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Wie Strategisches Politikmanagement die Effektivität der öffentlichen Verwaltung verbessert

Neue Ideen braucht das Land

Text: Jens Bullerjahn und Michael Schädlich

01.09.2015

Nicht wenige in Sachsen-Anhalt und in Ostdeutschland überhaupt schauen mit einer gewissen Sorge auf das Jahr 2020. Dann läuft bekanntlich die Sonderförderung des Ostens aus; die neuen Länder müssen finanziell auf eigenen Füßen stehen. Für Sachsen-Anhalt gibt es aber weniger Anlass zur Sorge, sondern es eröffnet sich vielmehr die Chance, dass die Entwicklung des Landes noch stabiler und dynamischer als bisher verläuft. Dabei stellen sich für die Politik freilich neue Herausforderungen, die gemeistert werden müssen.

 Um die Aufgaben bewältigen zu können, entwickelt das Finanzministerium gemeinsam mit einer Reihe von Partnern – darunter das Institut für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung Halle – das Konzept für ein Strategisches Politikmanagement. Ähnliche Systeme wurden u.a. in den USA, Neuseeland, Australien, Großbritannien, den skandinavischen Staaten, der Schweiz und in Österreich bereits eingeführt.

Warum stellen wir uns diesem neuen Politikansatz? Die Ausgestaltung staatlicher Haushalte steht zunehmend im Spannungsverhältnis von Konsolidierungsbestrebungen und wachsenden Aufgaben. Auf der einen Seite wird der finanzielle Gestaltungsrahmen der öffentlichen Verwaltungen durch die bundesdeutsche Schuldenbremse und den europäischen Fiskalpakt begrenzt. Auf der anderen Seite steigen die Anforderungen an die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben sowohl quantitativ als auch qualitativ.

Die einzelnen staatlichen Ebenen stehen unter einem erhöhten Veränderungsdruck, da sie ihr Regierungs- und Verwaltungshandeln an den jeweils aktuellen ökonomischen, demografischen, sozialen und ökologischen Entwicklungsprozessen ausrichten müssen und andererseits auch dadurch nachhaltig geprägt werden. Der verringerte Umfang der bereitgestellten finanziellen und personellen Ressourcen in Verbindung mit erhöhten Ansprüchen an die öffentlichen Leistungen stellt Regierungen und Verwaltungen folglich vor wachsende Herausforderungen. Um sich die Möglichkeit zur politischen Schwerpunktsetzung zu erhalten, wenn gleichzeitig die gesetzlich verankerten Aufgaben erfüllt bleiben sollen, sind deutliche Effizienzsteigungen nötig. Auch damit die wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen weiterhin beeinflusst werden können. Mit begrenzten Ressourcen soll ein Maximum an Ergebnissen erzielt werden. Dies erfordert konkrete politische Zielvorgaben, nachvollziehbare Umsetzungsmaßnahmen sowie klare Verantwortlichkeiten.

Die zunehmende Komplexität der sozioökonomischen Rahmenbedingungen sowie steigende Anforderungen an die Flexibilität, Effektivität und Effizienz erfordern, dass das Verwaltungshandeln neu ausgerichtet und wirkungsorientiert, strategisch determiniert gestreut wird.

An der Wirkung orientieren

Darunter wird generell ein langfristiges, an Zielen orientiertes Denken und Handeln verstanden. Gegenwärtige und künftige Herausforderungen müssen so effizient wie möglich gemeistert werden. Speziell bei der Aufstellung öffentlicher Haushalte wird es hierbei in wachsendem Maße nötig sein, strategische Ziele zu definieren und das Verwaltungshandeln konsequent danach auszurichten. Vor allem wenn es darum geht, den Konsolidierungsanspruch der öffentlichen Haushalte aufrecht zu erhalten, ist ein modernes Verwaltungsmanagement, das den Fokus auf die Wirkung politischer Entscheidungen legt, von zentraler Bedeutung. Langfristige, an der Wirkung orientierte politische Strategien lassen sich viel besser umsetzen, wenn die Rahmenbedingungen in einem Land relativ stabil sind. Es muss verhindert werden, dass bereits konjunkturelle Dellen erhebliche Änderungen bei der Haushaltsplanung nötig machen. Deshalb ist es wichtig, dass nötige Strukturveränderungen umgesetzt oder zumindest in Angriff genommen worden sind. Und da hat Sachsen-Anhalt seit 2006 viel erreicht.

Die finanzpolitische Umwälzung ist geschafft. Das Land macht keine neuen Schulden mehr. Es erwirtschaftet stattdessen kontinuierlich Überschüsse und tilgt ab 2020 jährlich 225 Mio. Euro, um den Schuldenberg von insgesamt mehr als 20 Milliarden Euro langfristig abzutragen. Mit einer Steuerschwankungsreserve von etwa 800 Mio. Euro bis 2020 wird das Land von konjunkturellen Schwankungen weitgehend unabhängig. Durch einen Pensionsfonds, der bis 2025 auf rund drei Mrd. Euro aufgefüllt wird, können sämtliche Pensionen der seit 2007 eingestellten Beamten finanziert werden. Diese Kosten belasten nicht mehr die aktuellen Haushalte.

Mit Hilfe eines strikt umgesetzten Personalkonzepts wird die Zahl der Landesbediensteten von gegenwärtig etwa 60.000 bis 2020 auf 40.000 reduziert. Auf der anderen Seite werden ab 2017 jährlich über 1.000 junge Leute neu eingestellt. So verjüngt sich die Landesverwaltung erheblich.Bis 2020 sind auch die wichtigsten Strukturveränderungen umgesetzt. Dazu zählen die Reformen bei der Polizei, der Finanzverwaltung ebenso wie die Reduzierung der Justizvollzugsanstalten, Umstrukturierungen bei den Landkreisen und Kommunen, im Schul- und Kulturbereich sowie in der Bauverwaltung. Damit wird die Verwaltungsstruktur dem Bevölkerungsrückgang von drei auf zwei Millionen Einwohnern angepasst.

