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Fokus

Aus vollem Herzen

Fokus  - Aus vollem Herzen
© Stephanie Foller, Hübschmann, Anli Fotografie, Hermenau-Gamelski, Michael Rimpler

33 Rotary Clubs gibt es in Berlin, 26 in Hamburg und 25 in München. Als Hamburger Redaktion sehen wir täglich, wie diese zusammengesetzt sind und funktionieren. Viel zu selten sehen wir dagegen, wie Rotary Clubs im ländlich geprägten Osten Deutschlands agieren. Wir wollten es wissen, schickten eine Reporterin gegen Ende des rotarischen Jahres 2024/25 zu fünf Clubs und stellen fest: Hier ist Rotary ein Stück geistige Beheimatung.

Carolin Wilms01.10.2025

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© Adobe Stock 

Rotary Club Ilmenau

Heike Krischok, die Präsidentin des RC Ilmenau, trägt Funktionskleidung und Wanderstiefel. Um die Gegend kennenzulernen, ist ihr erstes Ziel der Hausberg Kickelhahn auf 861,1 Meter über dem Meeresspiegel im Thüringer Wald. Sie ist die Kanzlerin der Hochschule Schmalkalden und gut zu Fuß. Wie überall, wo es schön ist, war Johann Wolfgang von Goethe. So auch hier. Und in Ilmenau gleich 28-mal. Auf dem Weg zum Gipfel hat er im Jahr 1780 das Gedicht Wandrers Nachtlied auf die Bretterwand einer kleinen Jagdhütte geschrieben – mit Blick auf den Rennsteig. Zur Jagd gingen nach ihm auch andere: Walter Ulbricht, dem früheren Staatsratsvorsitzenden der DDR, soll man dort des Öfteren Waidmannsheil gewünscht haben.

Der RC Ilmenau zählt 38 Mitglieder, vier davon sind Frauen. Beruflich decken die Mitglieder eine große Bandbreite ab: Neben einem Bäckermeister a.D. finden sich alle zwei Wochen u.a. eine Pflegedienstleiterin, ein Tierarzt im Ruhestand, ein Optiker und auch ein Privatdozent der Technischen Universität Ilmenau zusammen. Die TU spielt in der Stadt eine bedeutende Rolle: 7000 Studierende waren im Jahr 2012 immatrikuliert, heute sind es noch 4000 – davon kommt fast die Hälfte aus dem Ausland. So ist das Straßenbild der Innenstadt jung und bunt.

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Clubprojekt: Die offene Bücherbox ist in Ilmenau für jedermann zugänglich. © AnLi Fotografie

Bücher für alle

In unmittelbarer Nähe der Haupteinkaufsstraße steht die "Offene Bücherbox", die der Rotary Club gespendet hat. In seiner Mittagspause sorgt der Optiker darin immer wieder für Ordnung. Zudem übernimmt der Club die Organisation und Finanzierung von Schulungen zu ehrenamtlichen Schlaganfall-Helfern in der Region. Auch bringen die Freunde samstags mit ihrem Auto den Überschuss eines Bäckers aus Ilmenau zu einer Tafel nach Erfurt.

Exakt am 32. Jahrestag der Charterfeier kommen die Mitglieder im Jagdzimmer Hubertus des Berghotels Gabelbach zusammen, eindrucksvolle Hauer von heimischen Keilern hängen über dem Kamin. Die Grundregeln und Werte von
Rotary International teile der Rotary Club, heißt es während der Vorstandssitzung, es gebe aber viel Spielraum, um eigene Akzente zu setzen. Dass es Rotary weltweit gebe, sei auch auf Dienstreisen ein Gewinn. Wann immer die Freunde mit anderen Personen über Rotary in der Gegend sprechen, schlägt ihnen meist Unwissenheit entgegen – Freimaurer sollen das sein, heiße es mitunter, elitär sagen andere.

Zum Clubmeeting kommt die Unfallchirurgin Cathrin Harandt, die zur bewussten Körperhaltung im Alltag ermahnt. Bald atmen alle Mitglieder tief ein und werden angeleitet, ihre Bauch- und Gesäßmuskulatur anzuspannen.

