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Interview

Wachstumskurve

Interview - Wachstumskurve
Mark Maloney will im Jahr 2019/20 sein Motto umsetzen: Rotary verbindet die Welt. © Monika Lozinska / Rotary International (2)

Präsident elect Mark Maloney skizziert den künftigen Kurs von Rotary.

01.03.2019

Mark Daniel Maloney kannte den Ablauf. Ein Jahr zuvor stand er dem Ausschuss vor, der Sam Owori zum Präsidenten von Rotary International für 2018/19 nominierte. Im Sommer 2017 reiste Mark Maloney nun selbst als einer von sechs Kandidaten zum RI-Zentralbüro, um sich um dieses Amt zu bewerben.

„Mein Vorstellungsgespräch war vormittags. Ich hatte also Zeit, bis der Ausschuss eine Entscheidung fällen würde“, erinnert er sich. „Es war ein wunderbarer Augusttag, und ich machte zunächst einen ausgedehnten Spaziergang.“

Mark Maloney nahm an, am späten Nachmittag vom Ausschuss zu hören, so wie das in den Jahren zuvor der Fall war. Der Abend zog herein, aber das Telefon blieb stumm. „In einer SMS an meine Frau Gay schrieb ich gerade: ‚Habe noch immer nichts gehört‘, als das Telefon klingelte. Am anderen Ende war Anne Matthews, Leiterin des Nominierungsausschusses, und sie bat mich zurück ins Zentralbüro.“

Eine unerwartete Wendung. In früheren Jahren wurden die Kandidaten mit einem Anruf informiert, ob sie den Zuschlag erhalten hatten. Daher hatte Mark Maloney Anzug und Krawatte bereits gegen eine Khakihose und ein Hemd mit Rotary-Logo ausgetauscht. Jetzt wurde er auf einmal zurück ins Zentralbüro bestellt.

„Das hatte ich nicht erwartet“, sagt  er. „Da ich niemanden warten lassen wollte, zog ich mir nicht mal ein Sportjackett an. Ich rief nur Gay schnell an und sagte ihr: ‚Ich glaube, die Entscheidung ist gefallen.‘“

„Im Vorstandszimmer im 18. Stock wartete der Nominierungsausschuss. Anne Matthews erhob sich und sagte: ,Meine Damen und Herren, darf ich vorstellen: Mark Maloney, unser Präsident nominee für  2019/2020.‘  Das war richtig aufregend.“

14 Monate später, an einem schönen Oktobermorgen, sitzt Mark Maloney in seinem Büro mit Blick auf den Lake Michi­gan und spricht mit dem Chefredakteur des Rotarian John Rezek und dessen leitendem Redakteur Geoffrey Johnson über die Ambitionen für seine Amtszeit.

Anwalt Maloney, der Partner in der von seinem Vater gegründeten Anwaltskanzlei in Decatur, Alabama, ist, spricht in überlegten, klar formulierten Sätzen über seine Hoffnungen für das weitere Wachstum von Rotary. (Sein warmer Bariton leistet übrigens auch gute Dienste, wenn er den Refrain des Rotary-Liedes schmettert: „R-O-T-A-R-Y / That spells Rotary.“) Wie jeder gute Jurist biegt Mark Maloney die Fragestellungen sofort auf Inhalte seiner Wahl ab.


Beginnen wir am Ende: Welches Vermächtnis wollen Sie als Präsident hinterlassen?

Lassen Sie uns nicht mit dem Ende beginnen. Ich werde Ihnen eine vorläufige Antwort geben und dann näher auf Ihre Frage eingehen.

Rotary ist ein bisschen wie die Vereinten Nationen. Die Vereinten Nationen sind ja eine internationale Organisation von Ländern; Rotary ist dagegen eine internationale Organisation von Menschen. Wir haben einen gewaltigen Einfluss in der Welt. Das wurde mir gerade erst wieder vor Augen geführt:  Meine Frau Gay und ich beteiligten uns zusammen mit Mitgliedern unserer Clubs – meinem Rotary Club Decatur und ihrem RC Decatur Daybreak – an einem Projekt zur Verteilung von Wasserfiltern auf der Insel St. Thomas (Jungferninseln, USA). Unser Partnerclub, der RC St. Thomas East, organisierte ein Dinner, bei dem ein Expertengremium über Fragen zur Wasserversorgung nach den Hurri­kans 2017 diskutierte. Am Ende des Meetings stand ein Rotarier auf und sagte: „Die Nachrichten im TV oder in den Zeitungen machen mich oft richtig mutlos. Auf einem Treffen wie diesem wird mir aber klar, dass die Welt eine wunderbare Zukunft hat.“ Rotarys Wirken hat die Haltung dieses Mannes zur Zukunft der Menschheit also total verändert.

