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Berlin

Wassermann und Ideenschmuggler

Berlin - Wassermann und Ideenschmuggler
Der Berliner Fotograf Sven Hoffmann in seinem bevorzugten Arbeitsumfeld © Bild:Ansgar Noeth

Wasser ist Lebenselixier und Arbeitsmittel des Fotografen Sven Hoffmann. In der internationalen Kunstszene besetzt er damit eine exklusive Nische.

Matthias Schütt31.01.2016

Aqua globalis – die als Marke geschützten Worte umschreiben perfekt, was den Kunstfotografen Sven Hoffmann (RC Berlin-Gedächtniskirche)  seit über 20 Jahren umtreibt: Wasser und seine universale Bedeutung. Da war zunächst die Neugier des Künstlers, das nasse Element in allen Formen und Farben zu erforschen, zu beschreiben und durch das Kameraobjektiv ästhetisch zu bannen. Das hat ihn bekannt gemacht und zur festen Größe im internationalen Kunstbetrieb, und ist doch nur ein Teil des Wegs. Der zweite Schritt war die Einsicht, mit der Schönheit auch das Bewusstsein für seine Gefährdungen zu wecken. Und daraus ergeben sich folgerichtig soziale Projekte mit dem Ziel, Wasser zu schützen und den Zugang für alle Menschen offenzuhalten.

Bilder mit Sub-Botschaften

Sven Hoffmann ist ein Ideenschmuggler, einer, der seine individuelle künstlerische Begabung in eindringlichen Fotografien gestaltet – und dem Betrachter mit jedem Bild eine Sub-Botschaft mitgibt: Auch Du bist verantwortlich, dass dieser wunderbare Stoff erhalten bleibt. Ohne ihn gäbe es nicht nur dieses Bild, sondern auch Dich nicht …

Dass Wasser allzeit verfügbar ist, gehört zu den Illusionen, die sich allenfalls die Bewohner der reichen Nordhalbkugel noch leisten können. Tatsache ist, dass nicht erst in ferner Zukunft Wasserkriege drohen, sie scheinen unvermeidlich. „Nehmen Sie nur Jordanien“, erklärt Hoffmann, „das ist ein echtes Pulverfass: Es ist eines der trockensten Länder überhaupt, und das wenige Wasser versiegt immer schneller. Das wäre schon unter normalen Bedingungen fatal, jetzt aber strömen noch Hunderttausende Flüchtlinge ins Land. Das läuft auf eine Katastrophe hinaus.“

Das Geschäftsmodell der Firma Hoffmann, die unter dem Kürzel H2SF unter anderem ein Bildarchiv, einen Buchverlag und verschiedene Kunstprojekte betreibt, basiert auf Wasser – „das ist mein Alleinstellungsmerkmal – in dem heutigen Medienrauschen geht es nicht ohne, wenn Sie Erfolg haben wollen.“ Den hat der diplomierte Fotograf in einem Maße, „die mir alle Freiheiten lässt“. Und die nutzt er zum Beispiel für das Projekt „European Coastline“: Dazu fährt Hoffmann in Etappen die 66.000 Kilometer lange Küste Europas ab; jedes Jahr drei Monate nimmt er sich dafür Zeit. Zieht mit Wohnmobil und Workstation am Wasser entlang und lässt sich inspirieren: zum Beispiel von brechenden Wellen am Atlantik, die er in Hochgeschwindigkeitsaufnahmen festhält. Tausende bringt er zurück nach Haus und entwickelt daraus Ausstellungen und Bücher.

Wasser war schon als Kind sein bevorzugter Aufenthaltsort: als Schwimmer, Surfer, später gar als Apnoetaucher, der ohne irgendein Hilfsmittel in die Tiefe gleitet. Fast täglich schwimmt er seine Bahnen, das können schon mal 2000 Meter werden. Das sinnliche Erlebnis löst immer noch ästhetische, aber auch spirituelle Reize aus, denen der 51-Jährige unerschöpflich Ideen abgewinnt. Zum Beispiel den Schmuggelschatz „Collected Liquid Memories“ – Wasser aus versiegenden Quellen. Es wird in immer sieben Flaschen abgefüllt und als exklusive Edition vermarktet. Derzeit sind zwei Bücher über Sand in Vorbereitung. Dazu hat Hoffmann über die Jahre 500 Sandproben von den Stränden der Welt mitgebracht. „Liquid Hearts“ schließlich spürt der eigenartigen Ästhetik der Wasserlandschaften in Swimmingpools nach.

Auf den Spuren Humboldts

„Man muss viel reisen, um die Welt zu verstehen“, ist sein Credo. Hoffmann folgt in seinem Entdeckerdrang Alexander von Humboldt, allerdings mit einer immer stärkeren sozialen Komponente. Vor 15 Jahren, lange vor dem Kontakt zu Rotary, engagierte er sich für ein Waisenhaus in Kambodscha. Mit dem umweltpädagogischen Projekt Yaqu Pacha werden Kinder in Uruguay zu einem bewussten Umgang mit Energieressourcen und Müll erzogen. Und mit seinem RC Berlin-Gedächtniskirche, für den er kürzlich eine erste Rotary Art Auction organisierte (Rotary Magazin 10/15, S. 101), fördert er ein Schulbauprojekt in Gando/Burkina Faso. Das Dorf ist berühmt für seine neuartige Wüstenarchitektur, die der einheimische, inzwischen in Berlin lebende Architekt Francis Kéré entworfen hat. Der ist damit und mit dem Operndorf des Künstlers Christoph Schlingensief zum Star-Architekten geworden. Aus dem Auktionserlös wird eine nachhaltige Wasserbewirtschaftung in Gando finanziert.

Hoffmann ist ein Getriebener, aber einer, der im Gespräch einen sympathisch in sich ruhenden Eindruck hinterlässt. Das einzige Problem ist, „dass der Tag nur 24 Stunden hat“. Die muss er gut einteilen, um acht, neun Projekte gleichzeitig zu managen. Das gelingt mit einem guten Netzwerk und strikter Disziplin: „Sie ist das A & O.“


Sven Hoffmann, 1965 in Koblenz geboren, wuchs in Berlin auf. Ein Lehramtsstudium für Sport und Malerei gab er zugunsten der Fotografie auf und erhielt schon als junger Meisterschüler der Universität der Künste Berlin 1991 eine erste lobende Erwähnung des Internationalen Design Zentrums Berlin. Dem Studium folgten Stipendien der Karl-Hofer-Gesellschaft und des Landes Berlin. Von 1996 bis 2004 war er hauptamtlicher Dozent an der Universität der Künste in Berlin und leitete dort auch die Fotografie-Werkstatt. Seit 1997 präsentiert Hoffmann seine Werke in vielen Ausstellungen im In- und Ausland.

Matthias Schütt

Matthias Schütt ist selbständiger Journalist und Lektor. Von 1994 bis 2008 war er Mitglied der Redaktion des Rotary Magazins, die letzten sieben Jahre als verantwortlicher Redakteur. Seither ist er rotarischer Korrespondent des Rotary Magazins und seit 2006 außerdem Distriktberichterstatter für den Distrikt 1940.