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Im Fokus

Kampf gegen Polio hat Vorbildfunktion

Die Flüchtlingsströme aus Syrien haben in den letzten Monaten auch in Europa die weltweiten Initiativen zur Ausrottung der Kinderlähmung belebt. Die Radsternfahrt aller Distrikte Anfang Mai nach Frankfurt steht auch im Zeichen dieser neuen Sorge. Wie mit den jüngsten Ausbrüchen umgegangen wird, hat indes eine Vorbildfunktion für die Bekämpfung anderer Krankheiten.

Frank Bünte14.03.2014

Seit Mai 2013 vermeldet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) frische Polio-Ausbrüche in Somalia, Kenia, Äthiopien, Kamerun und Syrien. Auch in Israel wurden im Abwasser mehr als 50 Polio-Wildviren nachgewiesen, die auf Grund ihres Genotyps eindeutig aus Pakistan stammen.

„Der gesamte Nahe Osten steht Gewehr bei Fuß“, betont der Bonner Infektiologe, Internist und Rotarier Harald-Robert Bruch, Polio-Beauftragter des Distrikts 1810 und Vizepräsident des RC Bornheim. 

Die Impfteams dort haben rasch reagiert, um 22 Millionen Kinder unter drei Jahren mit der „süßen“ Schluckimpfung zu immunisieren. Neue Fälle in Syrien wurden zwar in den letzten Wochen von der Opposition gemeldet, sind aber von offiziellen Stellen nicht anerkannt, so dass die Gesamtzahl bei weiterhin 23 liegt. „Insofern ist das Risiko formal sehr klein“, dämpft Prof. Bruch die Sorge, dass die Polio-Geißel mit den Flüchtlingsströmen auch wieder nach Europa springen könnte. Die deutschen Gesundheitsbehörden testen mit Stuhlproben trotzdem alle einreisenden Kinder aus Syrien unter drei Jahren auf das Polio-Virus, Kinder mit Impflücken werden nachgeimpft. Seit dem 18. Oktober vorigen Jahres gilt für alle Israel-Reisenden eine Impf-Empfehlung des Robert Koch-Instituts: Jeder sollte sich auffrischen lassen, wenn er länger als zehn Jahre nicht geimpft worden ist.

In den 80er Jahren gab es weltweit noch jährlich 350.000 akute Fälle von Kinderlähmung. Dank der Impfaktion „Global Polio Eradication Initiative“ von Weltgesundheitsorganisation, Rotary International, Unicef, Bill und Melinda Gates-Stiftung und der US-Gesundheitsbehörde ist es gelungen, die Polio-Fälle im Jahr 2012 auf 223 zu drücken. Im letzten Jahr stieg die Zahl der gemeldeten Polio-Fälle infolge von Ausbrüchen in Afrika und Nahen Osten allerdings weltweit wieder auf 389.

Der Bonner Infektiologe Bruch ist zuversichtlich, dass es trotz aller Risiken bis 2018 zügig gelingen kann, die Welt von der Kinderlähmung zu befreien. „Noch tiefer als 200 Ausbrüche im Jahr wird es aber möglicherweise nicht zu schaffen sein“, glaubt Bruch. Zum einen sei die Ausrottung des letzten Prozent so teuer wie die 99 Prozent zuvor. Und zum anderen blockierten die Taliban in zwei pakistanischen Grenzregionen zu Afghanistan aus ideologischen Gründen die Impfkampagnen. Und im Norden Nigerias sperren sich Stammesscheichs gegen Polio-Impfungen, schüren Ängste mit dem Irrglauben, der Polio-Impfstoff würde unfruchtbar machen.

Im inzwischen fast 30-jährigen Kampf gegen Polio ist in Afrika und Asien eine Impf-Infrastruktur herangewachsen, mit der das Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung insgesamt gestärkt und ein Schutzschild gegen die nächste Herausforderung in Stellung gebracht worden ist. In den nächsten Jahren, ist Prof. Bruch zuversichtlich, wird ein wirksamer Impfstoff gegen Malaria, eine weitere Geißel der Menschheit, einsetzbar sein. Dann werden die Gesundheitsbehörden dankbar auf die Erfahrungen und Fundamente aus der Polio-Kampagne zurückgreifen können.


Von den 5,5 Milliarden Dollar der  verlängerten Polio-Kampagne sind inzwischen bereits 4 Milliarden aufgebracht. Bis 2018, dem Schlusspunkt der Kampagne „Polio Eradication & Endgame Strategic Plan“ sind noch rund 1,5 Milliarden Dollar oder  1,1 Milliarden Euro zu finanzieren. Davon entfallen rund 130 Millionen Euro auf Rotary. Nach einer Rechnung des Distriktes 1810 wäre das Ziel zu schaffen, wenn jeder Rotarier fünf Jahre lang pro Jahr 22 Euro investierte.

Die Herausforderung ist groß, das Ziel rechtfertigt jedoch alle Anstrengungen, zumal die Bill und Melinda Gates-Stiftung jeden von Rotary gespendeten Euro mit zwei weiteren Euro vergoldet. Wenn es nicht gelingt, Polio bis auf den offenbar zurzeit unausrottbaren Bodensatz ideologischer Vorurteile zu eliminieren, so würden bis zum Jahr 2030 erneut weltweit 200.000 Kinder pro Jahr mit irreparablen gesundheitlichen Schäden belastet. Der Polio-Beauftragte Bruch zieht noch ein weiteres Fazit: „Ein Sieg über die Kinderlähmung würde beweisen, dass wir künftig auch andere Gesundheitsinitiativen erfolgreich umsetzen können!“.