu geben, Gemeinschaft und Einblicke zu vermitteln. Viel lieber aber würde er mit Ehefrau Marion und Hund mal wieder im Clublokal auftauchen, gibt er seufzend zu.
Vertrocknet ihm im Homeoffice etwa der Humor? David Safier schmunzelt. Offenbar hat er eine geheime Quelle für die Ideen, die seine Figuren in unglaubliche Szenerien versetzen: eine aufgetaute Steinzeit-Frau im Hier und Heute, eine andere im Körper eines historischen Dichters oder ein Familienvater, der als Frankensteins Monster bestehen muss. "Deine Bücher sind die besten. So lustig und man kann sie in zwei Tagen lesen", schrieben ihm Leser. Für ihn ein großes Kompliment.
In diesen Tagen dreht sich alles um David Safiers zweiten Miss-Merkel-Kriminalfall, der die berentete Kanzlerin und Hobbydetektivin samt knuffigem Putin und Ehemann Achim "Puffel" Sauer auf einen uckermärkischen Friedhof führt – Shakespeare, französische Filmstars und ein kopfüber in der Erde steckender Gärtner inklusive. David Safier lacht: "Na, was eben alles so passieren kann."
PS: Frau Merkel ist ja nun schon einige Zeit nicht mehr in der aktuellen Politik aktiv. Doch quer durch die Uckermark "Puuuutiiiin" hinter ihrem Mops herzurufen, erschien ihr angesichts der Situation in der Ukraine nicht mehr passend. Deshalb ruft sie den molligen Vierbeiner ab sofort ausschließlich bei seinem Kosenamen: Pupsi.
Zur Person
David Safier (geb. 1966), RC Bremen-Böttcherstraße, ist Journalist und arbeitete zunächst für Hörfunk und Fernsehen. Seit Mitte der 1990er Jahre schreibt er TV-Drehbücher. Unter anderem für die Serie "Berlin, Berlin" gewann er im In- und Ausland zahlreiche Preise. Er ist Botschafter der Stiftung Lesen, für ein Kinderhospiz und den Förderverein Pegasus. Bekannt ist er vor allem für seine humorvollen Bücher (u.a. "Mieses Karma", "Jesus liebt mich", "Muh!"). Auch die Geschichte seiner Familie in der Nazizeit ("28 Tage lang") und das Thema Krebs verarbeitete er in Büchern und Hörspielen. Er ist verheiratet und hat zwei Söhne.
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