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Standpunkt

Angucken statt ablehnen

Standpunkt - Angucken statt ablehnen
© Furgler Graz 2019

Der angemessene Umgang mit Initiativbewerbungen ist ein wichtiger Weg zur Mitgliedergewinnung.

01.11.2019


Zur Person

Peter Adler, RC Wien-Albertina, ist Mediator für Streitfragen rund um Wirtschaft, Politik und am Bau. Er ist Inhaber des Unternehmens Adler Mediation und Governor elect im Distrikt 1910. Adler ist verheiratet und Vater zweier Kinder.


 

Ich höre es immer wieder und kann es doch nicht mehr hören: „Bei uns kann man sich nicht bewerben“ oder „wir sind elitär und sprechen potenzielle Mitglieder selbst an“. Wirklich? Geht es nur so? Ich glaube, dass wir auch neue Wege beschreiten können und müssen.
Traditionell spricht ein bestehendes Mitglied eine Person an. Theoretisch sollte dies vorher im eigenen Club bereits besprochen worden sein. Im Idealfall gibt es auch ein zweites Mitglied als Patin oder Pate. Sodann wird die ausgewählte Person zu einem Vortrag eingeladen. Gedacht ist, dass zu diesem Zeitpunkt die Aufnahmeabsicht der Kandidatin oder dem Kandidaten gar nicht bekannt ist – ich habe das so aber noch nicht wirklich erlebt. Im Anschluss wird abgestimmt, je nach Club im Vorstand und/oder unter allen Mitgliedern, manche Statuten sehen Einstimmigkeit vor, andere verschiedene Mehrheiten.
Wer aber wird angesprochen? Auch das ist unterschiedlich. Es gibt Clubs, die betreiben ein regelrechtes Scouting: Kommt eine bekannte Persönlichkeit in die Stadt oder steigt jemand in eine Position auf, die „rotarabel“ erscheint, dann sucht man Kontakt. Diese Methode bringt durchaus Prominente zu Rotary, ab und zu aber auch Karteileichen, wenn es nicht gelingt, eine innere Beziehung des neuen Mitglieds zu Rotary aufzubauen. Angesprochen werden auch nahe Bekannte und Freunde. Dies verbessert durchaus die Gemeinschaft im Club, auch die Bindungswirkung ist meistens recht hoch. Typischerweise sind aber die eigenen Freundinnen und Freunde im ähnlichen Alter, manchmal sogar in verwandten Branchen. Und so altert man in manchen Clubs gemeinsam vor sich hin.

Bewerbungen über rotary.org
Rotary International hat ein Formular auf die Homepage gestellt: my.rotary.org/de/join-rotary/prospective-members. Hier kann jeder und jede kundtun, wenn die Homepage ein Interesse an Rotary geweckt hat. Ich beobachte schon lange, dass in Europa unter „Elite“ eine erreichte Position in der Gesellschaft oder Wirtschaft verstanden wird. Für mich ist die Definition von Past-Gov. Arno Kronhofer der beste Maßstab: „Wir sind Elite, aber im Herzen und im Hirn!“ Klarerweise gab und gibt es auch in unserem Distrikt Auseinandersetzungen darüber, wer zu Rotary kommen darf. Häufig fallen Sätze wie: „Wir wollen mitbestimmen, wer in unserer Stadt aufgenommen wird“, oder: „Da könnte ja jeder kommen.“ Zumindest beachtenswert ist, dass es immer „jeder“ heißt, aber niemals „jede“. Manchmal werden Kriterien anlässlich der Aufnahmediskussion eines neuen Mitglieds vorgebracht, nach denen wesentliche Teile des Clubs nicht mehr dabei sein dürften.
Es gibt aber zum Glück viele, die anders denken, vor allem unter jenen, die noch nicht so lange dabei sind, oder auch unter den „Weisen“, den über 70-Jährigen, die mehr Lebensüberblick haben. Die haben mich und die anderen Assistant Governors darin bestärkt, alles zur Erweiterung der Diversität zu unternehmen. Wir haben uns daher im Distrikt 1910 dazu entschieden, diesen Anfragen von der rotary.org-Homepage systematisch nachzugehen – und das mit Erfolg. 34 Anfragen haben uns über das Formular erreicht, zwei Drittel stammten von Frauen. 18 Interessierte haben sich nach der ersten Kontaktaufnahme per E-Mail und Telefon gemeldet. Mit jedem und jeder Einzelnen wurde telefonisch geklärt, woran genau Interesse besteht und welche Informationen bereits bekannt sind. Drei Personen waren nur allgemein an Rotary interessiert, aber zwölf Interessierte sind schließlich in verschiedenen Clubs Mitglieder geworden und nach wie vor aktiv.

Unsere interne Vorgehensweise
Gemeinsam mit den Assistant Governors wurde überlegt, welcher Club für welche Interessentin oder welchen Interessenten empfehlenswert wäre, auch in Hinblick auf den Standort, die Berufsklasse, das Alter und das Geschlecht. Ein oder zwei Mitglieder des jeweiligen Rotary Clubs wurden persönlich vom zuständigen Assistant Governor ersucht, sich mit den Interessierten zu treffen. Abhängig von der Einschätzung durch diese Mitglieder war es dann deren Aufgabe, diese Personen im Club vorzuschlagen. Für vier Kandidatinnen und Kandidaten haben wir einen anderen Club suchen müssen. Beigetreten sind letztlich zwölf. Ich glaube, dass dieser Weg durchaus geeignet ist, die für Rotary „richtigen“ Menschen zu identifizieren und zu integrieren. Im Vergleich zur Erweiterung durch Freunde und Bekannte von Mitgliedern, die ja oft gleich alt sind und aus ähnlichem Umfeld stammen, bieten sich hier gute Chancen für Diversität.
Der potenzielle Widerstand, der durch Initiativbewerbungen hätte ausgelöst werden können, wurde über die Assistant Governors und durch das Engagement der ein bis zwei Mitglieder des jeweils ausgewählten Clubs hintangehalten. Welcher Weg zur Mitgliedergewinnung der optimale ist? Aus meiner Sicht ist es optimal, alle Wege zu gehen.

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