Kolumne Peter

Besser als ihr Ruf ...

by Peter Peter |
| Reading-time: 3 Minutes

... ist die britische Küche. Natürlich gibt es immer noch fetttriefende Klassiker, aber gerade in urbanen Zentren hat sich eine moderne Food-Szene herausgebildet.

 

 

 

Himmlisch, wenn Briten Polizisten, Italiener Lover und Franzosen Köche sind, höllisch wenn Briten Köche sind – dieser abgedroschene Witz wird einem gern abwinkend unter die Nase gerieben, wenn es um englische Küche geht.

Aber stimmt das Vorurteil noch mit der Realität überein? Wer nach liebloser Gastronomie fahndet, wird auf den britischen Inseln immer noch fündig. Greasy spoons getaufte Coffeeshops, in denen grauer Erbsbrei mit Billigessig aus der Plastikflasche gewürzt wird, die legendären Sägespäne-Sausages, frittierte Marsriegel. Und waren da nicht die housewives, die heftig demonstrierten, als Jamie Oliver eine Schulspeisung ohne Junk Food einführen wollte? Die britische Kochkunst, von Familie Mozart auf ihren Konzertreisen noch als die beste Europas gepriesen, stürzte mit der Industrialisierung in eine nachhaltige Krise. Der Kochberuf war nichts mehr für Briten – wer besser essen wollte, ging zum Franzosen wie der Krimi-Gourmet Hercule Poirot.

 

 

 

 

 

 

 

Eine feine englische Küche ohne die Mulligatawny-Muffigkeit von Dinner for One? Das wagte erst Lady Di’s langmähniger Lieblingskoch Marco Pierre White, der bezeichnenderweise beim besten Franzosen Londons gelernt hatte. Ab den frühen 1990ern wandelt sich London zu einer Metropole für Foodies, ein britischer Neologismus für eine urbane Klasse, für die bewusstes Essen zum Lebensstil gehört. Harrods Foodhall und die ehrwürdigen Delikatessenregale von Fortnum & Mason bekommen Konkurrenz durch Marktstände, die selbstgeköcheltes Chutney oder Stilton, Shropshire blue und Rohmilchkäse aus Wales anbieten.

 

 

 

„Squeeze the tomatoes with your fingers – Kochen ist einfach. Nicht weil Du eine Tütensuppe im Supermarkt kaufst, sondern weil Du einfach beherzt drauf losschnippelst.“ Mit seinem hemdsärmeligen Auftreten und seinen Einkaufstouren per Motorrad hat Jamie Oliver das Berufsbild Koch geändert und eine ganze Generation zum kreativen Abenteuer Selbstkochen ermuntert. From nose to tail, aus Schweinefüßen und Wildentenflügeln etwas machen. Diese Philosophie des bewussten Fleischkonsums wurde erstmals von Fergus Henderson in seinem Innereientempel St. John am Smithfield Market propagiert.

 

 

 

 

 

 

 

Und dass Yotam Ottolenghi mit seinen zum sharing einladenden orientalisch-israelischen Gemüsevorspeisen in der durch koloniale Weltoffenheit geprägten Londoner Food-Szene weltberühmt geworden ist, wundert nicht. Schließlich sind auch die Begriffe vegetarian (1847) und vegan (1944) englische Wortschöpfungen.

Ein Sunday roast im Pub mit Yorkshire pudding, eine Gartenparty mit Pimm’s, Gurkensandwiches und Coronation Chicken, ein High Tea oder frisch herausgebackene Fish & Chips, stilecht in Zeitungspapier eingewickelt, können kulinarische Sehnsüchte evozieren. Die vielgeschmähte Minzsauce zum Lamm fasziniert mich als Geschmackserlebnis aus dem Mittelalter, als Saucen noch nicht nach französischer Manier aus Bouillon gezogen wurden. Und britische Süßspeisen wie knatsch-bunter mit Sherry getränkter Trifle, Eton Mess oder Rhubarb Pie haben Suchtpotenzial.

 

 

 

Wer all diese Köstlichkeiten probieren oder sich gar an mit Malt verrührtes schottisches Haggis wagen will, muss über den Kanal reisen. Britische Restaurants waren hierzulande schon vor dem Brexit dünn gesät, britische Lebensmittel rar. Außer Whisky, Gin und Orangenmarmelade fallen mir spontan nur zwei Must-haves ein: Shortbread-Kekse (für Fans von The Crown die Marke Duchy Organic mit dem eingebackenen Wappen des Herzogtums Cornwall) und die scharfe Geheimwaffe Colman’s Mustard Powder.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Peter Peter

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