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Der eingebürgerte Gast aus Jerusalem

Titelthema  - Der eingebürgerte Gast aus Jerusalem
Sänger und Kantor Yoed Sorek © privat

Zum Titelthema "Israel": Yoed Sorek, Kantor und Künstler, Frankfurt, über sein Leben als Jude in Israel und in Deutschland

01.05.2023

Es ist viele Jahren her, als ich "frisch" in München war und als Synagogaler Chorleiter arbeitete, kam Henry zu mir, ein über 90-jähriger Holocaust-Überlebender und sagte:

"All die Jahre fühle ich mich hier immer noch als Gast. Gast  – das bedeutet, dass ich mich auch so benehme - respektvoll und gleichzeitig wie ein Außenstehender."

In diesem Jahr – nach elf Jahren in Deutschland, 17 Jahren in Europa – bin ich deutscher Bürger geworden und habe nun die doppelte Staatsangehörigkeit.

Ich habe es nie wirklich geschafft, mich von meinem Mickey-Maus-Deutsch zu verabschieden. Ich werde die Sprache nie so beherrschen können, wie ich es mir gewünscht hätte. Dabei geht es nicht nur um die Grammatik, sondern auch um die kulturellen, sozialen Feinheiten.

Die schnellen Entscheidungsprozesse und die Chuzpe der Israelis werde ich wohl immer gerne behalten. Immer. Auch laute Diskussionen werde ich wohl immer führen – und ich habe nicht vor, mich davon zu verabschieden. Will ich nicht. Ich komme mit meinen ganzen "pekalekh" – den Schwierigkeiten und Lebenserfahrungen, die ich mit mir herumtrage.

Dankbarkeit

Ich bin diesem Land und den wundervollen Menschen, denen ich hier begegnet bin, sehr dankbar. Menschen, aus Deutschland und anderen Ecken der Welt:  Freunde, Gemeindemitglieder und Publikum. Menschen, die ich liebe und die mich lieben.

Die Ruhe, die ich in Deutschland erlebe und aus meiner Geburtsstadt Jerusalem nicht kenne, hat mir eine besondere Entwicklung ermöglicht – durch die Religion: Ich habe mich erst mit 35 zu einem sehr religiösen Menschen entwickelt. Neben einer erfreulich glücklichen Karriere als selbstständiger Sänger, Chorleiter, Arrangeur und musikalischer Begleiter bin ich dann Chazzan – Jüdischer Vorbeter – geworden und lebe entsprechend der Religion. Das bedeutet für mich: kein Schinken… Aber eben auch keine neurotische Befolgung der traditionellen Halakha, des Jüdischen Gesetzbuches, das die orthodoxen und konservativen Juden befolgen. Das liberale Judentum ist mein Zuhause. Das wäre in Israel wahrscheinlich undenkbar.

"Ein Li Erez Akheret" – Ich habe kein anderes Land, auch wenn es wehtut, heißt es in einem Lied. In den letzten Jahren bin ich nicht sehr oft nach Israel geflogen. Das hat zwei Gründe: 17 Jahre lang war es eigentlich immer mein Urlaubs- oder Semesterpausen-Ziel. Jetzt will ich auch andere Ecken der Welt entdecken. Denn: Israel tut auch weh. Das Land ist zerrissen durch Post-Traumata, die ständig weiter getriggert werden – durch Krieg und die gleichen Prozesse, wie in anderen Ländern. Nur eben gewürzt mit einem starken Konflikt, den zu viele zynische Menschen und ganze Länder für eigene Zwecke missbrauchen. Als Kantor der Jüdischen Gemeinde Hannover stelle ich meine persönliche politische Position nicht in der Öffentlichkeit dar, da ich alle Mitglieder der Gemeinde betreue.

Ich liebe Israel, bin durch und durch Israeli und Jude. Ich trenne zwischen Menschen im Land und der Staatsregierung. Das Land Israel gehört allen Juden der Welt – mit oder ohne Staatsangehörigkeit sind wir "Israel". Das bedeutet eine Verbundenheit sowie Verantwortung, Unterstützung, aber auch Reflektion und Einfluss.

Mazel Tov lach, Arzti moladeti – Alles Gute zum Geburtstag, mein Heimatland! Man sagt: Möge es Dir bis zum 120. Lebensjahr wie einem 20-Jährigen gehen. Dir wünsche ich mindestens noch 1200 Jahre (denn was sind 120 Jahre für ein 3000 Jahre altes Land?). Und Du sollst diese Jahre mit der Mentalität leben, die du beim 20. Geburtstag hattest: Starke Zusammenarbeit für eine gemeinsame Vision und den Glauben an das Wichtigste. Schalom!

Yoed Sorek ist Kantor der Liberalen Jüdischen Gemeinde in Hannover und Sänger, spezialisiert auf jüdische Musik und jiddische Lieder. Als Tenor sang er bereit im zahlreichen großen Orchestern, er leitete mehrere Chöre und gewann bereits beim Internationalen Jüdischen Musikfestival  in Amsterdam  sowie den Utrecht Mercaz-Preis.