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Smarte Autos, Züge in Schallgeschwindigkeit

Titelthema - Smarte Autos, Züge in Schallgeschwindigkeit
Das vollelektrische Stadtauto „Noah“ ist ein Projekt von Studenten der TU Eindhoven: Das Chassis, die Karosserieteile und der Innenraum bestehen aus vollständig recycelbaren Materialien © Bart van Overbeeke

Die Zukunft der Mobilität ist faszinierend – und sie hat längst begonnen

01.02.2019

Autos, die ohne Menschenhand fahren. Taxis, die durch die Lüfte fliegen. Züge, die in Schallgeschwindigkeit ans Ziel gelangen. Wer an die Zukunft der Mobilität denkt, stellt sich häufig solche futuristischen Transportmittel vor. Doch diese Szenarien liegen längst nicht mehr in einer fernen Zukunft. In Wirklichkeit gibt es all das schon heute. Fahrerlose Autos, Lufttaxis und Hochgeschwindigkeitszüge sind nur einige Beispiele, die zeigen: Die Zukunft der Mobilität hat längst begonnen.

Das Taxi kommt per App
Alexandria Sage steht am Straßenrand und blickt auf ihr Smartphone. Auf dem Bildschirm kann sie erkennen, dass das Auto, das sie bestellt hat, gleich um die Ecke biegen wird. Als es vorfährt, öffnen die Türen sich automatisch und sie steigt ein. Ein Computer begrüßt sie: „Guten Tag, Waymo-Fahrgast.“ Das Ziel ist bereits einprogrammiert, sie muss lediglich auf den Bildschirm tippen, um die Fahrt zu starten. Das Besondere an dieser Taxifahrt: Kein Fahrer lenkt das Auto, es fährt von selbst.

Alexandria Sage arbeitet als Reporterin für die Nachrichtenagentur Reuters. Als eine der ersten Fahrgäste überhaupt testet sie mit ihrer Fahrt durch Phoenix (Arizona) die Robotertaxis der Google-Tochterfirma „Waymo“. Waymo gilt weltweit als Marktführer für autonomes Fahren. Seit 2009 testet das Unternehmen selbstfahrende Autos. In sechs US-Bundesstaaten und 25 Städten sind die Fahrzeuge in den vergangenen neun Jahren über 10.000 autonome Meilen auf öffentlichen Straßen gefahren – mehr als jedes andere Unternehmen. Die Testfahrt im Robotertaxi „Waymo One“ markiert einen neuen Meilenstein für das Unternehmen: Waymo ist das erste Unternehmen der Welt, das mit den selbstfahrenden Autos Geld verdient.

Doch auch Technologiekonzerne wie Microsoft oder Lyft oder klassische Autohersteller wie BMW und Daimler forschen an fahrerlosen Autos. Das große Ziel ist es, dass die Fahrzeuge vollautonom fahren. Passagiere müssten dann nur noch einsteigen und könnten sich entspannt zurücklehnen. Das Auto könnte nämlich ganz von alleine fahren. Ganz so weit ist die Technologie aber noch nicht. Noch sitzen Sicherheitsfahrer hinterm Steuer, die die Fahrt kontrollieren und im Notfall eingreifen können. Dennoch: Ein fernes Zukunftsszenario ist das komplett selbstfahrende Auto auch nicht mehr.

In San Francisco fahren bereits autonome Shuttles und in Detroit wurde 2017 das erste autonome Shuttle in einer Großstadt im Straßenverkehr getestet. Auch in Deutschland gibt es autonome Fahrzeuge. In der bayerischen Gemeinde Bad Birnbach testet die DB-Tochter Ioki Deutschlands ersten selbstfahrenden Kleinbus auf einer öffentlichen Straße. Die Stadt Hamburg wiederum möchte ab Februar 2019 eine Flotte von autonomen Bussen auf einer Teststrecke starten, und auch Düsseldorf hat 2018 eine Teststrecke für automatisiertes Fahren eingeweiht.

Doch die autonome Technologie kommt nicht nur in Autos zum Einsatz. Bereits seit Jahren wird sie auf der Schiene, zum Beispiel in U-Bahnen und S-Bahnen, aber teilweise auch in Fernzügen eingesetzt. Erste autonome Boote gibt es ebenfalls und das Unternehmen Volocopter aus Bruchsal hat 2017 in Dubai seinen ersten Testflug mit einem autonomen Lufttaxi erfolgreich absolviert. Fahrzeuge, die sich selbst steuern können, gibt es also schon überall.