Freund Rainer Popp berichtet, wie es vor 33 Jahren zur Gründung des Clubs kam: Keine zwei Jahre nach der Wiedervereinigung seien Freunde von Rotary Clubs aus dem Westen gekommen und haben eine kleine Gruppe auch strammer Katholiken von der Gründung eines Clubs überzeugt. Popp habe es als Anerkennung und Bestätigung empfunden, eine Gemeinschaft zu finden, die keine Systemnähe gehabt habe. Der frühere Tierarzt sei Rotarier mit Leib und Seele, so auch seine Frau, die Präsidentin bei Inner Wheel ist.

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RC Großenhain Elbe-Röder Dreieck

Sanft geschwungene, grüne Hügel mit Klatschmohn und Kornblumen an den Rändern umrahmen Großenhain. Die Stadt mit knapp 20.000 Einwohnern im nördlichen Speckgürtel von Dresden befindet sich wirtschaftlich in der Schwebe: entweder Flop oder Top. Matthias Schmieder von der Stadtverwaltung Großenhain spricht von einer schwierigen demografischen Prognose der Stadt. Derweil stellt die AfD die größte Fraktion im Stadtrat. Andererseits gibt es den Flugplatz Großenhain. Diese größte Industriefläche Sachsens mit Baurecht gehört dem Freistaat, der auf eine Großansiedlung hofft. Bis es so weit ist, erfreuen sich die Menschen in Großenhain an den gepflegten Parks und neu gedeckten Dächern: Ein Tornado hatte im Jahr 2010 für Verwüstung gesorgt. Dieses einschneidende Ereignis war für den Rotary Club Grund genug, im Stadtpark eine Rotarische Allee anzulegen – auch mit Spendengeldern von Clubs aus dem ganzen Land.

Keine zwölf Kilometer von dort entfernt, zieht die Elbe gemächlich vorbei. Den zweiten Namensteil – Elbe-Röder Dreieck – hat der Club auch ihr zu verdanken. Gesäumt von Weinbergen, Kavaliershäusern und Weinwirtschaften, befindet sich das verlassene Schloss Seußlitz. Nach dem Winter betätigen sich die Freunde dort – hands on – als Parkengel: Sie schneiden Büsche, legen Wege frei und hüllen den Park in einen Hauch von Romantik. Am Steinbruch Böser Bruder vorbei liegt das Clubrestaurant Zum Roß.

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© Hübschmann

"Werte gnädige Frau"

Bei sächsischem Spargel berichtet Gründungsmitglied Bärbel Gericke, wie sie 1994 angesprochen wurde, einen Club zu gründen. Als einzige Frau in den rotarischen Reihen habe man keine andere Anrede als "werte gnädige Frau" für sie gefunden, erinnert sie sich schmunzelnd. Dienstleister für die Gemeinschaft zu sein, dafür habe sie damals rasch Menschen in der Region gefunden. Mit 13 Mitgliedern zählt der Club zu den Minis. Die Mitglieder verstehen sich als Schnellboot, das sehr reibungslos und zügig Vorhaben umsetzt. Der Altersdurchschnitt von jetzt 57 Jahren wurde in den letzten Jahren durch die Aufnahme von jüngeren Mitgliedern gesenkt. "Uns fehlt nicht die Größe", sagt Robert Senftleben, Präsident des Clubs, "wir haben Freunde in der Region." Mit den Nachbarclubs unternehmen sie so einiges: Ausflüge, Vorträge und Besichtigungen.

Im Club sind so viele Wessis wie Frauen: zwei. Eine hat zudem kleinere Kinder und freut sich, dass sie manchmal auch online an Hybrid-Meetings teilnehmen kann.

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Interessieren sich für die Clubgeschichte: die Freundinnen und Freunde vom RC Großenhain Elbe-Röder Dreieck. © Hübschmann

"Offene Gesprächsrunde"

Ein Format, das sich sehr häufig unter den Veranstaltungsterminen findet, ist die "offene Gesprächsrunde". Dabei stellt ein Mitglied ein Thema oder ein Problem vor und holt die Einschätzungen der anderen ein. "Wenn ein Jurist oder Handwerker darüberguckt, entstehen neue Sichtweisen", erklärt Senftleben. An diesem Clubabend geht es um kunstvolle Drucke von Anleihen und um die Frage, was ein Papier wert ist. Präsident elect und Finanzökonom Olaf Gericke berichtet, welche Überlegungen etwa Landesregierungen anstellen, wenn sie Anleihen begeben. Farbenfrohe Vorabdrucke von Giesecke und Devrient machen unter den Freunden die Runde.

