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Standpunkt

Das Bevölkerungsproblem – Warum ist die Staatengemeinschaft so untätig?

Standpunkt - Das Bevölkerungsproblem – Warum ist die Staatengemeinschaft so untätig?
© privat, Thomas Kruchem

Franz Josef Rademacher01.07.2017

Obwohl die Weltbevölkerung weiter rasant wächst und obwohl immer mehr Menschen ihre Heimat verlassen müssen, herrscht auf der Ebene der Staatengemeinschaft „Funkstille“. Das vielleicht bedrohlichste Thema für unsere Zukunft wird totgeschwiegen, so als hätten wir alle eine Zensurschere im Kopf. Dabei haben die letzten zwei Jahre gezeigt, dass schon vergleichsweise kleine Ströme von Migranten unsere politischen Systeme überfordern können. Selbst die deutsche Politik ist überfordert, von vielen Nachbarstaaten erst gar nicht zu reden. Der Zusammenhalt Europas steht in Frage, der Brexit gibt uns eine Vorstellung davon, was noch kommen könnte.

Fortschreitende Parzellierung...
Die Zahlen der Welternährungsorganisation zeigen eindrücklich, dass im Bereich der Subsistenzwirtschaft die immer weitergehende Aufteilung der ohnehin schon zu kleinen landwirtschaftliche Parzellen auf immer mehr Nachkommen Hunger und Elend fördern. Die Flucht in überfüllte städtische Gebiete, die den meisten Neuankömmlingen auch kein Auskommen bieten können, ist eine mögliche Reaktion, Migrationsversuche sind eine andere. Untersuchungen auf Seiten der Vereinten Nationen (vgl. die anhängende Grafik) zeigen deutlich, dass Fortschritte auf dem Weg in eine gute Zukunft hoch korreliert sind mit niedrigen Reproduktionsraten. Wie kann es sein, dass all das nicht thematisiert wird? Die Weltgemeinschaft setzt weiter auf Wohlstand und Ausbildung für alle, z. B. mit den 17 Nachhaltigkeitszielen, verbunden mit der Hoffnung, dass irgendwann der Bevölkerungszuwachs aufhört. Die Politik wartet ebenso, genau wie viele Nichtregierungsorganisationen und leider auch viele Rotarier, obwohl diese es eigentlich besser wissen sollten.

Warten ist in der bestehenden Situation als politisches Programm zu wenig. Mindestens zwei weitere Aktivitäten sind überall und sofort dringend geboten.

Es gibt weltweit etwa 250 Millionen Paare, die gerne verhüten würden. Ihnen fehlen aber verlässliche Informationen und der Zugang zu Verhütungsmitteln. Diese Menschen können ihr Recht auf familiäre Selbstbestimmung nicht wahrnehmen. Es ist ein Skandal, dass es so etwas heute immer noch gibt und es zeugt von „Dummheit“, dass die entwickelten Staaten, aber auch viele Vertreter der Zivilgesellschaft, an dieser Stelle nicht wirklich massiv aktiv werden 

Wir wissen aus unserer eigenen Historie, wie wichtig der Aufbau von Sozialsystemen zur Stabilisierung der persönlichen Situation von Familien und Individuen ist und wie sehr solche Systeme dazu beitragen, die Geburtenraten abzusenken. Hier sollten die reichen Länder weltweit im Rahmen von Partnerschaften mit sich entwickelnden Staaten aktiv werden, so wie jüngst wieder von Seiten Club of Rome und Senat der Wirtschaft im Marshall Plan mit Afrika vorgeschlagen.

...fördert Hunger und Elend
Gut, dass es an dieser Stelle die Rotarian Action Group for Population and Development (RFPD) gibt. Sie ist neben der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung der wichtigste Akteur der Zivilgesellschaft zum Thema Bevölkerungsentwicklung.

RFPD kofinanziert seit 20 Jahren Projekte von Rotary Clubs zur Förderung der „Gesundheit von Mutter und Kind“ (MCH) einschließlich Familienplanung. MCH ist seit 2013 einer der sechs Schwerpunkte von Rotary International, wozu RFPD mit einschlägigen Projekten beigetragen hat. Seit Gründung hat die Action Group RFPD, zunächst als serviceorientierte Fellowship, darauf hingearbeitet, dass Rotary International und die Rotary Foundation Familienplanungsprojekte einschließlich Bereitstellung von Kontrazeptiva fördert. 

Das jährliche starke Bevölkerungswachstum Afrikas führt dazu, dass die Bevölkerung immer jünger wird und die Jugendarbeitslosigkeit weiter zunimmt. Dieser „Youth Bulge“ (Jugend- überhang) wirkt seit Jahren auf die Länder Afrikas destabilisierend und führt viele arbeitslose und unzufriedene Jugendliche ohne Perspektive dazu, dem Migrationsdruck nachzugeben. Durch gezielte Förderung der Familienplanung wird ein bedeutender Schritt gemacht werden zur fälligen Enttabuisierung von Familienplanung. Dann kann in Afrika aus der demographischen Herausforderung eine Chance für mehr ausgebildete junge Arbeitskräfte entstehen, die das Potential der „demographischen Dividende“ sind. Hier will Rotary über RFPD einen wichtigen Beitrag leisten.

Gut, dass es RFPD gibt. Wir geben der Bevölkerungsthematik eine Stimme. Wir sind also nicht alleine. Wir weisen nachdrücklich auf das Problem hin – seit mehr als 20 Jahren. Und wir zeigen mit unseren Projekten der rotarischen Familie, dass Erfolge überall möglich sind, auch in Afrika, auch in ländlichen Regionen, auch in Zusammenarbeit mit local rulers, in christlichen wie islamischen Gebieten und auch da, wo sich die Territorien der Religionsgemeinschaften überschneiden. Das gibt Hoffnung. Machen Sie mit.