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Internationale Automobil Ausstellung

Suche nach neuen Techniken und alternativen Märkten

In diesen Tagen ist das Frankfurter Messegelände das Zentrum der automobilen Welt. Die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) öffnet zum 65. Male ihre Tore. Neben der Präsentation neuester Produkte geht es um den aktuellen Stand von Forschung und Entwicklung. Auch die Beiträge des Printschwerpunktes widmen sich diesen Themen. Allen voran steht die Frage, wohin sich das Automobil im Zeitalter der Informationsgesellschaft bewegt. Axel F. Busse beschreibt die Situation der deutschen Automobilindustrie vor der Internationalen Automobil Ausstellung.

Axel F. Busse12.09.2013

Die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt ist schon unter besseren Vorzeichen gestartet als in diesem Jahr. Zum Beispiel 2009, als die sogenannte „Abwrackprämie“ in Deutschland und vergleichbare Fördermaßnahmen in mehreren europäischen Ländern den Herstellern ein unerwartetes Nachfragehoch bescherte. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres hingegen lag der Pkw-Absatz in Europa rund 6,6 Prozent unter dem Niveau des Vorjahres. Eingeklemmt zwischen den Zwängen von Verbrauchsreduktion und Auslastung der Produktionskapazitäten suchen die Hersteller nach Ideen, die neue Kunden faszinieren – und elektrisieren.

Obwohl zahlreiche Anbieter inzwischen Elektro-Autos im Angebot haben, kommt der Verkauf in diesem Segment nicht recht in Gang. Der Hauptgrund: Der Energievorrat an Bord reicht nicht für Entfernungen, wie sie ein herkömmliches Auto bietet. Die Furcht, mit leerer Batterie weit weg von einer Ladestation stehen zu bleiben, lässt viele potenzielle Käufer im Stand-By-Modus verharren. Sogenannte Hybrid- Fahrzeuge, die außer dem Elektromotor noch ein Benzin- oder Dieselaggregat zur Reichweitenverlängerung („Range-Extender“) dabei haben, sind aber deutlich kostspieliger als konventionelle Pkw.

DREIGETEILTE AUTO-WELT

In Europa gilt Deutschland als Autoland Nr. 1 und das nicht nur wegen seiner Autobahnen ohne generelles Tempolimit. Jeder siebte Arbeitsplatz hängt direkt oder indirekt mit der Autoindustrie zusammen, im Bundesland Baden-Württemberg ist es sogar jeder dritte. In der globalen Perspektive zeigt die Welt eine Dreiteilung. Sowohl bei der Produktion, als auch beim Verkauf heißen die Schwerpunkte Europa, Nordamerika und Ostasien. Dank der beiden Letztgenannten verdienen die deutschen Firmen noch immer gut. Doch es ist mehr als fraglich, ob dies auf Dauer so bleibt. Allein in diesem Jahr werden in China wahrscheinlich 20 Millionen Fahrzeuge produziert.

Zwar läuft deren Absatz im Moment noch hauptsächlich über den Preis und weniger über die Ausstattung. Doch selbst wenn diese Fahrzeuge eines Tages europäische Qualitäts- und Sicherheitsstandards haben, werden sie voraussichtlich immer noch billiger sein, als die in Europa hergestellten Wagen. Die zweite Absatzbremse für die Etablierten ist selbstgemacht: Ein haltbares Produkt ist schädlich für den Verkauf von Nachfolgemodellen. Das Institut für Automobilwirtschaft hat die Haltdauer von Neuwagen und ihre Jahreskilometerleistung untersucht. Ergebnis: Von einst 15.000 Kilometer Durchschnitts- Laufleistung pro Jahr sind es aktuell nur noch rund 11.000. Gleichzeitig fahren Privatkunden ihre Autos heute deutlich länger als früher, das Durchschnittsalter der zugelassenen Pkw liegt in Deutschland schon bei 8,7 Jahren. Hinzu kommt, dass auch die Zahl der Fahranfänger seit einiger Zeit rückläufig ist. Es scheint, als habe der Führerscheinerwerb und der Besitz eines eigenen Autos für jüngere Menschen an Attraktivität verloren. Als eine Ursache dafür gilt u.a. das Aufkommen neuer Statussymbole wie die neuesten Smartphones.

Wissenschaftliche Belege dafür sind bisher rar. Aus einer Studie des Portals „autoscout24. de“ geht jedenfalls hervor, dass die Bedeutung eines eigenen Autos als Statussymbol auch für jüngere Generationen nicht zu vernachlässigen ist. Dabei gaben länderübergreifend 43 Prozent der 18- bis 29-Jährigen an, weiterhin über das Auto ihren Lebensstil zum Ausdruck bringen zu wollen. Auch eine andere Zahl spricht gegen den Bedeutungsverlust des Autos bei jungen Menschen: Die Marken Audi, BMW und Mercedes haben bei Facebook zusammen rund 43 Millionen Fans.

Damit die gegenwärtige Konzentration der deutschen Hersteller auf China nicht in eine neue Abhängigkeit führt, rät der Autoexperte Willi Diez, Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen, dazu, Indien und eine Reihe weiterer Länder mit Einwohnerzahlen im dreistelligen Millionenbereich nicht zu vergessen. Der Kontinent insgesamt gilt ihm als zuverlässiger Wachstumsmarkt: „Die Zukunft der Automobil-Industrie liegt in Asien“. Dort werden die vertrauten Herstellungs- und Vertriebskonzepte wohl noch eine Weile funktionieren.