Die wertschätzende Debattenkultur und die Lösungskompetenz der Mitglieder sind zwei der Gründe, warum die Freunde nicht nur im Club Freunde sind. Sie treffen sich auch außerhalb, machen Sport oder fahren gemeinsam in den Urlaub. Die Zusammenkünfte seien somit keine lästige Pflicht, sondern ein Treffen unter Freunden.


RC Herzberg-Elsterland

Die Stadt Herzberg gibt es in Deutschland dreimal: im Harz und in der Mark, aber die an der Elster ist einmalig. Gefühlt fehlt es an nichts: Planetarium, Freibad, größte Kegelbahn Brandenburgs, Sternwarte, günstiger Wohnraum, Schloss Grochwitz, eine wachsende Zahl von Arbeitgebern, Wildpark, Elster-Radweg, Botanischer Garten. Bei rund 8700 Einwohnern ist das allerhand. Begeistert saust Bürgermeister Karsten Eule-Prütz mit seinem Transporter durch die Straßen. Grüßt hier, grüßt dort.

Keine einzige Bombe ist während des Zweiten Weltkriegs auf Herzberg gefallen. Der Marktplatz gleicht einem Bilderbuch – ein Sandkasten mit Spielsachen liegt direkt neben einem Café, das sein Mobiliar in die Sonne gestellt hat, eine Bücherbox steht gegenüber. Stühlchen und Tischchen warten auf kleine Bücherwürmer.

Wer würde hier nicht wohnen wollen? Wer würde hier eine Partei wählen, die das Erreichte schlechtmacht? Mit den Erststimmen für die größte Oppositionspartei im Bundestag entsandte der Wahlkreis bei der Bundestagswahl 2025 eine Frau mit Direktmandat. Der parteilose Bürgermeister versteht es nicht. Keiner habe diese Person vorher gekannt. Herzberg hat einen Migrantenanteil von sieben Prozent. Und die Blüte der Region soll zum Greifen nahe sein: Zum benachbarten Bundeswehrstandort Holzdorf werden Geschwader verlegt, Unternehmen der Wehrtechnik wollen in Herzberg Arbeitsplätze schaffen. Die Züge nach Berlin sollen die Kreisstadt ab 2026 sogar stündlich anbinden.

Meeting im Inklusionsrestaurant

Die 20 Mitglieder des Rotary Clubs treffen sich wöchentlich. Dieses Mal im Inklusionsrestaurant des Elster-Parks, einer barrierefreien Bildungs- und Erlebnisstätte. 20 Menschen mit Behinderung aus der Gegend arbeiten hier.

Zum Mittagstreff kommen die Freunde im Kaminzimmer zusammen. Das Feuer lodert auf dem Bildschirm. Gabriele Lang ist eine der drei Frauen des Clubs und seit fünf Jahren Mitglied. Zudem ist sie Leiterin des Fachbereichs Kunst der Herzberger Kreismusik- und Kunstschule. Das sei ihr Herzensprojekt, sagt sie. Dort könne sie Kräfte aus der ganzen Region bündeln und die Gesellschaft bereichern. Die Kinder gestalten dort den Adventskalender, den der Club als Tombola-Los verkauft. Mit dem Erlös richten sie einen Adventsnachmittag für Familien aus, die sich in wirtschaftlich schwierigen Verhältnissen befinden. Es gehe weniger ums Reden als um Taten, sagt sie.

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Sind in der ganzen Stadt bekannt: die Clubmitglieder vom RC  Herzberg-Elsterland. © Stephanie Foller

Neue Mitglieder für ihren Club in dem Raum zu finden, sei nicht einfach, sagen die Freunde beim Espresso. Das Durchschnittsalter liegt bei 62 Jahren. Menschen, die sie ansprechen möchten, seien oft bereits in anderen Vereinen eingebunden.

Mit dem Schüleraustausch wirke der Club am Drei-Bundesländer-Eck Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt in die Gesellschaft hinein, berichten die Mitglieder. Diese Form der Völkerverständigung liege ihnen sehr am Herzen, zumal die Schüler in der Zeit persönlich reifen. Sie gingen als Jugendliche aus dem Haus und kämen als Erwachsene wieder, sind sich die Freunde einig. Ein Austauschschüler aus Lettland habe im Anschluss ein internationales Projekt angestoßen, erzählen sie. Der Club habe dafür Spenden gesammelt und bei der Handwerksarbeit auch vor Ort geholfen.


