Ukraine
Nach abenteuerlicher Flucht ist Alfred Praus nun in Sicherheit
Der Rotarier Alfred Praus, Präsident des RC Kyiv International Business, berichtet von seiner abenteuerlichen Flucht aus Kiew, Raketenalarm und die Fahrt als Teil eines UN-Konvois gen Österreich. Hier seine Aufzeichnung:
Die Flucht:
Ende letzter Woche kam ich mit meiner Frau Susanna und Sohn (Zwölf Jahre alt) mit meinem ukrainischen PKW wohlbehalten in meine Wohnung in Wien an. Vorangegangen war nahezu eine Woche Flucht vom Krieg: Nachdem sich die russischen Truppen von Norden und Osten Kiew bis auf 30 Kilometer genähert hatten und eine Umzingelung drohte, verließen wir während eines Raketenalarms Kiew in Richtung der Stadt Bila Tserkwa, 90 Kilometer südlich, wo wir bei einem Onkel von Susanna fürsorglich aufgenommen wurden. Zunehmende Kampfhandlungen nun auch südlich von Kiew und regelmäßige Raketenalarme auch dort veranlassten uns nach zwei Tagen, 300 Kilometer in Richtung Westen in die Landeshauptstadt Chmelnyzkyj zu fahren. Eine Vielzahl von Checkpoints der ukrainischen Armee, Polizei und lokaler Organisationen mit zum Teil langen Staus und Perlustrationen – verständlich, da es viele Saboteure gibt – verdreifachten die Fahrzeit zu einer Tagesreise. In Chmelnyzkyj wurde wir von Freunden extrem gastfreundlich empfangen und mussten auch dort zwei Stunden geschützt im Lichte eines Raketenalarm verbringen. Da wir angesichts der Intensivierung des Beschusses auch von dort wegmussten, folgten wir einem Angebot des österreichischen Außenministeriums, uns einem Konvoi unter der UN-Flagge bis nach Uschgorod, Grenzstadt zu Ungarn und zur Slowakei, anzuschließen. Nach einer weiteren Nacht bei Freunden von Susanna überquerten wir am nächsten Tag die Grenze nach Ungarn und fuhren ohne anzuhalten sechs Stunden nach Wien. Das kann man wohl eine Odyssee nennen.
Zur Gefühlswelt:
Ich bin zerrissen, habe ich doch die letzten 15 Jahre vorwiegend in der Ukraine verbracht und mich in meiner zweiten Heimat wohlgefühlt. Susanna, eine emotionale und sehr geschätzte Opernsängerin und Dozentin für klassischen Gesang (www.susannachakhoian.com) musste auch ihre Eltern und ihren Bruder in Odessa, ein erklärtes Ziel der Invasoren, zurücklassen; ihr Bruder hatte gestern seine Frau und kleine Tochter nach Moldawien in Sicherheit gebracht. Sie ist tief ge- und betroffen. Wie muss es da wohl den nunmehr 1,7 Millionen Flüchtlingen gehen? Nur unser Sohn ist Gott sei Dank durchaus zufrieden: wir haben schon einen Platz für ihn im nahegelegenen Gymnasium gefunden und er hat ja auch Freunde aus seinen früheren Aufenthalten in Wien.
Wir haben bzw. hatten eine schöne Wohnung in Kiew und wollten nicht glauben, dass sich der Krieg so barbarisch intensiviert. Also haben wir bis zum letzten Moment in der Ukraine in der Hoffnung auf Verbesserung der Lage ausgeharrt und mussten dann doch alles bis auf einige Koffer mit sehr ungewissen Zukunftsaussichten zurücklassen.
Wie geht es jetzt weiter?
Meine unternehmerischen Aktivitäten (B2B und Matchmaking zwischen ukrainischen Unternehmen und Unternehmen in der DACH-Region) sind natürlich, hoffentlich nicht nachhaltig, verloren. Andererseits habe ich nun mehr Anlass und auch Zeit, rotarische Hilfe aus Österreich und Deutschland für Ukraine zu organisieren und kanalisieren. Dies ist mir angesichts der unverschuldeten und so grausamen Geschehnisse ein Herzensanliegen.
Susanna hängt professionell völlig in der Luft: wer weiß, ob es die Nationaloper überhaupt auch physisch noch geben oder ob ein ordentliches, geregeltes Leben in Kiew überhaupt noch möglich sein wird. Also muss sie sich künstlerisch nun völlig neu aufstellen. Ich unterstütze sie derzeit dabei mit der Organisation von Konzerten für Ukraine in Österreich und wir beantragen ihre Lehrbefugnis.
Fazit:
Der Krieg hat uns de facto zu Flüchtlingen gemacht. Im Gegensatz zu Millionen Anderer haben wir jedoch ein Zuhause in Österreich, Ersparnisse und angesichts unserer Ausbildung und Erfahrungen sowie letztendlich unseres jeweiligen Status doch eine Basis für die Zukunft. Gleichzeitig kommen uns die Tränen, wenn wir an die an die zunehmenden Zerstörungen und tragischen Schicksale der überwiegenden Mehrheit denken.
Alfred Praus