Und kürzlich haben wir hier in Evanston 32 Personen und Paare in die Arch Klumph Society aufgenommen. Das sind Rotarie­rinnen und Rotarier, die erhebliche Summen für den Kampf gegen Polio, für die Erhaltung des Friedens, die Gesundheit von Mutter und Kind und andere Anliegen gespendet haben. Es gibt so viele aufwühlende Geschichten über die Leistungen von Rotary, dass diese Rotarierinnen und Rotarier sprichwörtlich ihren Worten Taten folgen ließen. Dieses Rotary möchte ich nach Kräften unterstützen.

Nach dieser Einführung zurück zu Ihrer Frage: Am Ende meiner Amtszeit möchte ich einen Wandel in der Kultur unserer Organisation eingeleitet haben, der es Rotary ermöglicht, all das weiterzuführen, was dem Rotarier auf St. Thomas Mut und Hoffnung gegeben hat und die neuen Mitglieder der Arch Klumph Society dazu gebracht hat, die Rotary Foundation mit großzügigen Schenkungen zu unterstützen.

Wie wollen Sie sicherstellen, dass dies auch geschieht?

Rotary muss wachsen. Wir brauchen mehr Hände für den Dienst und mehr Köpfe für neue Ideen. Wir brauchen mehr Partnerschaften und mehr Kontakte.
Für meine Präsidentschaft setze ich vier Prioritäten, und die erste ist das Wachstum von Rotary.

Wie soll das erreicht werden?

Zunächst einmal werden wir unsere Anstrengungen verdoppeln, um den Clubs zu helfen, neue Mitglieder zu gewinnen und die jetzigen Mitglieder stärker zu ­engagieren, damit sie bei Rotary bleiben und anderen besser und innovativer helfen. Das bedeutet, dass Clubs flexibler als bisher sein müssen.

Ein weiterer Aspekt ist die Gründung neuer Clubs. Traditionell haben wir sie dort gegründet, wo es noch keinen Club gab. Wir müssen unseren Fokus aber auch dorthin richten, wo Rotary bereits Erfolge feiert. Oft ist dort nur ein ganz bestimmter Teil der Bevölkerung in Clubs vertreten. Wir brauchen aber auch neue Clubs mit alternativen Erfahrungen und Meetingformaten, die für verschiedene  Alters- und Geschlechtergruppen oder andere Ethnien interessant sind.

Und Ihre anderen Prioritäten?

Maloneys Fokus: Wachstum von Rotary, familienfreundliche Strukturen, Zusammenarbeit mit der UNO

Meine zweite und dritte Priorität unterstützen meine erste. Wir müssen Clubtreffen, Serviceprojekte und gesellschaftliche Veranstaltungen familienfreundlicher machen. Wir müssen Möglichkeiten schaffen, damit das Familienleben der  jüngeren Mitglieder berücksichtigt wird.

Und meine dritte Priorität ist der Wandel unserer Kultur, unserer Einstellungen und unserer Geschäftstätigkeit. Es soll deutlich werden, dass man sich aktiv in Rotary engagieren und sogar Führungspositionen übernehmen kann und trotzdem weiterhin aktiv in seinem Geschäft oder Beruf tätig ist. Wenn Rotary für jüngere Menschen attraktiv sein soll, müssen wir diesen auch Führungspositionen in Rotary übertragen.

Was ist Nummer 4?

Im Juni 2020 begehen die Vereinten Nationen den 75. Jahrestag der Unterzeichnung ihrer Charta. Und unsere Verbindung mit der UNO geht sogar noch weiter zurück. Deshalb möchte ich den Fokus auf unsere Beziehungen zu den Vereinten Nationen legen. Der Rotary-UN-Tag kehrt daher in die UN-Zentrale in New York zurück. Weiterhin möchten wir drei Präsidentenkonferenzen zu Rotarys Zusammenarbeit mit UN-Organisationen durchführen und unser enges Verhältnis auf einer Festveranstaltung vor der Convention in Honolulu zelebrieren.

