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ERNST MESSERSCHMID, RC STUTTGART-WILDPARK

Sieben Tage im All

Nicht, dass er schon als kleiner Junge von einem Weltraumflug geträumt hätte. Erst ein Interview, zufällig gehört im Autoradio, brachte ihn auf die Idee, sich als Astronaut zu bewerben – 32 Jahre alt und bereits etablierter Wissenschaftler in der Kernforschung.

Gerald Deckart17.03.2015

Doch der Reihe nach. Ernst Messerschmid absolvierte nach der Schule zunächst eine Ausbildung als Installateur im elterlichen Betrieb im schwäbischen Reutlingen, ehe er auf dem zweiten Bildungsweg sein Abitur nachmachen und seinen eigentlichen Traum verwirklichen konnte, Physik zu studieren. Und da waren es bald vor allem die kleinsten Teilchen der Materie, die ihn faszinierten, deren Wesen er auf den Grund gehen wollte. Er ging für vier Jahre an das Europäische Kernforschungszentrum CERN in Genf und erarbeitete dort seine Diplom- und seine Doktorarbeit, die er dann 1976 in Freiburg einreichte. Zwischendurch wirkte er ein Jahr an einem Institut in den USA an der Entwicklung von Teilchenbeschleunigern mit, fasste sogar den Plan, in den USA zu bleiben.

Doch dann kam 1977 diese Radiosendung, in der über die Suche nach deutschen Astronauten für das europäische Spacelab-Programm berichtet wurde. Messerschmid ging im Geist die geforderten Voraussetzungen durch und stellte fest: „Das passt zu mir!“ Bei der strengen Kandidatenauswahl kam er bei mehr als 2000 Bewerbern unter die letzten fünf, Ulf Merbold wurde schließlich als erster (west-) deutscher Raumflieger ausgewählt. Ernst Messerschmid und Reinhard Furrer flogen dann als Zweite am 30. Oktober 1985 mit dem Space-Shuttle für sieben Tage zum europäischen Raum­labor Spacelab. 70 verschiedene wissenschaftliche Experimente konnten sie dort erfolgreich durchführen.
 
Privilegierte Situation
Was fühlt man, wenn man mit einer Geschwindigkeit von bis zu 28.000 km/h in eine Umlaufbahn rund 400 Kilometer über der Erdoberfläche geschossen wird? „Es rüttelt an den innersten Grundfesten, man fühlt sich in einer unglaublich privilegierten Situation“. Das Entscheidende dort oben seien jedoch nicht die Gefühle, sondern die Experimente und ihre möglichen Rückwirkungen auf das Leben auf der Erde. „Wir würden vieles heute Wichtige nicht wissen, wenn wir die Raumfahrt nicht hätten.“ Angetrieben, so Messerschmid, werde die Weltraumforschung durch drei Imperative. „Erstens: Wir schulden es unserer menschlichen Neugier, Wissen zu mehren. Zweitens: Wir forschen, weil wir verstehen und Antworten auf uralte Fragen der Menschheit finden wollen. Und drittens: Wir wollen dieses Wissen für die gesamte Menschheit nutzbar machen.“

Viele der gewonnenen Erkenntnisse und ihre praktische Umsetzung sind aus unserem heutigen Alltag nicht mehr wegzudenken – von Nachrichtenübertragung via Satellit über immer genauere Wettervorhersagen bis hin zu neuen Werkstoffen.

Von unschätzbarer Bedeutung ist für Ernst Messerschmid die internationale Zusammenarbeit in der Weltraumforschung. Deshalb hat er auch 1985 die Association of Space Explorers (ASE) mit­gegründet. Sie will die Erkenntnisse aus dem Weltraum auch in politische Entscheidungen einfließen lassen. Nicht zuletzt auf Umweltkonferenzen ist die ASE ein gefragter Gesprächspartner. Denn aus 400 Kilometer Höhe sieht man manches klarer.


ZUR PERSON

Ernst Messerschmid wurde am 21. Mai 1945 in Reutlingen geboren.

  • 1967 Beginn des Physikstudiums zunächst in Tübingen, Diplom in Bonn, Promotion in Freiburg
  • Anfang der 70er Jahre insgesamt vier Jahre Tätigkeit am Europäischen Kernforschungszentrum in Genf
  • 1977 Heirat. Nach der Bewerbung als Astronaut 1978 Wechsel an die damalige Deutsche Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt
  • 1982 Beginn des Astronauten-Trainings. Am 30. Oktober 1985 Flug mit der US-Raumfähre Challenger zur ersten deutschen Spacelab-Mission, zusammen mit Reinhard Furrer. Rückkehr am 6. November
  • Am 30. Oktober 1985 Flug mit der US-Raumfähre Challenger zur ersten deutschen Spacelab-Mission, zusammen mit Reinhard Furrer. Rückkehr am 6. November
  • Seit 1986 Lehrtätigkeit an der Universität Stuttgart, Direktor des Instituts für Raumfahrtsysteme (IRS). 1990 für zwei Jahre Dekan des Fachbereichs Luft- und Raumfahrttechnik
  • 1987 Aufnahme in den RC Stuttgart-Wildpark
  • 2000 bis 2004 als Leiter des Europäischen Astronautenzentrums in Köln-Porz verantwortlich für das Training aller europäischen Astronauten
  • 2007 bis 2010 im Vorstand des Innovationsrates des Landes Baden-Württemberg
  • 2013 Emeritierung