Rotary Aktuell
Aufgeben ist keine Option
Der Welt-Polio-Tag findet am 25./26. Oktober in Oberhausen statt. Stimmen Sie sich ein auf die nächste Runde im Kampf gegen die Kinderlähmung, und lassen Sie sich inspirieren von fünf Akteuren, die in der Bekämpfung von Polio eine entscheidende Rolle spielen
Mehr Begeisterung, bitte!
Wir sollten viel begeisterter sprechen über unser großartiges rotarisches Weltprojekt. End Polio Now ist unser Alleinstellungsmerkmal, keine andere Organisation hat etwas Vergleichbares. End Polio Now ist das einzige weltweite Programm, zu dem sich alle Staaten ausnahmslos verständigt haben. 20 Millionen Menschen können laufen, die sonst im Rollstuhl säßen, 1,5 Millionen Menschen leben, die sonst gestorben wären. Wir haben ein weltweites Netzwerk von Gesundheitsversorgung, Laboren und Surveillance aufgebaut. Mit unserer Spende von 50 Millionen Dollar lösen wir jedes Jahr 100 Millionen Dollar bei der Gates-Foundation und insgesamt circa eine Milliarde Dollar bei den Staaten aus! Mit unseren etwa 370 Millionen Impfungen pro Jahr werden wir 20 bis 50 Milliarden Dollar Gesundheitskosten weltweit bis 2050 einsparen. Und würden wir jetzt aufhören, hätten wir innerhalb von zehn Jahren wieder 200.000 Polio-Fälle jedes Jahr.
Es ist unsere Verantwortung, das Versprechen für eine poliofreie Welt einzulösen, auch persönlich. Zum Beispiel, indem wir bei allgemein zunehmender Impfskepsis in unserer Umgebung für Prävention durch Impfen eintreten. Weltweit stehen wir für Gerechtigkeit der Gesundheitsversorgung, damit können wir das letzte ungeimpfte Kind finden und unser Versprechen Wirklichkeit werden lassen: eine Welt ohne Polio! Aber: Rotarische Hilfe wird benötigt.
Christian Schleuss
„Wir müssen einfach weitermachen“
Dr. Zubair Wadood, Epidemiologe für die Ausrottung der Kinderlähmung bei der Weltgesundheitsorganisation, zur aktuellen epidemiologischen Situation weltweit:
Die Bestätigung von Polio in Gaza im Juli war eine verheerende Nachricht. Das ist das Letzte, was die Kinder in Gaza angesichts der Krise in der Region brauchen. Gleichzeitig sehen wir einen erneuten Anstieg der PolioFälle in Pakistan und Afghanistan, den beiden letzten endemischen Ländern im Jahr 2024.
Die Zahl der Fälle ist jedoch nicht immer der beste und einzige Indikator für Fortschritte. Tatsächlich unterstreicht die Zahl der Fälle nur, was wir wissen: dass wir immer noch nicht genug Kinder mit dem Polio-Impfstoff erreicht haben. In Ländern wie Pakistan und Afghanistan, wo die Fallzahlen vergleichsweise niedrig sind, muss man immer mit gewissen Schwankungen rechnen. In einem Jahr gibt es vielleicht sechs Fälle, in einem anderen Jahr zwölf Fälle. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass die operative Qualität unserer Maßnahmen schlechter ist. Auch wenn es natürlich tragisch für die betroffenen Familien und Kinder ist, müssen wir unser Ziel im Auge behalten, nämlich die Ausbreitung des Virus von Mensch zu Mensch zu stoppen. Und alle unsere Indikatoren sagen uns, dass wir das Ziel, die Übertragung des Polio-Wildvirus in diesen beiden Ländern zu unterbrechen, noch erreichen können. Die genetische Vielfalt des Polio-Virus ist weiterhin auf einem historischen Tiefstand. Die Durchimpfungsrate ist in den meisten subnationalen Gebieten höher als je zuvor. Wir wissen, wo die verbleibenden ungeimpften Kinder sind, und wir arbeiten hart daran, sie zu erreichen. Wir haben ähnliche Situationen erlebt, als Indien, Nigeria und Ägypten sich ihrem poliofreien Status näherten. Am Ende sind alle nervös, jeder neu entdeckte Virus wird mit Frustration beäugt. Aber alle unsere Indikatoren bestätigen es: Wir sind auf dem richtigen Weg und müssen einfach weitermachen. Wir sollten uns nicht von neuen Fällen ablenken lassen.
