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„Digital“ – Visionen gestern und heute

by Martin Hoffmeister |
| Reading-time: 3 Minutes

Exzellente Hörspielbox mit Stanislaw-Lem-Romanen – Webseite mit kurzweiliger Poesie

Die Möglichkeiten digitaler Welten definieren den Begriff „uferlos“ neu. Unter der Überschrift „Chancen“ simulieren sie eine Grenzenlosigkeit, die in technischer, psychologischer und philosophischer Sicht kaum noch einherzugehen vermag mit den mentalen Limitierungen des Einzelnen. So generieren digitale Allmachtsfantasien neben einigen tatsächlichen Vorteilen in den Arbeits- und Freizeitwelten auch unkontrollierbare Suchtpotenziale und eine gesellschaftliche Hybris, in deren Folge Verwerfungen programmiert sind. Als Korrektiv taugt der Blick auf technische Errungenschaften und Visionen aus vordigitalen Zeiten.

Der polnische Romancier, Science-Fiction-Autor, Philosoph und Futurologe Stanislaw Lem (1921–2006) avancierte mit seinem vielgesichtigen utopischen Werk zum führenden Skeptiker und Visionär der europäischen Literaturszene. Wechselnd zwischen ironisch-heiteren, absurd-aufgedrehten, zynisch-abgedunkelten und satirischen Tableaus, entwarf Lem Szenarien, deren prophetische Lauterkeit bis heute überwältigt. Nicht zuletzt, da sie dem Autor recht gaben. Denn was noch vor Jahrzehnten eher skurril anmutete, bestimmt heute die Diskurse, seien es Themen wie künstliche Intelligenz, Roboter, die Erforschung des Weltraums, Gentechnik oder: Internet. Die vorliegende 8-CD-Box versammelt acht Hörspielfassungen von Lem-Romanen, produziert zwischen 1973 und 2018. Dramaturgisch aufwendig in Szene gesetzt und technisch skrupulös realisiert, wissen die Hörpreziosen überdies durch die sprecherische Exzellenz von Schauspielern wie Gert Westpahl, Hans Peter Hallwachs, Felix von Manteuffel, Leslie Malton oder Maria Simon einzunehmen.

H.o.Me., „Heim für obsolete Medien“ ist eine überzeugend kuratierte Ausstellung im schweizerischen Kunsthaus Langenthal überschrieben. Im Fokus stehen ausgediente Medien wie Röhrenradios, Funkgeräte, Tonbandmaschinen, Fernseher, Fotoapparate, Schallplattenspieler, Diaprojektoren, Musikkassetten, Kameras oder Computer aus den 50er bis 80er Jahren, die in Kellern oder auf Dachböden überlebten. Galten diese Medien ihren Besitzern damals als identitätsstiftende technische Monumente, die die kulturelle Sozialisation befeuerten, verstaubten sie während der Digitalisierungshypes seit Beginn der 80er Jahre in Hinterzimmern oder wurden entsorgt. In Zeiten aufkommender Digitalmüdigkeit reflektieren Ausstellung und Katalog entlang von Essays Bedeutung und kulturhistorischen Kontext der Exponate.

Diplomaten haben es in diesen Tagen nicht eben leicht. Insbesondere, wenn sie mit den deutsch-russischen Beziehungen befasst sind. Doch nicht jede mediale Invektive, nicht jedes aufgeladene Bonmot oder offene Aggression, die den offiziellen bilateralen Austausch bisweilen bestimmen, spiegeln die Verhältnisse zwischen den Ländern und Gesellschaften authentisch wieder. Eine „andere“ Seite der Geschichte(n) und des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Status quo in den Blick zu nehmen, intendiert karenina.de, das Online-Portal des Petersburger Dialogs. Prominente Autoren zeichnen Wirklichkeit und Engagement der Zivilgesellschaften nach, regen Dialoge an und diskutieren aktuelle Themen wie Nord Stream, Sanktionen oder die Lage in Belarus, ebenso wie sie den Geheimnissen der russischen Salzgurke, der Strahlkraft des Moskauer Luxuskaufhauses GUM oder dem Thema „Beethoven und Russland“ nachspüren. Ein unverzichtbares Korrektiv!

Der Unterschied zwischen Voyeurismus und Poesie? Nicht anderen ins Fenster schauen, sondern mit anderen aus dem Fenster von anderen blicken. Die Webseitewindow-swap.com ermöglicht genau das auf abwechslungsreiche, kurzweilige Weise, indem sie Interessierten einräumt, Miniaturfilme eigener Fensteraussichten hochzuladen. Die tausendfachen Ergebnisse im Endlos-Stream zu betrachten, zeitigt willkommene Kontemplation. Ob Meerblick in Kalifornien, Katze auf Fensterbrett vor Trauerweide in Hamburg oder kolossales Bergpanorama in Graubünden: Momente sinnfreien Verweilens, die nachhallen.


  1. Stanislaw Lem, Die große Hörspiel-Box, acht Hörspiele mit Gert Westphal, Felix von Manteuffel, Maria Simon u. a., Der Audio Verlag, 30 Euro, Hörspiel
  2. Raffael Dörig, Flo Kaufmann (Hg.), H.o.Me. – Heim für obsolete Medien, Christoph Merian Verlag, 29 Euro, Ausstellung bis 20.6.2021, Kunsthaus Langenthal
  3. Karenina, Petersburger Dialog online, karenina.de
  4. window-swap.com
Martin Hoffmeister

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