Wie ein Kontrollturm am Flughafen: Die Software des Schweizer Unternehmens Best Mile koordiniert verschiedene autonom fahrende Fahrzeugflotten über Algorithmen © illustration: ecosystem

Wachstum wie in den Pionierjahren
Die erstaunlich hohe Anzahl autonomer Fahrzeuge zeigt auch, wie schnell die Branche momentan wächst. Nach einer Studie der Unternehmensberatung Oliver Wyman entsteht jede Woche ein neues Mobilitätsunternehmen auf dieser Welt. Die meisten davon in den USA, China und Großbritannien. Bezeichnend ist ebenfalls, wie viel Geld in die Branche fließt. Von 2012 bis 2017 sind die globalen Investitionen in Mobilitäts-Start-ups exponentiell gestiegen. In Deutschland allein sind in den vergangenen Jahren über tausend Mobilitäts-Start-ups entstanden, die Investorengelder in Höhe von 316 Millionen US-Dollar einsammeln konnten. „Eine solch hohe Zahl hat es im Automobilsektor seit den Pionierjahren ab Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr gegeben“, sagt Andreas Nienhaus, Principal bei Oliver Wyman.

Angetrieben wird die Entwicklung vor allem von der wachsenden Urbanisierung. Immer mehr Menschen ziehen in Großstädte. Die UN geht davon aus, dass 68 Prozent der globalen Bevölkerung bis 2050 in urbanen Zentren wohnen wird. Damit streiten plötzlich Menschen und Autos um den knappen Platz in den dicht bevölkerten Städten. In Deutschland wurden zum Beispiel viele Großstädte um Autos herum gebaut. Das bedeutet: vielspurige Straßen, gesonderte Verkehrsführung, weite Parkflächen. Für Wohnungen, Spielplätze oder Gehwege bleibt damit verhältnismäßig wenig Raum. Das führt dazu, dass viele Städteplaner und Unternehmen Mobilität neu denken wollen, aber auch müssen und mit alternativen Transportkonzepten nach besseren Lösungen suchen.

Futuristische Fahrzeuge sind dabei nach Meinung vieler Experten aber nicht der Kern dieser Lösungen. „Autonome SUVs, Drohnen oder Ähnliches als Fortbewegungsmittel der Zukunft sind weder sinnvoll noch wünschenswert“, sagt zum Beispiel Oliver Lah, Leiter des Forschungsbereichs Mobilität und internationale Kooperationen am Wuppertal Institut. Er glaubt deshalb, dass die Zukunft der Mobilität nicht in fahrerlosen PKW oder Flugtaxis steckt, sondern in smarter Mobilität. Damit sind Transportformen gemeint, die – von künstlicher Intelligenz gesteuert – Menschen effizienter und damit ressourcenschonender von A nach B bringen können.

Smartes Flottenmanagement
Wie das konkret aussehen kann, zeigt das Schweizer Unternehmen Best Mile. Das Start-up ist weltweit Vorreiter bei der Entwicklung von Flottenmanagement-Software. Der Begriff klingt sperrig, doch dahinter verbirgt sich eine spannende Technologie: die reibungslose Koordination von fahrerlosen Fahrzeugflotten über Algorithmen. Das Ganze kann man sich wie einen Kontrollturm im Flughafen vorstellen. Auf der einen Seite stehen dabei mehrere Nutzer, die per Smartphone-Applikation ein Fahrzeug bestellen. Auf der anderen sind wiederum die autonomen Shuttles, die diese Nutzer auf Kommando abholen und ans Ziel bringen. Die von Best Mile entwickelte Software koordiniert im Zentrum den reibungslosen Ablauf. Welche Route ist die effizienteste, um alle Fahrgäste abzuholen und möglichst schnell ans Ziel zu bringen? Welches Fahrzeug sollte für welche Strecke losgeschickt werden? Für Menschen wäre eine solch präzise und schnelle Planung schlicht nicht machbar. Computeralgorithmen dagegen können in Sekunden die effizienteste Route kalkulieren und so Zeit, Geld und Ressourcen sparen.

