Neues vom RC Bröckedde - Folge 24
Endlich Prominent
Freund Lützelmann hatte mit Dübeln ein Vermögen verdient. Aber im RC Bröckedde, das wurde ihm schmerzlich bewusst, war sein Prestige eher mau. Niemand blickte auf, wenn er in den Salon Hindenburg kam. Dafür standen die anderen im Scheinwerferlicht. Gelb vor Neid wurde Lützelmann, wenn Präsident Pröpcke in der Landesschau seine Interviews gab. Freund Dr. Krümelein pflegte eine wöchentliche Kolumne im Bröckedder Anzeiger und von Freund Dr. Bommert waren schon drei Leserbriefe in der FAZ abgedruckt worden.
Was hatte er? Einen Aufsatz „Der Kunststoffspreizdübel im Sanierungsgebiet West von Bröckedde“ und die silberne Ehrennadel seines Bundesverbands für 25 Jahre Verdienste um den deutschen Dübel. Das war entschieden zu wenig. Da schlug das Schicksal zu in Gestalt einer Reporterin von RTL 3, die in der Fußgängerzone von Bröckedde ein paar Äußerungen zum Thema „Globalisierung“ sammelte. Sie griff sich Lützelmann und der lieferte aus dem Stand ein fulminantes 30 Sekunden-Statement ab unter dem Motto „Der Chinese schläft nicht“. Das war noch nicht der Durchbruch, doch Lützelmann stand nun überall, wo eine Kamera auftauchte, und hielt sich bereit. Die Reporterin meinte später: „Er nervte gewaltig, aber er konnte so schön reden. Da haben wir ihn halt öfter genommen.“
Und so sickerte Lützelmann ins öffentliche Bewusstsein. Auf einmal war er wer. Er saß nun an den A-Tischen, neben Starfriseuren und Verlegergattinen, Ex-Tennis-Cracks und weiteren Stützen der Gesellschaft. In BILD durfte Lützelmann „Ballack muss in die Tiefe des Raumes“ fordern und im Focus Bedenken zum EU-Beitritt der Türkei anmelden.
Bisweilen überfielen Lützelmann Selbstzweifel. „Vom deutschen Dübel mal abgesehen – was habe ich eigentlich geleistet, dass ich so prominent bin?“ fragte er seinen Agenten. Der winkte ab: „Leistung ist eher hinderlich.“
Aber weitere Profilierung sei gut, meinte der Agent: „Sie müssen ein Buch schreiben, so eine Art Mutmachaufrüttelbuch.“
„Ich kann nicht schreiben.“
„Ein Promi lässt schreiben.“
Das Buch wurde ein Knüller und Lützelmann hatte die höchste Stufe der Vollendung erreicht. Er war nun prominent, weil er prominent war.
Schon überlegte der Agent, ob Lützelmann bei seinen Meetingbesuchen im Bröckedder Hof ein ständiges TV-Team begleiten sollte.
Doch bei diesen Meetings – und hier kommen wir zum tragischen Schluss – war es leider wie früher. Noch immer blickte niemand auf, wenn Lützelmann erschien.
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