Was Gaza betrifft, so haben wir schon früher PolioAusbrüche in Konfliktgebieten erlebt: in der Ukraine, in Syrien. Trotz allem ist die Durchimpfungsrate in Gaza höher als in vielen Gebieten der Schweiz, wo ich lebe. Die jüngste Krisensituation im Gazastreifen hat jedoch zu einer Unterbrechung des Gesundheitssystems, einschließlich der Routineimpfungen, geführt. Die Impfkampagne in Gaza hat bereits mit einer wirklich bemerkenswerten gemeinsamen Anstrengung begonnen, und wir erhalten ermutigende Nachrichten von unseren Teams vor Ort. Wir wissen, was es braucht, um Ausbrüche in solchen Gebieten zu stoppen, und ich bin überzeugt davon, dass wir auch diesen Ausbruch stoppen können.
Zubair Wadood
„Sie nahmen mir meinen Pass ab “
Der Fotograf Jean-Marc Giboux reiste in 18 Jahren in 17 Länder, um die Auswirkungen der Kinderlähmung und den Kampf für ihre Ausrottung zu dokumentieren:
Wie sind Sie dazu gekommen, die Bemühungen um die Ausrottung der Kinderlähmung zu fotografieren?
1997 war ich auf der Suche nach einer guten Geschichte über unseren Eintritt in das 21. Jahrhundert. Ich sah einen Artikel in der Chicago Tribune über Rotary und die Ausrottung der Kinderlähmung, also rief ich Rotary an. Schließlich gab mir die Rotary Foundation ein Stipendium, um diese Arbeit zu dokumentieren. Im nächsten Jahr wurden die Fotos im Life-Magazin veröffentlicht, und eine Woche später fragte mich die Weltgesundheitsorganisation, ob ich für sie nach Sierra Leone reisen wolle. Ich hatte keine Ahnung, dass ich mich 18 Jahre lang damit beschäftigen würde. Es passierte einfach.
Gibt es bestimmte Länder, in denen es einfacher oder schwieriger ist, Menschen zu fotografieren?
Ich fahre seit 25 Jahren nach Indien, daher fühle ich mich dort sehr wohl. Ich kann mich gut zurechtfinden, und die Menschen dort lassen sich gut fotografieren. Ich war bestimmt zehnmal dort. Afghanistan und Pakistan waren schwieriger. In Afghanistan braucht man einen Übersetzer, und es kann aus Sicherheitsgründen schwierig sein.
Gab es Momente, in denen Ihre Kooperation mit Rotary Ihnen geholfen hat, die gewünschten Fotos zu bekommen?
An meinem allerersten Morgen in Kano, im Norden Nigerias, ging ich hinaus, um zu fotografieren. Ich hatte nicht ein einziges Bild gemacht, ehe ich wegen meiner Kamera verhaftet wurde. Dann sah ich einen Polizisten in Uniform. Ich rannte zu ihm und fragte: „Sind diese Leute legal?“ Und er sagte: „Ja, sie sind von der Einwanderungsbehörde“, oder so ähnlich. Also bin ich mit ihnen in ihrem Auto mitgefahren. Sie nahmen mir meinen Pass ab, und zwei Tage lang konnte ich das Hotel nicht verlassen. Aber ein Rotarier, der lokale Präsident des Rotary Clubs in Kano, verhandelte für mich. Er hat mir nie gesagt, was er getan hat, aber er hat meinen Pass zurückbekommen.
Etelka Lehoczky/RI
Eine Bildergalerie mit weiteren Polio-Fotos von Jean-Marc Giboux finden Sie unter: rotary.de/fotostrecke/501
17 Millionen weniger
Tatjana König betreibt als Polio Plus National Advocacy Adviser Lobbyarbeit im Kampf gegen die Kinderlähmung: Es war wie ein Schlag ins Genick:
Im Entwurf des Bundeshaushalts 2025 wurde der Haushaltstitel der Global Polio Eradication Initiative (GPEI) von 37 Millionen Euro auf 20 Millionen Euro gekürzt. Ende November wird der Haushalt verabschiedet. Dann gibt es kein Zurück mehr. Tatjana König bleiben noch wenige Wochen, um Einfluss zu nehmen. Gemeinsam mit anderen Mitstreitern setzt sie sich als Polio Plus National Advocacy Adviser für Rotary International dafür ein, dass die finanzielle Unterstützung der Bundesregierung für die Bekämpfung von Polio möglichst hoch ausfällt und dass das End-Polio-Now-Programm von Rotary möglichst tief verankert wird in den Köpfen der relevanten Akteure im politischen Berlin.