Am Ende wird unser Erfolg nicht am 30. Juni 2020 gemessen werden, sondern 2025 oder 2030. Dann können andere entscheiden, ob das, was wir in Gang gesetzt haben, Wirkung entfaltet hat.

Wann wird Rotary die erste Präsidentin haben?

Ich denke, in den nächsten Jahren wird es so weit sein. Die Struktur von Rotary sieht vor, dass nur Governor werden kann, wer zuvor als Clubpräsident gedient hat. Zentralvorstandsmitglied kann nur werden, wer zuvor Governor war. Und für das Amt des RI-Präsidenten kommt nur jemand aus dem Zentralvorstand infrage. Immer mehr Frauen sind in den letzten Jahren in der Führungsstruktur aufgestiegen. Das macht es sehr wahrscheinlich, dass in den kommenden Jahren auch eine Frau als Präsidentin nominiert wird.

Ich bin auf jeden Fall dafür, die Geschlechtervielfalt bei Rotary zu fördern. Ich habe eine Rotarierin zur Leiterin des Convention-Ausschusses bestimmt und eine weitere in das Kuratorium der Rotary Foundation berufen. Nächstes Jahr werden zwei Frauen im Zentralvorstand sitzen, im Jahr darauf werden es fünf sein.

Erzählen Sie uns bitte mehr über Ihr Motto: Rotary verbindet die Welt.

Bei Rotary dreht sich alles um Verbindungen. Wer in einen Club eintritt, stellt Verbindungen zu Vertretern der örtlichen Wirtschaft her. Rotary verbindet zudem Mitglieder und Clubs für Serviceaktivitäten.

Der Sinn der Rotary Foundation besteht darin, Clubs aus aller Welt zu verbinden. In der Regel befindet sich ein Partner in einem Industrieland und der andere in einem Entwicklungsland, in dem ein humanitäres Serviceprojekt durchgeführt werden soll. Aber auch weniger offiziell verbindet Rotary die Menschen. Die Conventions und internationale RI-Meetings  sind wunderbare Events. Jedes Jahr trifft man dort ganz unterschiedliche Menschen und baut Freundschaften auf. So wie der Slogan: „Rotary, das ursprüngliche soziale Netzwerk.“

Sind Rotarys Bemühungen um den Frieden ein sinnvolles Anliegen oder vergebliche Mühe, die nur frustriert?

Das ist ganz sicher ein sinnvolles Anliegen. Wir haben die Chance, einen wichtigen Beitrag für eine friedlichere Welt zu leisten. Können wir eine Pax Romana wie zur Zeit von Jesu Geburt errichten? Nein. Aber wir sind in der Lage, einen Beitrag zum Frieden zu leisten. Mit unseren Peace Fellows können wir Friedensförderer in die Welt schicken, die unsere Version der Pax Romana zu verwirklichen suchen.

Warum sind Sie mit 25 Jahren Rotarier geworden?

Ich bin zu Rotary gegangen, weil es sich damals so gehörte. Ich war ein junger Anwalt und der Eintritt in einen örtlichen Club schien für Berufseinsteiger die Norm zu sein.

Warum aber Rotary?

Weil mein Schwiegervater bereits bei den Kiwanis war. Also war die Anwaltskanzlei dort vertreten, in Rotary dagegen noch nicht. Wie sich herausstellte, war das eine hervorragende Entscheidung.

Warum? Und was hat Sie in all den Jahren bei Rotary gehalten?

Erstens die Verbindungen – die Freunde im örtlichen Club, die Freunde im Distrikt und die Freunde in anderen Ländern.

Zweitens habe ich mich von Anfang an bei Rotary engagiert – wie schon früher in der Kinder- und Jugendorganisation 4-H oder als Beauftragter für den National Beta Club in meinem Bundesstaat. Ich war Präsident der Jugendorganisation für die römisch-katholische ­Diözese Belleville in Illinois, und in der Harvard University habe ich das Football-Team gemanagt. Ich war Organisator und stieg in diesen Organisationen auf.

Deshalb engagierte ich mich auch ­sofort in meinem Rotary Club. Im Dezember 1980 trat ich in den Club ein. Ein Jahr später wählte man mich in den Programmausschuss, das Jahr darauf leitete ich ihn. Nach etwa drei Jahren
war ich im Vorstand. Ein Leben ohne Rotary kann ich mir inzwischen jedenfalls nicht vorstellen.


Aus: The Rotarian 3/2019