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Die Leitformel der Reanimation lautet „Prüfen, rufen, drücken“. © Adobe Stock/ iftikhar alam/ microgen

Hört das Herz eines Menschen auf zu schlagen, hängt sein Überleben oft von Laien ab. Wie hierzulande 10.000 Menschenleben jährlich gerettet werden könnten.

01.05.2024

Der plötzliche Herz-Kreislauf-Stillstand ist eine der häufigsten Todesursachen weltweit, allein in Deutschland sind jährlich über 70.000 Menschen betroffen. Die Überlebensraten dieses medizinischen Notfalls hängen stark von schnellen und effektiven Maßnahmen ab. Da der plötzliche und unerwartete Herz-KreislaufStillstand überwiegend im häuslichen Umfeld auftritt, wo schnelle Hilfe entscheidend ist, unterstreicht dies die hohe Bedeutung der Wiederbelebung durch anwesende Personen, oftmals Laien.

Wird ein Zusammenbruch beobachtet, ist die sofortige Einleitung von Wiederbelebungsmaßnahmen durch Laien entscheidend für das Überleben der Betroffenen. Bereits nach drei bis fünf Minuten ohne Sauerstoffzufuhr werden lebenswichtige Strukturen im Gehirn irreparabel geschädigt. Die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes beträgt jedoch in Deutschland im Mittel neun Minuten, in ländlichen Gebieten oftmals länger. Die Laienreanimationsquote in Deutschland lag im Jahr 2022 bei etwa 51 Prozent und weist im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ein erhebliches Verbesserungspotenzial auf. Dabei ist die sofortige Einleitung von Wiederbelebungsmaßnahmen durch Laien die effektivste Methode, um die Überlebenschancen der Betroffenen zu verdreifachen. Es ist daher essenziell, dass mehr Menschen in diesen lebensrettenden Sofortmaßnahmen regelhaft geschult werden. Damit könnten hierzulande jedes Jahr mehr als 10.000 Menschenleben zusätzlich gerettet werden.

Die Leitformel der Reanimation lautet „Prüfen, rufen, drücken“. Prüfen: dazu die Person ansprechen, das Bewusstsein und eine normale Atmung (Schnappatmung ist keine normale Atmung) überprüfen. Rufen: einen Notruf (112) absetzen. Drücken: Neben die betroffene Person knien, eine Hand auf die Mitte des Brustkorbs legen, den Handballen der anderen Hand drüberlegen, Arme senkrecht halten. Fest und schnell bei Erwachsenen fünf bis sechs Zentimeter tief den Brustkorb abwechselnd eindrücken und entlasten, 100- bis 120-mal pro Minute. Nicht aufhören, bis weitere Hilfe eintrifft.

Verschiedene Strategien haben sich als effektiv erwiesen, um die Laienreanimationsquote zu steigern. Darunter insbesondere ein verpflichtender Schulunterricht in Wiederbelebung unter dem Namen „Kids Save Lives“ und Aktionstage sowie Aufklärungskampagnen wie etwa der World Restart a Heart Day (WRAH), um die breite Bevölkerung anzusprechen. Der Deutsche Rat für Wiederbelebung (German Resuscitation Council, GRC) und weitere Organisationen setzen sich seit Jahren dafür ein, die gesamte Reanimationsversorgung entlang der Rettungskette von Patientinnen und Patienten weiter zu optimieren.

Schulunterricht in Wiederbelebung

Deutschland verzeichnet im Vergleich zu vielen anderen europäischen Ländern eine niedrigere Laienreanimationsquote. Besonders auffällig ist dabei, dass Länder mit hohen Laienreanimationsquoten bereits im Schulkindalter mit jährlichen Wiederbelebungstrainings starten. Basierend auf Daten aus Dänemark, wo eine Steigerung der Laienreanimationsquote, unter anderem durch einen verpflichtenden Schulunterricht in Wiederbelebung, die Überlebensrate von Patientinnen und Patienten nach plötzlichem Herz-Kreislauf-Stillstand verdreifacht hat, könnte eine ähnliche Initiative in Deutschland jährlich mehr als 10.000 zusätzliche Menschenleben retten.