Die 58-Jährige betreibt dort klassische Lobbyarbeit für Rotary International, damit der Kampf gegen die Kinderlähmung weitergeht. Dafür legt sie wichtige Fakten auf den Tisch, führt Gespräche, schreibt Briefe an Bundestagsabgeordnete in den relevanten Ausschüssen. Wichtige Anlaufstellen sind das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, das Bundesgesundheitsmi nis te rium, das Auswärtige Amt sowie das Bundesministerium für Finanzen. Immer nutzt sie dafür Netzwerke, frischt alte Kontakte auf und nutzt ihre Erfahrung im politischen Umfeld und in öffentlichkeitswirksamer Kommunikation. An einer ihrer beruflichen Stationen hat die Juristin als Führungsmitglied der internationalen Kommunikationsagentur Scholz & Friends viele Ministerien und Kampagnen betreut. Die in ihrer beruflichen Laufbahn aufgebauten Kontakte helfen ihr heute, an den richtigen Stellen für Unterstützung zu werben. Aktuell setzt sie unter anderem gezielt auf die Mithilfe der Rotarier. Jedes einzelne RotaryMitglied in Deutschland ist aufgerufen, mit einem Schreiben an seinen Abgeordneten im Wahlkreis vor Ort heranzutreten und auf den Missstand in den laufenden Haushaltsverhandlungen aufmerksam zu machen, damit die vorgeschlagenen Kürzungen rückgängig gemacht werden. Jeder zurückgewonnene Euro mehr ist ein Erfolg.
Insa Fölster
„Das Gefühl ist sehr ergreifend “
Die Polio-Spenden der deutschen Rotarier (1,99 Millionen Dollar) wurden dieses Jahr für Impfungen in Pakistan verwendet. Von Januar bis Juni wurden in vier subnationalen Impftagen in allen Distrikten Pakistans 27,9 Millionen Kinder geimpft. Alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland (13,9 Millionen) hätten davon zweimal komplett geimpft werden können. Zu den eigentlichen Impfungen wurden auch grundlegende Hygieneberatungen und das Verteilen von 845.000 Stück Seife zur Unterbrechung der Ansteckungskette finanziert. Für unser End-PolioNow-Projekt ist die Unterbrechung der Übertragung in Pakistan von entscheidender Bedeutung. Hans-Hermann Kasten war persönlich vor Ort.
Hatten Sie Kontakt zur einheimischen Bevölkerung und zu Regierungsvertretern?
Wir haben in Pakistan viele Projekte kennengelernt und natürlich dabei auch vielfältige Kontakte mit der einheimischen Bevölkerung gehabt. Wir haben neben den Polio-Impfzentren zum Beispiel Patienten in von Rotary Clubs aufgebauten Kliniken kennengelernt. In unseren Impfzentren wird dort übrigens auch gegen viele andere Krankheiten geimpft. Daneben haben wir sicher mehrere Hundert Rotarier kennengelernt, die ausgesprochen aufmerksame und herzliche Gastgeber waren. Natürlich war Polio ein zentrales Thema unserer Reise. Wir haben uns mit hochrangigen Vertretern der Polio-Organisation von Rotary in Pakistan und Vertretern der Deutschen Botschaft getroffen.
Was ist das für ein Gefühl, einem Kind den Polio-Impfstoff persönlich zu verabreichen?
Das Gefühl ist sehr ergreifend. Das gilt umso mehr, wenn man zuvor Opfer kennengelernt hat, die vor vielen Jahren, noch vor Beginn unserer Impfaktivitäten, an Polio erkrankt sind und nun unter heftigen Folgen leiden. Es ist ein ganz besonderes Erlebnis, kleinen Kindern dieses Schicksal ersparen zu können. Und meine Bewunderung gehört den Müttern, die die Bedeutung dieser Impfungen für ihre Kinder erkannt haben und deshalb die Impfungen – teilweise unter großem persönlichen Einsatz – möglich machen.
Welche Botschaft haben Sie für die Rotary-Mitglieder hierzulande mitgebracht?
Pakistan ist nicht wirklich im Fokus unserer Rotarier. Dieses große, arme Land benötigt aber unsere Hilfe sehr dringend. Im Vordergrund steht dabei nach wie vor das Thema Polio. Die Grenze zwischen Pakistan und Afghanistan ist aus der Sicht unseres Kampfes gegen Polio kaum sichtbar. Wir müssen deshalb in diesen beiden Ländern aktiv und erfolgreich gegen Polio vorgehen.
Christian Schleuss/Insa Fölster
Eine Vorlage für ein Anschreiben kann unter folgendem Link heruntergeladen werden: rotary.de/a24169
Weitere Informationen erfolgen außerdem in Kürze über den Distrikt
Gemeinsam Polio besiegen
Kommen Sie am 25./26. Oktober zum Welt-Polio-Tag nach Oberhausen. In diesem Jahr übernimmt der Distrikt 1870 die Gastgeberrolle und hat ein interessantes Programm zusammengestellt.
Nähere Informationen und Anmeldung bis zum 17. Oktober über diesen Flyer: rotary.de/a24169
Eine Bildergalerie mit weiteren Polio-Fotos von Jean-Marc Giboux finden Sie HIER