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Herkunft der Heiligen Drei Könige

Von den Quellen zur Überlieferung

In turbulenten Zeiten, in denen der Orient hierzulande vor allem mit Ängsten und Sorgen verbunden wird, erinnert uns die biblische Geschichte von den Heiligen Drei Königen an die langen kulturellen, religiösen und auch ökonomischen Verbindungen zum Nahen und Mittleren Osten.

Manfred Becker-Huberti01.12.2015

Im Rahmen der Erzählung von der Geburt Jesu berichtet der Evangelist Matthäus (2,1–16), und nur er, von Magiern, die aus dem Osten kamen. Das bei Matthäus verwendete griechische Wort „mágoi“ bezeichnete zu seiner Zeit im engeren Sinn Angehörige der medisch-persischen Priesterkaste, im weiteren Sinne Astrologen, Traum-, Orakeldeuter, Seher. Durch einen Stern, den später sogenannten „Stern von Bethlehem,“ waren diese auf die Geburt eines neuen Königs in Israel aufmerksam geworden und nach Jerusalem gezogen. Von Jerusalem an zog der Stern vor ihnen her zum Geburtsort Betlehem. Die Zahl, die genauere Herkunft und die Namen der Magier werden nicht genannt. Heute wird die Historizität der Magier-Erzählung von der neutestamentlichen Forschung mehrheitlich nicht aufrechterhalten.

Magischer Dreiklang

Anhand der drei symbolischen Geschenke – Gold, Weihrauch und Myrrhe – wurde von Origines (um 185–254) die Dreizahl der Magier angenommen, was Allgemeingut wurde. Schon Tertullian (um 160–220) verweist auf Jes 60,3 und Ps 72,10: „Könige von Tarschisch, Saba und Scheba bringen Geschenke“. Spätestens seit Caesarius von Arles (469–542) sind die drei Magier zu Königen geworden. Als letztes bilden sich für die drei Könige Namen aus. Das berühmte Mosaik aus dem 6. Jahrhundert in Ravenna (S. Apollinare Nuovo) listet auf: Der Älteste heißt Caspar (persisch: Schatzmeister), der mittlere Balthasar (= Lichtkönig), der jüngste Melchior (= Gottesschutz). Keiner der drei hatte zu diesem Zeitpunkt eine schwarze Hautfarbe. Einer davon, zunächst überwiegend Kaspar, dann aber Melchior, galt als „Mohr“ und Vornehmster der Drei. Dass zuweilen auch Balthasar der Älteste der Könige sein kann, geht auf den großen ikonographischen Einfluss des Kölner „Altars der Stadtpatrone“ (1445) von Stephan Lochner zurück. Seit Beda Venerabilis (674–735) repräsentieren die Heiligen Drei Könige die drei Lebensalter: Jüngling, Mann „in den besten Jahren“ und Greis. Zuvor waren die Drei auch als Personifikationen der drei biblischen Rassen (Semiten, Chamiten und Japhetiten, die Nachfahren der Söhne Noahs) gedeutet worden. Die Dreikönige versinnbildlichen darüber hinaus die drei damals bekannten Kontinente: Asien, Europa und Afrika. Unterstrichen wird dies durch die jeweils mitgeführten Reittiere: Pferd, Kamel und Elefant.

Über den weiteren Lebensweg der Dreikönige erzählen die Apokryphen. Das Proto-Evangelium des Thomas (6. Jh.) berichtet von ihrer Taufe. Sie sollen später zu Priestern und Bischöfen geweiht worden und – nach einer gemeinsamen Weihnachtsfeier – alle drei kurz nach 53 hintereinander gestorben sein.

Nach Mt 2,1 ff. haben die Magier „einen Stern aufgehen sehen“ und sind ihm gefolgt, bis er in Betlehem über dem Geburtsort Jesu anhielt. Es handelt sich um die Konjunktion der Planeten Jupiter und Saturn im Sternbild der Fische, eine Tripel-Konjunktion. Dabei ist es mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Erscheinung gekommen, die sich in Darstellungen und Erzählungen gerne als „Sternenschweif“ oder „Kometenschweif“ darstellt: ein zarter Lichtkegel mit den beiden Planeten an der Spitze, der von den Sternen direkt auf die Erde zu weisen schien.

Deutung von Stern und Gaben

Die Grundsymbolik der Sterne besteht darin, Abbild jener göttlichen Idee zu sein, nach der die Schöpfung sich um Gott bewegt, seinen Willen erfüllt. Die Sterne zeigen: Gott ist Mitte der Schöpfung, alles Leben kreist um ihn. Der moabitische Seher Balaam hatte prophezeit: „Ich sehe ihn, aber nicht jetzt, ich erblicke ihn, aber nicht in der Nähe: ein Stern geht in Jakob auf, ein Szepter erhebt sich in Israel“ (Nm 24,17) – deshalb auch die Bezeichnung Jakobsstern. Diese auf Jesus Christus hin gedeutete Weissagung erhebt ihn zum König.

