Editorial

Gott ist ausgezogen

by Björn Lange |
| Reading-time: 3 Minutes

Gedanken zur Umwidmung von Kirchen

Allein die nackten Zahlen verdeutlichen die gesamtgesellschaftliche Dimension dieses Themas, das in Deutschland längst da ist, aber erst allmählich ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rückt: Aufgrund des Mitgliederschwunds werden von den rund 44.000 christlichen Kirchen im Land über kurz oder lang nicht einmal mehr die Hälfte für liturgische Zwecke gebraucht. Der größere Teil der oft denkmalgeschützten Gebäude wird geschlossen, verkauft und profaniert. Einige verfallen, andere werden abgerissen, und wieder andere werden umgewidmet – und bestehen weiter als Cafés, Galerien, Discos oder Kletterkirchen. Auch in Spanien, Italien und Frankreich werden Kirchen schon seit Jahren neuen Verwendungen zugeführt, aber nirgends wird die Debatte über die Nachnutzung und den Zweck der Kirchen so emotional geführt wie hierzulande.
So hat eine Gruppe von Architekten und Denkmalschützern unter dem Titel „Kirchen sind Gemeingüter“ das sogenannte Kirchenmanifest formuliert, das fordert, bedrohte Kirchengebäude in staatliche Stiftungen zu deren Erhalt zu überführen. Mittlerweile haben 22.000 Menschen das „Manifest“ unterzeichnet, die Kunsthistorikerin Barbara Welzel gehörte zu den ersten. Ihre Argumentation lesen Sie in ihrem Gastbeitrag „Das Beste der Stadt“ in unserer Titelgeschichte ab Seite 32.
Zustimmung und Widerspruch kommt von Catharina Hasenclever von der Stiftung Kir­chen­bau. Zustimmung fürs Erkennen der Dringlichkeit des Themas als gesamtgesell­schaftliche Aufgabe, Widerspruch für die Absicht, die Zukunft der Kirchen ohne ihre Träger verhandeln zu wollen. Auch der Kunsthistoriker und Denkmalpfleger Helmut-Eberhard Paulus widerspricht den Manifest-Unterzeichnern in wichtigen Punkten: Die Kirchengemeinden bräuchten keine neuen Träger, sondern Unterstützer. Die kirchlichen Träger dürften nicht zu Bittstellern degradiert und ihre Fördervereine entmündigt werden. Seinen flammenden Appell lesen Sie ab Seite 40.

Das Flüchtlingslager Nakivale im Süden Ugandas hat nichts gemein mit den Auffanglagern an den europäischen Außengrenzen. Das 1958 gegründete Nakivale ist heute als offizielle Siedlung anerkannt, und Geflüchtete bekommen ein eigenes Stück Land, genießen Bewegungsfreiheit und haben Zugang zu Arbeit, Bildung und zum Gesundheitssystem. Rund 200.000 Menschen leben in der grünen Weite dieser Flüchtlingssiedlung in der ostafrikanischen Buschlandschaft. Doch das Erfolgsmodell ist stark bedroht. Die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten lenken die Aufmerksamkeit und Hilfsgelder der Vereinten Nationen und westlicher Länder weg von Afrika. Und so wird in einer Zeit, in der das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) immer mehr Menschen mit immer weniger Geld versorgen muss, die Hilfe von Rotary immer wichtiger. In unserem „Fokus“ erzählen wir die ungewöhnliche Geschichte des kongolesischen Rotaracters Paul Mushaho und des deutschen Rotariers Rolf Mengel. Was sie geleistet haben und wie es weitergehen soll, lesen Sie ab Seite 12.

Viel Vergnügen bei der Lektüre wünscht

Björn Lange

Chefredakteur

Björn Lange

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