RC Jerichower Land

Spargel unten, Störche oben. Das Jerichower Land an der Elbe ist ein Naturparadies. Aber nicht nur Landwirtschaft und Schutzgebiete zieren die Gegend, sondern auch Kulturdenkmäler aus Backstein. Das Kloster Jerichow wurde im Jahr 1144 gegründet. Für die Säulensanierung im Refektorium hat der RC Jerichower Land gespendet. Das Kloster liegt an der Straße der Romanik und am Elberadweg. Sanfter Tourismus soll so nach Sachsen-Anhalt gelockt werden.

"Im Osten zu Hause" dudelt der Jingle im Autoradio auf dem Weg in die Kleinstadt Genthin. Der Marktplatz ist in goldenes Licht gehüllt. Tommis Markt-Imbiss ist schon zu. Während der Öffnungszeiten gibt’s dort "Ossi-Currywurst". Um 18 Uhr sind die Straßen menschenleer. Auch der Antik-Trödel "Black Jack" hat bereits geschlossen: Western, Biker und Military gibt es erst am nächsten Tag wieder. Gleich daneben liegt das Hotel Genthin. Das Clublokal.

Fahrgemeinschaften zum Meeting

Der RC Jerichower Land sei ein Land-Club sagt ein Mitglied lachend. Jede Woche treffen sich die Freundinnen und Freunde: einmal in Genthin, einmal in Burg bei Magdeburg. So müssen alle mal einen weiteren Weg zurücklegen. Weiter kann unter Umständen bedeuten, für eine Strecke anderthalb Stunden zu fahren. Einige Fahrgemeinschaften wurden daher gebildet.

Die braune Faltschiebetür aus Plastik wird zugezogen, sie trennt den Meeting-Bereich vom Restaurant des Hotels. Richterin am Amtsgericht und Präsidentin des Clubs, Konstanze Nolte, eröffnet die Vorstandssitzung. Unter den 35 Mitgliedern ist ein Fünftel weiblich, Durchschnittsalter 59 Jahre. Der Club habe einen Generationswechsel hinter sich, berichten die Mitglieder. In den letzten zwei bis drei Jahren seien einige neue Mitglieder dazugekommen. In ihren Reihen sind: Angehörige der Bundeswehr, ein Restaurator, der Bundesforstdirektor. Das älteste (Gründungs-)Mitglied (98) wird zu den Meetings gefahren.

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© Hermenau-Gamalski

Der Club habe einen sozialen und keinen politischen Auftrag, heißt es angesichts der jüngsten Wahlergebnisse bei der Bundestagswahl 2025 im Wahlkreis. Der Ausländerfeindlichkeit, die die AfD kennzeichnet, setzt der Club Weltoffenheit durch Pflege der Völkerverständigung entgegen. Mit 30 Ländern hat der Jugendaustausch bereits stattgefunden: Jugendliche aus dem Jerichower Land sind dieses Jahr nach Brasilien aufgebrochen, Heranwachsende aus Südamerika und -afrika sind gekommen.

Beim Clubmeeting sind alle Plätze belegt. Nach Gulasch oder dem alternativen Salatteller geht es los: Über dem verhüllten Frühstücksbuffet hängt der Bildschirm, auf dem Freund und Notar Matthias Golz seinen Vortrag über das Wesen der Vorsorgevollmacht zeigt. Dieses Thema haben sich die Mitglieder gewünscht.

Der Slogan des Landes Sachsen-Anhalt #moderndenken sei in dem Zusammenhang nicht durchgängig zutreffend, findet er abschließend. Modern arbeiten sei, wenn alle Bereitschaftsrichter Zugang zum Register der Notarkammer für hinterlegte Vorsorgevollmachten haben. Das aber sei nicht der Fall.