Der Stern, der den Weg zur Krippe weist, ist nach alter christlicher Tradition Christus selber. Er wird als achteckiger Stern von Betlehem dargestellt und galt als frühchristliches Symbol für Christus. Ignatius von Antiochien formuliert: „Christus im Geheimnis der Menschwerdung ist selbst der Stern ... Mit dem eignen Licht weist er also auf sich selber hin“ (Ambr. in Luc II,45). Diese Deutung wird in der Kunst aufgenommen, die den Stern der Magier mit Christusmonogramm, Kreuz oder der Christusgestalt verbindet. Im achteckigen Stern „verbirgt“ sich die Auferstehung am „achten Tag“, dem Tag nach dem siebten Tag, dem Sabbat. Der achte Tag der Christen – noch heute im Sprachgebrauch Bild für „eine Woche“ – steht für die Überwindung des Todes. Diese Verheißung wurde vor allem in den Baptisterien wiedergegeben. Die späteren Taufbecken der Romanik für die Kleinkindtaufe übernehmen die Achteckigkeit ebenso wie manche Kirchbauten.

Die Christus huldigenden Magier sind ikonographisch typisiert in dem aus der Antike bekannten Zeremoniell des „aurum coronarium“ (Goldkranzspende). Dabei überreicht – in der Regel – ein Barbar dem Triumphator einen goldenen Siegeskranz, Gaben und/oder Geld als Geschenk zu deren Anfertigung. Die Gabe von Gold ist eine symbolische Handlung: Gottes Sohn wird durch das Kostbarste geehrt, was die Erde bietet.

Auch die Myrrhe und der Weihrauch haben Symbolcharakter. Die Myrrhe war ein Betäubungsmittel, wie es auch Jesus am Kreuz (vgl. Mk 15, 23) gereicht wurde. Vor allem aber wurde die Myrrhe zur Einbalsamierung von Leichen gebraucht. Dieses Geschenk verwies also auf den Tod des Beschenkten. Der Weihrauch bezieht sich auf die Göttlichkeit des Beschenkten. Das Aufsteigen und die Ausbreitung des Weihrauchs symbolisiert die Entfaltung der Gottheit.

Königliche Verehrung

Die Reliquien der Heiligen Drei Könige sollen durch Kaiserin Helena (+ 330), Mutter des ersten christlichen römischen Kaisers Konstantin (um 280–337), aufgefunden worden seien. Sie gelangten nach Konstantinopel und wurden von dort der Legende nach durch Bischof Eustorgius I. im 4. Jahrhundert nach Mailand verbracht. Sie ruhten in einem großen römischen Sarkophag in San Eustorgio. Als Kaiser Friedrich Barbarossa 1162 Mailand eroberte und zerstörte, bemächtigte er sich auch der Reliquien der Stadt. Die Reliquien der Heiligen Drei Könige überließ er seinem Kanzler, dem Kölner Erzbischof Rainald von Dassel (1159–1167), der sie am 23. Juli 1164 (Fest der Translation) feierlich in die Stadt Köln überführte. Hier wurde 1180–1225 durch den „Meister von Verdun“ für die Reliquien der kostbare „Dreikönigsschrein“ angefertigt, der größte erhaltene des gesamten Mittelalters. Dieser wiederum wurde Anlass zum Bau der Kölner gotischen Kathedrale, für die 1248 der Grundstein gelegt wurde. Über dem „goldenen Haus“ der Dreikönige wurde ein „Abbild des Himmels“ gebaut. 1904 wurde ein Teil der Reliquien vom Erzbistum Köln an Mailand zurückgegeben. Dort werden sie in einer Urne unter dem Altar von S. Eustorgio verehrt.

Wer die Frontseite des Kölner Dreikönigenschreins betrachtet, entdeckt nicht nur das auf dem Schoß seiner Mutter thronende Jesuskind und die drei ihn anbetenden Magier. Die drei Magier stehen unter zwei überspannenden Bögen, zu dem ein dritter gehört. Und unter diesem steht ein weiterer, ein vierter König. Es ist der Welfe Otto IV. (1198–1214), Gegenkönig zu Philipp von Schwaben. Otto hat Gold für den Schrein gestiftet, steht aber hier nicht bloß als Sponsor. In seiner Zeit war die Frage zu klären: Ist der Papst der alleinige Stellvertreter Gottes, der über dem deutschen König und römischen Kaiser steht, oder ist der Monarch eigenständig? Die Darstellung auf dem Dreikönigsschrein gibt die Antwort: Der deutsche König steht auf einer Ebene mit den Heiligen Drei Königen und leitet seine Autorität direkt von Gott selbst ab. Er ist König „von Gottes Gnaden“ und nicht „von des Papstes Gnaden“.

Die Heiligen Drei Könige waren nicht nur den deutschen Königen und Kaisern Vorbild und Fürbitter. Die ersten Nichtjuden, die den Messias verehrten, sind bis heute mit Brauchtum verbunden und vielen Menschen eine (Pilger-) Reise nach Köln wert. Und selbst wer „religiös unmusikalisch“ ist, kann sich fragen, vor wem oder was er denn niederkniet und welchem Stern er folgt – und warum. 

Manfred Becker-Huberti
Prof. Dr. Manfred  Becker-Huberti war von 1990 bis 2006 Pressesprecher des Erzbistums Köln. Seit 2007 ist er Honorarprofessor an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar. Zu seinen Büchern gehört u.a. „Die Heiligen Drei Könige. Geschichte, Legenden und Bräuche“ (Greven 2005) und „Märtyrer. Der sicherste Weg zur Heiligkeit“ (Bachem 2013). www.becker-huberti.de