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Ein anderer Weg in die Gegenwart
Ein anderer Weg in die Gegenwart
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bildete sich in Deutschland eine künstlerische Moderne heraus, die heute fast vergessen ist. Die folgenden Bilder laden Sie dazu ein, eine spannende Epoche (wieder) zu entdecken. Das Bild zeigt: Hans Thoma (1839 - 1924): In der Hängematte, 1876, Städel Museum Frankfurt
Anton von Werner (1843 - 1915): Die Proklamation des Deutschen Kaiserreiches, 1885 (1877), Friedrichsruh
Anton von Werner (1843 - 1915): Die Proklamation des Deutschen Kaiserreiches, 1885 (1877), Friedrichsruh

Ein Vertreter der Historienmalerei ist Anton von Werner. Bekannt aus jedem Geschichtsbuch zeigt dieses patriotische Bild die Ausrufung des Deutschen Kaiserreiches in Versailles am 18. Januar 1871. Anton von Werner erhielt den Auftrag das Ereignis durch repräsentative Gruppierung der Entscheidungsträger festzuhalten. Damit wurde er zur herausragenden Figur des Wilhelminismus. Heute ist nur noch eine spätere Fassung erhalten, in der die Personen zeitgenössisch gealtert dargestellt sind.

Carl Theodor von Piloty (1826 - 1886): Seni an der Leiche Wallensteins, 1855, Neue Pinakothek München
Carl Theodor von Piloty (1826 - 1886): Seni an der Leiche Wallensteins, 1855, Neue Pinakothek München

Der Historienmaler Carl Theodor von Piloty beeinflusste die akademische Malerei des 19. Jahrhunderts maßgeblich durch seine Professur an der Münchner Akademie. Sein berühmtestes Werk zeigt eine Szene aus Friedrich Schillers Wallenstein-Trilogie. Der Astrologe Giovanni Battista Seni blickt auf den bereits toten Feldherrn Wallenstein hinab. Um dessen Ermordung zu ermöglichen, soll er Bestechungsgeld angenommen haben.

Gebhard Fugel (1863–1939): Jerusalem-Panorama Kreuzigung Christi, 1903, Panorama-Stiftung Altötting
Gebhard Fugel (1863–1939): Jerusalem-Panorama Kreuzigung Christi, 1903, Panorama-Stiftung Altötting

Das spät entstandene Panorama in Altötting ist eines der wenigen erhaltenen Rundgemälde der neuartigen Gebäude, in denen durch illusionistische Effekte die Gleichzeitigkeit der Lebensrealität des Besuchers mit einem historischen Ereignis suggeriert wird. Heute kann das Panorama als Vorläufer des Kinos gewertet werden – ähnlich diesem zog der Zauber einer neuen Seherfahrung die Massen an.

Karl Wilhelm Diefenbach (1851 - 1913): Weiße Grotte, 1913
Karl Wilhelm Diefenbach (1851 - 1913): Weiße Grotte, 1913

Die Sozialutopien, die um 1900 entwickelt wurden, reichen bis weit in das 20. Jahrhundert. In Sandalen, weißen Gewändern und wallendem Haar ist der „Kohlrabi-Apostel“ Karl Wilhelm Diefenbach ein Prophet der Lebensreformbewegung. Auf dem Bild „Weiße Grotte“ tanzen gespenstische Elfen im Rausch der Wellen – sie sind Zeichen der lichtbeseelten Natur. Die bedingungslose Verehrung durch seinen Schüler Hugo „Fidus“ (der Treue) Höppener nährten die Legenden um den Künstler.

Victor Müller (1830 - 1871): Blumenmädchen, 1871, Städel Museum Frankfurt
Victor Müller (1830 - 1871): Blumenmädchen, 1871, Städel Museum Frankfurt
Victor Müller zeichnet ein gelöster Malstil aus, durch den er dem Realismus zuzuordnen ist. Diese Kunstrichtung des 19. Jahrhunderts wählt als Motive intime Landschaftsansichten und alltägliche Szenen – sie sollten ohne Überhöhung aus der Gegenwart entnommen sein. Hier differiert die Kunstauffassung Müllers, der im Jahr der Reichsgründung diese romantisch-erzählerische Darstellung des Modells Cella Barteneder, der späteren Frau von Hans Thoma, malte.
Karl Haider (1846 - 1912): Frühlingslandschaft bei Hausham, 1896, Neue Pinakothek München
Karl Haider (1846 - 1912): Frühlingslandschaft bei Hausham, 1896, Neue Pinakothek München
Früh schloss sich Karl Haider dem Leibl-Kreis an, einer Künstlergruppe um den Maler Wilhelm Leibl, die unter dem Einfluss des Realisten Gustave Courbets eine egalitäre Oberflächengestaltung anstrebte und sich aus der Kunststadt München ins Ländliche zurückgezogen hatte. Hans Thomas Einfluss ist in diesem Landschaftsbild erkennbar, wobei Haider die räumliche Tiefenwirkung noch stärker als dieser reduziert.
Louis Eysen (1843 - 1899): Die Muthspitze bei Meran, 1885, Städel Museum Frankfurt
Louis Eysen (1843 - 1899): Die Muthspitze bei Meran, 1885, Städel Museum Frankfurt
Auch Louis Eysen stand dem Leibl-Kreis nahe, gehörte aber ebenso der Kronenberger Malerkolonie an. In dieser Ansicht der Muthspitze geht er noch weiter als seine Kollegen, die heroische Landschaften der Romantik und akademische Malerei ablehnten: Nur noch abstrahierte Farbflächen werden gegeneinander gesetzt, um die Berge fern der menschlichen Zivilisation in seiner unmittelbaren Präsenz wiederzugeben
Heinrich Vogeler (1872 - 1942): Der Frühling, 1897, Haus im Schluh, Worpswede
Heinrich Vogeler (1872 - 1942): Der Frühling, 1897, Haus im Schluh, Worpswede

Der Künstler Heinrich Vogeler gehörte zu der ersten Generation der Künstlerkolonie Worpswede, dessen Barkenhoff er zum zentralen Gesamtkunstwerk machte. Seine symbolistischen Traumbilder einer enthobenen Metarealität sind durch die englische Gruppe der Präraffaeliten beeinflusst. Später wandte er sich dem Expressionismus zu.

Oskar Zwintscher (1887 - 1890): Gram, 1898, Städtische Galerie, Dresden
Oskar Zwintscher (1887 - 1890): Gram, 1898, Städtische Galerie, Dresden
Die ganze Welt lastet auf dem Trauernden. Der Maler Oskar Zwintscher malte seine frisch Angetraute Adele als Tote. „Gram“ ist der Ausdruck eines Seelenzustandes, den der vom Jugendstil beeinflusste Dresdener Künstler in seinem linearen Stil widergibt. In tiefer Ablehnung des Impressionismus entwickelte er die realistische, aber räumlich verzerrte Wiedergabe der Natur, die maßgeblich die in den 1920er Jahren aufkommende Malerei der Neuen Sachlichkeit beeinflusste.