RC Dreiländereck-Oberlausitz

Der Aufmacher in den Radionachrichten auf der Fahrt durchs Zittauer Gebirge ist die Zerschlagung einer militanten rechtsradikalen Gruppe mit Festnahmen von teils Jugendlichen in Sachsen, Brandenburg und Hessen. Wie eine wahnhafte Fieberkurve reihen sich die Zustimmungswerte der derzeit größten Oppositionspartei im Bundestag auf: vom Wahlkreis 066 des RC Jerichower Land bis zum Wahlkreis 156 des RC Dreiländereck stiegen die Anteile der Erststimmen von 39,2 auf 48,9 Prozent bei der Bundestagswahl 2025. Jeder dieser Wahlkreise hat einen AfD-Direktmandanten nach Berlin entsandt. Mit persönlichem Frust erklärt Thomas Zenker, Oberbürgermeister von Zittau und Mitglied des RC Dreiländereck-Oberlausitz, diese Entwicklung. Arbeitslosigkeit sei dort zwar kein Thema, aber der Goldene Westen sei im äußersten Osten nicht angekommen. Früher habe sich der Staat gekümmert, nun müsse das jeder selbst tun, mutmaßt Zenker, wie die Zustimmungswerte zustande kommen.

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Clubprojekt: Der dreisprachige Kinderspielplatz Trilingo in Zittau © Michael Rimpler

Gesunde Ost-West-Mischung

Dabei, so zeigt er auf einer Karte, sei Zittau gar nicht im Osten. Sondern in der Mitte. Die Oberlausitz war fast 500 Jahre mit Böhmen und Schlesien verbunden. Heute grenzen die EU-Länder Polen und Tschechien an die Stadt. Slawische Sprachen sind auf der Straße zu hören. Der Warenverkehr ist rege – wie schon lange. Denn bei Zittau verliefen alte Handelsstraßen. Von den Zöllen wurde die Stadt einst reich. Die prächtigen Stadthäuser und Grabgruften zeugen davon. Der Rotary Club hat die kulturgeschichtliche Route "Via Sacra" im Dreiländereck unterstützt und dabei mit anderen Clubs grenzübergreifend zusammengearbeitet. Spiritus Rector der Route, Volker Dudeck, ist stolz auf das Große Zittauer Fastentuch von 1472 und erzählt als Gründungsmitglied des Clubs, wie man nach der Wende die Gräben zuschütten wollte und Mitglieder suchte, die politisch unbelastet waren und selbstlos dienen wollten. Der Club sei schnell gewachsen und habe eine gesunde Ost-West-Mischung.

Wie eine bunte Familie sei der Club, sagt sein Präsident Tom Langenfeld. Eine Präsenzpflicht gibt es hier nicht. Wenn sie gebraucht werde, sei die Person da, erklärt er. Unter den 30 Mitgliedern sind Berufe wie Polizeikommissar, Lehrer, Museumsdirektor und Physiotherapeut zu finden. Past-Präsidentin Regina Gellrich kümmert sich beruflich darum, dass die beiden Nachbarsprachen und -kulturen in der Region mehr Verbreitung finden. Präsidentin elect und Stadträtin Ute Wunderlich ist von der Mehrsprachigkeit des Schulverbundes, wo sie arbeitet, begeistert. "Blühende Landschaften, die gibt es hier", sagt sie.

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Ulrike Birkner-Kettenacker, Pfarrerin und Botschafterin a. D., berichtet von ihrem ungewöhnlichen persönlichen Weg in DDR- Zeiten.

Zum Clubmeeting im Trixi-Ferienpark ist die frühere Pfarrerin und Botschafterin in London eingeladen. Sie berichtet, wie sie während des Interregnums zwischen Volkskammerwahlen im März 1990 und Wiedervereinigung in der ehemaligen DDR-Vertretung die Leitung übernahm. Der Vortrag von Ulrike Birkner-Kettenacker beginnt mit nicht weniger als vier Wundern: von der Zerstörung ihrer Heimatstadt Dresden über das Nagelkreuz von Coventry, das Erlernen der englischen Sprache und Englandaufenthalte während der DDR-Zeit. Eindrücklicher und spannender kann Zeitgeschichte kaum sein. Und doch war das Berührendste des Abends, dass ein Freund seine demente Frau mitgebracht hatte, die herzlich im Kreis aufgenommen wurde.

Carolin Wilms

Carolin Wilms arbeitet als freie Journalistin, Buchautorin, Podcasterin und Moderatorin in Leipzig. Sie schreibt für Qualitätszeitungen über Wirtschaft, Karriere sowie Bildung, befasst sich mit dem deutsch-deutschen Verhältnis und mit ihrem Wohnort Leipzig.
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