Kolumne Peter

Menagereindl oder Bento-Box?

by Peter Peter |
| Reading-time: 3 Minutes

Mitnahme-Menüs fernab von sperrigen Pizzakartons und abtörnendem Styropor

 

 

 

Wir dürfen nicht mehr auswärts essen gehen, also behelfen wir uns, indem wir öfter selber kochen, aber auch häufiger Essen abholen oder liefern lassen. Lange dachten wir dabei spontan an Pizzakartons to go. Aber es gibt spannendere Anregungen aus Kulturen, in denen der Verzehr nicht selbst zubereiteter Mahlzeiten zu Hause, am Arbeitsplatz oder unter wegs selbstverständlicher Usus ist.

 

 

 

 

 

 

 

Der Welterfolg des Bollywoodfilms „Lunchbox“ machte 2013 auf die Tausenden indischer Dabbawallahs aufmerksam, die in Bombay Blechbüchsen mit tiffin (Mittagessen) ausliefern – durch Farbsymbole streng getrennt nach Religionen und Kasten. Das ist nicht nur billiger – tief eingewurzelte Reinheitsvorstellungen, die in der Tradition des eigenen Mundbechers und des Mitschleppens von sauberem Wasser gipfeln, lösen bei konservativen Indern eher Skepsis gegenüber der gastronomischen Promiskuität eines Restaurantbesuchs aus.

 

 

 

Japanische salarymen nutzen die Anfahrtszeiten im Shinkansen, um sich mit einer Bento-Box zu stärken. Die Bahnhofsshops, die eine riesige Auswahl von diesen pralinenschachtelhaften Überraschungssnacks bereithalten, gehören zu den Wunderwelten einer Japanreise. Und viele großbürgerliche Französinnen lehnen es strikt ab, selbst zu kochen, und lassen sich vom Traiteur Feinkost wie Hühnchen in Morchelsauce, mit Gänseleber gefüllte Wachteln oder provençalisch gratinierten Stockfisch kommen, die dann zu Hause aufgewärmt werden. Ganz zu schweigen von der Tradition des Picknicks. Die reicht vom luxury hamper basket von Harrod’s, dessen Inhalt mit Champagner auf Glyndebournes Opernterrassen begossen wird, bis zur Bergsteigerrast: Rucksack auf, Landjäger mit Taschenmesser aufgeschnitten, ein Ranft Brot, ein Schluck Wasser aus der Feldflasche.

 

 

 

Apropos Feld: Vor zwei, drei Generationen, als wir noch nicht alle vor dem Computer saßen, war es schon aus Gründen der Sparsamkeit üblich, sein Mittagessen im Henkelmann von zu Hause mitzunehmen, sei es zur Erntearbeit, sei es in die Zeche oder ins Büro. Der Österreicher kultiviert zu diesem praktischen Metallbehälter, der Speisen lang warm hält oder im Wasserbad aufgewärmt werden kann, gern militärische Assoziationen und spricht von Menagereindl, in das Soldaten ihre Marschverpflegung aus der Gulaschkanone fassen konnten. Selbstverständlich Essen mitnehmen galt auch fürs eingewickelte Pausenbrot und die Brotzeitdose der Schulkinder, die nicht lieblos auf Fast-Food-Ketten oder Schoko-Riegel verwiesen wurden.

 

 

 

Die Zeiten haben sich geändert: das Pausenbrot hält sich, aber meist nicht mehr motiviert durch Geldnot, sondern die Sorge, dem Nachwuchs gesunde Nahrung mitzugeben. Dafür boomen Lieferdienste, die uns Vorgekochtes oder Zutatenboxen samt Rezept-App in diesen Zeiten auch nur vor die Haustüre legen. Transportiertes Essen wird vielfältiger, einfallsreicher. Vielleicht ziehen wir die gesundheits- und genussfördernde Lehre daraus, dass fast auch Qualität bedeuten kann und dass es eine Menge Alternativen zu Junkfood und gedankenlosem Verpackungsmüll gibt. Wir müssen es ja nicht gleich wie Franz Josef Strauß machen, der weiland mit hauseigenem Krug ins Wirtshaus ging, um seinem Vater eine Maß frisches Bier zu bringen. Selbstabholen mit mitgebrachtem Geschirr ist jedenfalls angesagt: Wir müssen uns weniger mit Infizierungsängsten herumplagen und pflegen eine Facette appetitlicher Tafelkultur, wenn wir die Speisen nicht in abtörnendem Styropor, sondern im eigenen Tupper oder – Mut zum Stil! – Ton, Glas oder edlem Porzellan heimtragen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Peter Peter

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