Diese Art von smartem Flottenmanagement werden, wenn auch in kleinerem Maße, bei vielen On-Demand-Angeboten wie Ridesharing oder Ridepooling genutzt. Auch hier ordern mehrere Nutzer bei Bedarf (on-demand) ein Fahrzeug per App. Dieses sammelt wie ein Bus unterwegs weitere Fahrgäste ein, die ebenfalls ein Auto bestellt haben. Die beste, schnellste und effizienteste Route wird dabei ebenfalls von einem Computer berechnet. In Deutschland gibt es mehrere Projekte für derart smarte Mobilität in Großstädten. Die DB-Tochter Ioki etwa bietet einen On-Demand-Fahrdienst in Hamburg an, der an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden ist. Nutzer können dort mit ihrem ÖPNV-Ticket die Ioki-Shuttles bestellen und sich so beispielsweise vom Haus zur Bushaltestelle fahren lassen. Ab April 2019 möchte auch die VW-Tochter Moia mit einem ähnlichen Dienst in der Hansestadt beginnen.

Solch intelligente Transportangebote verändern aber nicht nur, wie wir uns fortbewegen, sondern zunehmend auch, wie wir Mobilität definieren. Denn wenn man sich bei Bedarf jederzeit per Smartphone ein passendes Fahrzeug vor die Haustür bestellen kann, braucht man dann überhaupt noch ein eigenes Auto? Wäre es nicht viel praktischer, sich nach dem Sharing-Modell Fahrzeuge mit anderen Nutzern zu teilen? Vor allem, wenn man bedenkt, dass Autos in Deutschland im Schnitt 23 Stunden pro Tag nicht genutzt werden. Statistiken zeigen: Wer gute Alternativen zum Auto hat, verzichtet freiwillig auf einen eigenen Wagen. In der Berliner Innenstadt besitzen beispielsweise 52,6 Prozent der Haushalte kein eigenes Auto mehr. Stattdessen nutzen die Bewohner öffentliche Verkehrsmittel, Carsharing oder Bikesharing. Das zeigt auch, dass Mobilität zunehmend nicht mehr lediglich an den Besitz eines eigenen Fahrzeugs gebunden ist, sondern an vorhandene Dienstleistungen.

Forscher sehen deshalb „Mobility as a Service“ (MaaS), also Mobilität als Dienstleistung, als eine der größten Entwicklungen in der smarten Mobilität. Adrian Zlocki, Dozent und Bereichsleiter Fahrerassistenz am Institut für Kraftfahrzeuge an der RWTH Aachen glaubt, dass schon in wenigen Jahren das eigene Auto in der Garage ein Relikt der Vergangenheit sein könnte: „Ich kann mir gut vorstellen, dass es künftig viele weitere Mobilitätskonzepte gibt und man selbst kein eigenes Fahrzeug mehr besitzen muss. Man geht nicht mehr zum Händler und kauft sein eigenes Auto. Stattdessen kauft man Mobilität und kann dann von A nach B durch unterschiedliche Konzepte transportiert werden.“ Ein solches Mobilitätsangebot könnte zum Beispiel in einem Monatspaket fünf Carsharing-Fahrten, einen Langstrecken-Mietwagen und beliebig viele Fahrten in Bus und Bahn beinhalten. Werden wir also künftig Mobilität per Abo kaufen wie ein Telefonpaket am Handy?

Autos aus Zucker
Angesichts des Klimawandels und häufig überschrittener Abgaswerte wünschen sich nicht nur Bewohner, sondern auch Kommunen und Politiker mehr emissionsfreie Verkehrsmittel. Elektromobilität könnte eine Lösung sein, da elektrisch angetriebene Fahrzeuge – anders als Fahrzeuge mit Diesel- oder Benzinmotoren – beim Fahren keine Emissionen aus. Dies könnte die Luftwerte in vielen Städten verbessern und die CO2-Ausstöße reduzieren. Allerdings ist Elektromobilität in Deutschland noch immer ein Nischenmarkt. Von über 46 Millionen zugelassenen PKW sind nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes gerade einmal 98.280 davon elektrisch angetrieben. Das ist ein Anteil von 0,2 Prozent.

Das liegt auch daran, dass Automobilhersteller erst seit wenigen Jahren vermehrt Elektrofahrzeuge anbieten. Bislang war die Technologie für viele Unternehmen weder rentabel noch interessant, und die kurzen Reichweiten der Fahrzeuge halten nach wie vor viele Verbraucher vom Kauf ab. Doch angetrieben von Elektroauto-Pionieren wie dem US-Unternehmen Tesla, Sorgen um die Luftqualität in Städten sowie von verschiedenen Skandalen um die Verbrennungsmotoren stellen auch immer mehr deutsche Autohersteller elektrisch betriebene Fahrzeuge her. Volkswagen hat sogar angekündigt, ab 2026 keine Modelle mit Verbrennungsmotor mehr zu entwickeln.