TEUER GEHT IMMER

Wer die Absatzkrise in Europa beklagt, hat dabei eine regionale und eine wirtschaftliche Differenzierung bereits akzeptiert. Vor allem im westlichen und südlichen Teil des Kontinents lahmt der Pkw- Verkauf. Estland dagegen erreichte 15,2 Prozent Zuwachs, selbst Großbritannien schaffte zehn Prozent. Das zweite Phänomen ist, dass nur die Marken und Modelle leiden, die für Normalverdiener erschwinglich sind. Für die von Politikern so gern zitierte Öffnung der „Schere zwischen arm und reich“ ist der Automarkt offenbar ein verlässlicher Indikator. Marken wie Bentley oder Ferrari, Rolls Royce oder Lamborghini vermelden im Vierteljahres- Rhythmus neue Rekordergebnisse. Porsche, zwar nicht ganz so kostspielig wie die Letztgenannten, aber zweifellos dem Luxussegment zuzurechnen, verkauft zurzeit ebenfalls so viele Autos wie nie zuvor. Mantra-artig wiederholte Bekenntnissen zu Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit sind eine Seite der IAA-Medaille, die Präsenz von 500-PS-Boliden die andere. Den weitaus größten Teil des aktuellen Fahrzeugbestandes treibt ein herkömmlicher Verbrennungsmotor an. In Deutschland erreicht nur ein Fünftel die aktuelle Schadstoffnorm für Neuzulassungen „Euro-5“. Dass der Markt noch sehr fokussiert auf konventionelle Antriebskonzepte ist, biete auch Chancen, meint Willi Diez. Die Technik von Benzin- und Dieselmotoren sei noch längst nicht ausgereizt, Verbrauchsreduktionen um die 40 Prozent sind nach Meinung des Experten noch möglich. Anerkennend äußert sich Willi Diez auch zur Pionierarbeit von Toyota zur Etablierung der Hybridtechnik. Jedoch dürfe man nicht übersehen, dass die Vorteile einer Kombination von Elektro- und Verbrennungsmotor nicht in allen Fahrzeugklassen gleich groß sind. Das liegt daran, dass Batterie, Steuerungs- und Regeltechnik relativ teuer sind: Bei einem Kleinwagen, der im günstigen Fall vielleicht vier Liter je 100 Kilometer verbraucht, ist der erziel-bare Verbrauchsvorteil nicht groß genug, um den Kunden vom höheren Anschaffungspreis zu überzeugen. Anders bei großen Limousinen und SUV. Porsche hat jüngst einen Panamera Plug-In-Hybrid vorgestellt, dessen Batterie auch an der heimischen Steckdose nachgeladen werden kann. Auf der IAA stellt Mercedes eine S-Klasse mit dieser Technik vor. Nach EU-Norm verbrauchen diese Autos zwar unter vier Litern je 100 Kilometer, ihr Preis ist jedoch sechsstellig.

ALTERNATIVEN AUS DEM AUSLAND

Dass die deutsche Autoindustrie in der Hybrid- Technologie anfangs eher verhalten agiert hat, führte dazu, dass im Mutterland des Automobils ein japanischer Konzern Marktführer in diesem Segment ist. So konnten die Marken Toyota und Lexus im vergangenen Jahr nahezu 15.000 Neuzulassungen bei Hybridfahrzeugen vermelden, während Audi, BMW, Mercedes, Porsche und Volkswagen zusammen nur auf 2560 kamen. Unverdrossen hält die deutsche Bundesregierung an dem Ziel fest, in sieben Jahren eine Million Elektroautos auf den Straßen zu haben.

Ob dies zu schaffen ist, bleibt angesichts der bisherigen Fortschritte zweifelhaft. Bewegung in den Markt könnte durch ein Auto kommen, das derzeit in den USA für Furore sorgt. Es trägt den Namen eines Mitte des 19. Jahrhunderts in Kroatien geborenen Physikers und Erfinders: Tesla. Von dem rein elektrisch betriebenen Modell S des kalifornischen Unternehmens wurden in den USA im ersten Halbjahr 2013 mehr Exemplare verkauft als von BMWs 7er Reihe und Audis A8 zusammen. 500 Kilometer Reichweite verspricht der Hersteller – und verlangt obendrein einen Preis, der deutlich unter dem der deutschen Luxusliner liegt.

Stillstand scheint auf dem Sektor des Brennstoffzellen- Antriebs zu herrschen. Es gibt marktreife Fahrzeuge, jedoch keine Infrastruktur. Der für den Betrieb der Zelle nötige Wasserstoff ist zwar in nahezu unbegrenzter Menge herstellbar, Transport und Lagerungen sind aber technisch aufwändig und daher teuer. Mobilitäts-Forscher Diez plädiert deshalb für neue Allianzen, um der Brennstoffzelle zum Durchbruch zu verhelfen. Eine Zusammenarbeit zwischen Autoherstellern und Energiewirtschaft sei „massiv gefordert“. » Eingeklemmt zwischen den Zwängen von Verbrauchsreduktion und Auslastung der Produktionskapazitäten suchen die Hersteller nach Ideen, die neue Kunden faszinieren – und elektrisieren « Der große Durchbruch, der niedrige Kosten, hohe Reichweite, Umweltverträglichkeit und beständige Nachfrage verspricht, ist also noch in weiter Ferne. Aber die IAA zeigt, wo die Potenziale der Zukunft liegen.