Die Kultusministerkonferenz (KMK) positionierte sich bereits 2014, unter anderem auf Initiative des GRC und der Deutschen Anästhesiologie, zur Einführung eines bundesweit verpflichtenden Wiederbelebungsunterrichts an allen Schulen in Deutschland. Dazu sollten spätestens ab der siebten Klasse jährlich zwei Stunden für die Ausbildung von Schülerinnen und Schülern investiert werden, etwa im Sport- oder Biologieunterricht sowie im Rahmen von Projekttagen. Das Training kann zum Beispiel durch geschulte Lehrkräfte oder medizinisches Personal erfolgen. Für das Training wird eine Kombination von Theorie und praktischer Anwendung empfohlen. Zusätzlich sollen die Schulkinder ermutigt werden, ihr erworbenes Wissen als Hausaufgabe an ihr Umfeld, wie Eltern, Geschwister und andere Verwandte, weiterzugeben und somit als Multiplikatoren zu dienen. Studien zeigen, dass ein Start des Wiederbelebungstrainings um das zwölfte Lebensjahr ideal ist, aber auch ein deutlich früherer Beginn möglich ist. So können auch schon vierjährige Kinder die ersten Schritte, wie Prüfen und Rufen, erlernen.

Im Jahr 2023 ist der Schulunterricht in Wiederbelebung, trotz der Empfehlung des Schulausschusses der KMK aus dem Jahr 2014, in den meisten Bundesländern noch nicht fester Bestandteil des Lehrplans. Lediglich in einem der 16 deutschen Bundesländer wurde der Wiederbelebungsunterricht in den Lehrplan integriert. Viele andere Länder weisen bisher, wenn überhaupt, ausschließlich Pilot- oder Modellprojekte auf.

Weltweite Aufklärungskampagnen

Europa- und weltweite Initiativen wie die von uns initiierten Kampagnen European Restart a Heart Day und World Restart a Heart Day haben das Ziel, die Allgemeinbevölkerung für das Thema des plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstands zu sensibilisieren und die Wichtigkeit der Laienreanimation hervorzuheben. Der European Restart a Heart Day wurde 2013 ins Leben gerufen und entwickelte sich zum globalen WRAH im Jahr 2018, der jährlich am und um den 16. Oktober stattfindet. Bereits in den Jahren 2018 und 2019 konnten weltweit Millionen von Menschen durch öffentliche Reanimationstrainings in Wiederbelebungsmaßnahmen geschult werden. Die Coronapandemie bedingte 2020 und 2021 eine verstärkte Nutzung digitaler Formate und eine Konzentration auf Social Media unter dem Hashtag #World Re startA Heart. Dazu wurden bei der Aktion #My Song CanSave Lives im Jahr 2020 nationale und internationale Künstlerinnen und Künstler dazu aufgerufen, ihre zum Takt der Wiederbelebung passenden Lieder in den sozialen Netzwerken zu teilen, und erlangten dabei besonders bei der jüngeren Bevölkerung große Aufmerksamkeit. Im Jahr 2021 rief die Aktion #CPRSaved My Life dazu auf, Geschichten von persönlichen Wiederbelebungserlebnissen zu teilen. Ziel war es zu verdeutlichen, dass jede Person, unabhängig von ihrem Alter, in eine Situation geraten kann, in der sofortige Hilfe benötigt wird. Die Kampagne erreichte 194 Länder und mehr als 200 Millionen Menschen.

Kampagne bei der EM

Im Rahmen der Fußball-Europameisterschaft 2024 ist eine Awareness-Kampagne durch die Uefa in Kooperation mit dem European Resuscitation Council (ERC) und dem GRC geplant. Die Initiative entstand unter anderem als Reaktion auf den plötzlichen Zusammenbruch von Christian Eriksen während der Fußball-EM 2021. Der dänische Nationalspieler wurde erfolgreich auf dem Spielfeld reanimiert, überlebte und spielt wieder im Profifußball. Die Uefa und die nationalen Wiederbelebungs-Councils haben sich daher zum Ziel gesetzt, im Rahmen der EM Millionen Fußballfans auf die Relevanz des plötzlichen HerzKreislauf-Stillstands und die Wiederbelebung aufmerksam zu machen. Dazu sollen durch vielfältige Aktionen alle Fußballteams, ihre Betreuer sowie Fans in Wiederbelebungstechniken geschult werden.

Lina Horriar, Nadine Rott und Bernd Böttiger 


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Lina Horriar © Privat


Lina Horriar
leitet die Geschäftsstelle beim Deutschen Rat für Wiederbelebung in Ulm

 

 

 




Dr. Bernd Böttiger
(RC Köln am Rhein) ist Professor für Anästhesiologie und Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin an der Universität zu Köln.

 

 

 


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Nadine Rott © Medizin Foto Köln

 

Nadine Rott arbeitet in der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin an der Uniklinik Köln.

 

 

 

 


Der GRC setzt sich als gemeinnütziger Verein mit Aufklärungskampagnen, Aktionstagen und politischen Initiativen maßgeblich dafür ein, die Laienreanimationsquote in Deutschland zu steigern und die Reanimationsversorgung entlang der gesamten Rettungskette zu verbessern.

Wer sich informieren oder engagieren möchte, wendet sich an Lina Horriar unter 0162/49 60 476 oder info@grc-org.de