Neues vom RC Bröckedde - Folge 33
Bad Bank Bröckedde
Frau Pröpcke berichtete ihrem Gatten Unfassliches: „Die Munzingers fliegen nicht mehr First in Urlaub, sondern nur noch Business Class. Und sie trägt ihr blaues Couture-Kleid schon im zweiten Jahr.“
Die Finanzkrise hatte den RC Bröckedde erreicht und traf besonders eine Gruppe, die an Kopfzahl sogar die Anwälte überholt hatte. Freund Munzinger führte sie an, die Investment-Hedgefonds-Private-Equity-Spezialisten nebst der Sektion Heuschrecken. Urplötzlich litten sie wie der gemeine Rotarier (Rotarius simplex). Sie schlürften beim Meeting nur noch ein Süppchen und tranken Wasser, wobei sie beim Wirt eine Flatrate durchgesetzt hatten. Kassierer Knödler entdeckte in der Sammelbüchse immer weniger Scheine und immer mehr Hosenknöpfe. Freund Dr. Krümelein fand treffende Worte für die Befindlichkeit der Gruppe: „Es ist nix mehr mit wining, dining and travelling.“ Vom Salon Hindenburg aus hatten die Freunde einen guten Blick auf den halb fertigen Bröckedde Tower, der noch im Frühjahr 2008 als Zentrum des neuen Bröckedder Finanzdistrikts eingeweiht worden war. „Ich führe euch herrlichen Zeiten entgegen“, hatte der isländische Investor bei der Grundsteinlegung getönt. Doch die Bauarbeiten wurden beim neunten Stockwerk gestoppt und auch der Torso war schon verpfändet. In diesem Torso wirkte Freund Müller, der zum Chef der neuen Bad Bank Bröckedde ernannt worden war. Doch Müller wurde mit jedem Tag gelbgesichtiger, und nach einem Besuch der Bad Bank wusste der RC Bröckedde, warum.
Über dem Eingang der Bad Bank prangte neben den Stechuhren das neue Motto der New Yorker Börse: „No Porsches, no Pictures.“ Statt fetter Boni gab es für die Bad Banker nur noch Einkaufsgutscheine für den Schlecker-Markt, in den Gängen roch es nach Kohl und Desinfektionsmitteln. Die Freunde erblickten graue Gestalten in schlecht sitzenden Anzügen, die schmutzige Leitzordner mit notleidenden Krediten von einem Stockwerk zum anderen schleppten.
Auf der Freifläche hinter dem Tower zeigte Freund Müller sein Verwertungsinstrumentarium. Auf einem Komposthaufen moderten die Immobilienfonds, während die Leerverkäufe in mächtigen Silos gehortet wurden. Besonders toxische Papiere wie Derivate landeten in einer Destillieranlage, strukturierte Produkte kamen in einen Cracker, während Island-Papiere gleich in die Müllverbrennung gelangten. „Und was bringt das am Ende?“, fragte Kassierer Knödler. Müller entgegnete säuerlich: „Na ja, irgendetwas, irgendwie. Aber 25 Prozent Rendite werden wir wohl nicht erreichen.“
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