Viele Kommunen in Sachsen-Anhalt werden mit Hilfe eines Teilentschuldungsprogramms (STARK II) in den nächsten Jahren ihre Schulden erheblich senken. Der Schuldenstand der Kommunen kann von über drei Milliarden Euro in 2006 auf etwa eine Milliarde Euro bis 2020 abgebaut werden. Alle Schulen und Kindertagesstätten des Landes Sachsen-Anhalt werden durch das europaweit einmalige Programm STARK III bis 2022 auf höchstem Niveau saniert. Die Gesamtinvestitionen belaufen sich auf über 600 Millionen Euro. Sämtliche Schulen und Behörden werden bis 2018 an ein modernes, leistungsfähiges Datennetz angeschlossen sein. Bis 2020 können die wichtigsten Bauprojekte des Landes fertiggestellt werden.

Das Fundament, die Rahmenbedingungen sind stabil. In den nächsten Jahren kommt es darauf an, Sachsen-Anhalt so zu gestalten, dass möglichst viele dort leben wollen. Sachsen-Anhalt muss ein Einwanderungsland werden. Nur so kann der immer noch dramatische Bevölkerungsverlust gestoppt werden. Und neue Leute braucht das Land, weil schon jetzt qualifizierte Fachkräfte fehlen. Es geht also zuallererst darum, Sachsen-Anhalt noch attraktiver zu machen, damit immer mehr, gerade junge Leute hier bleiben oder aus anderen Teilen Deutschlands, Europas und der Welt zu uns kommen.

Um diese Herausforderung zu meistern, muss die Politik neue Wege gehen. Die gerade in Deutschland noch immer weit verbreitete Vorstellung, Politik löst allein dadurch Probleme, dass ausreichend Geld zur Verfügung gestellt wird, ist zu kurz gedacht. Politik muss vielmehr die Wirkung ihrer Entscheidungen in den Vordergrund stellen. Daran wird sie ja auch von den Bürgern gemessen.

Das WIE IST ENTSCHEIDEND

Genau deshalb halten wir das Strategische Politikmanagement für ein Gebot der Zeit. Mit diesem Konzept wird es möglich sein, endlich nicht mehr nur darüber zu reden, wer wie viel Geld bekommt, sondern wo das Geld tatsächlich am sinnvollsten eingesetzt wird. Erfolgen soll dieses Umdenken durch die Verknüpfung des Ressourceneinsatzes mit den erwarteten Wirkungen. Ziel ist, dass den Verantwortlichen für die politischen Entscheidungen die wirkungsorientierten und finanzrelevanten Daten gebündelt vorliegen. Die Einführung des Strategischen Politikmanagements führt so zu einer Neuorientierung in der Finanzpolitik: weg von der Input-Steuerung hin zur ergebnisorientierten Wirkungssteuerung.

Konkret für Sachsen-Anhalt bedeutet das: Es reicht nicht mehr aus, allein eine hohe Investitionsquote zu sichern. Sondern es geht vielmehr darum, wie viele gut bezahlte Arbeitsplätze insbesondere in innovativen Bereichen mit den Zuschüssen geschaffen werden können. Es reicht auch nicht mehr aus, dass Jahr für Jahr mehr Geld für Forschung und Entwicklung bereitgestellt wird. Sondern es geht darum, wie Hochschulen, Universitäten und Institute zu Motoren einer dynamischen Entwicklung werden und dafür die klügsten Köpfe nach Sachsen-Anhalt holen. Und es reicht auch nicht mehr aus, dass in den Schulen eine Unterrichtsversorgung von mehr als 100 Prozent gesichert wird. Sondern es geht vielmehr darum, wie bei einer optimalen Unterrichtsversorgung die Abbrecherquote gesenkt und die Jugendlichen noch besser auf ihr späteres Berufsleben vorbereitet werden können.

Für die Bewältigung dieser Herausforderungen braucht es langfristige politische Strategien. Die Landespolitik muss über Wahlperioden hinaus denken. Parallel dazu muss das Controlling ausgebaut werden. Parlament wie Öffentlichkeit müssen einschätzen können, ob die Ministerien die beschlossenen Ziele auch tatsächlich einhalten. Notfalls wird es Korrekturen bis hin zu finanziellen Umschichtungen geben müssen. Wirksames Controlling und die erwünschte breite öffentliche Mitwirkung setzen aber eine umfassende Information voraus. Bürgerinnen und Bürger sollten nicht nur verstehen, was die Politik in Sachsen-Anhalt will, sondern auch wissen, was hinter den Zahlen und Konzepten steckt. Erst dann ist ein kritischer Dialog auf Augenhöhe möglich.

Um dies zu erreichen, führen wir ein Informationssystem Sachsen-Anhalt mit den wichtigsten finanzpolitischen Daten ein. Damit lässt sich die Landespolitik online in alle Bücher schauen. Dank dieser Maßnahme kann man von einer transparenten Politik sprechen – ein gutes Rezept gegen die Politikverdrossenheit ...


Zu den Autoren:

Jens Bullerjahn ist seit 2006 stellvertretender Ministerpräsident und Finanzminister des Landes Sachsen-Anhalt.

Info: www.mf.sachsen-anhalt.de

Dr. Michael Schädlich ist einer von drei Geschäftsführern des isw Instituts für Strukturpolitik und Wirtschaftsförderung gGmbH.

Info: www.isw-institut.de