Elektromobilität an sich ist aber nicht unbedingt besser fürs Klima als ein Diesel. Das ist erst dann gegeben, wenn die Ressourcen, aus denen die Autos gebaut werden, nachhaltig sind und der erforderliche Strom aus regenerativen Energien stammt. Derzeit werden nämlich die meisten Elektroautos mit Akkus angetrieben, deren Materialien auch aus seltenen Erden bestehen sowie aus ethisch problematischen Quellen stammen. Der Strom dafür kommt wiederum zum Teil aus fossilen Energien. All das ist nicht sehr nachhaltig. In dieser Kombination müsste man ein Elektroauto viele Jahre fahren, damit die Klimabilanz besser ist als die eines Benziners oder Diesels.

Doch auch hier forschen vor allem Start-ups und Hochschulen an besseren Alternativen. Die Volabo GmbH, ein Startup aus Ottobrunn, hat zum Beispiel einen neuen Antrieb für Elektromotoren entwickelt. Dabei müssten keine seltenen Erden verwendet werden, man könnte bis zu 25 Prozent an Energie sparen und dadurch sogar höhere Reichweiten erzielen als bisher. Andere arbeiten daran, nicht nur den Antrieb, sondern auch die Autos selbst aus nachhaltigeren Materialien zu fertigen. So haben Studenten der TU Eindhoven mit „Noah“ ein kompostierbares Auto aus Zucker und Flachs gebaut.

Wenn Elektroautos aber wirklich klimaneutral sein sollen, muss auch der Strom dafür aus erneuerbaren Energien kommen. Auch hier gibt es erste Ansätze. Das Münchner Start-up Sono Motors hat etwa die Karosserie seines Elektroautos „Sion“ aus speziellen Solarzellen hergestellt. Damit kann das Auto sogar bei bewölktem Himmel Sonne tanken, im Akku des Fahrzeugs speichern und anschließend mit reiner Solarenergie fahren.

Züge mit Schallgeschwindigkeit?
Die großen Trends der Mobilität sind fast überall im Alltag bereits zu erkennen. Doch viele Experten glauben: Das ist erst der Anfang. Wenn die Entwicklung in diesem Tempo voranschreitet, könnten wir demnach schon bald in Transportmitteln unterwegs sein, die wir uns bisher noch gar nicht vorstellen können.

Einen ersten Blick auf das, was die Zukunft der Mobilität bereithalten könnte, bietet Hyperloop. Hyperloop ist ein Konzept für einen Zug, der mit bis zu 1.200 Kilometern pro Stunde beinahe mit Schallgeschwindigkeit durchs Vakuum fahren kann. Die Strecke München–Hamburg würde lediglich 40 Minuten dauern, die Fahrt mit dem Hyperloop wäre damit schneller als Fliegen. Auch diese Technologie klingt zunächst wie ein Fahrzeug aus einem Science-Fiction-Film. Dahinter steckt aber eine sehr konkrete Idee des US-Unternehmers Elon Musk. Musk, dem unter anderen der Elektroautokonzern Tesla sowie das Raumfahrtunternehmen Space X gehören, veröffentlichte 2013 erstmals Pläne zum Hyperloop, und er entwickelt gerade eine Teststrecke in Kalifornien. Doch seine Idee eines Zuges mit Schallgeschwindigkeit begeisterte Ingenieure auf der ganzen Welt.

Seitdem arbeiten verschiedene internationale Projektgruppen an der Umsetzung der Hyperloop-Idee. Eine davon ist Hyperloop Transportation Technologies (HTT). Das Unternehmen versteht sich als Crowdsourcing-Gemeinschaft. Sowohl das Forschungsteam als auch die Finanzierung basieren auf öffentlichen, freiwilligen Beiträgen von Anhängern der Idee. Damit konnte HTT bereits eine Passagierkapsel und eine Teststrecke in Toulouse bauen. Noch in diesem Jahr sollen die ersten Passagiere darin fahren, allerdings nicht bei Höchstgeschwindigkeit und vorerst nur auf einer kurzen Strecke von rund 300 Metern.

Die langfristige Vision von Hyperloop sieht jedoch so aus: Die Passagiere sitzen auf bequemen Sesseln, schauen sich auf Flachbildschirmen eine Folge ihrer Lieblingsserie an, während sie dabei bei Schallgeschwindigkeit in einer Röhre durch die Luft schweben.

Marinela Potor