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Hintergrund

Wasserversorgung weltweit – gerechte und wirksame Steuerung

Wolfgang Merkel (Rotary Club Wiesbaden) ist Bauingenieur mit wasserwirtschaftlichem Schwerpunkt und Honorarprofessor für das Fach Wasserversorgung an der TU Darmstadt. In seinem Beitrag legt er dar, wie sich die Wasserversorgung weltweit gerechter und wirksamer steuern ließe.

24.06.2014

Die Millenium-Entwicklungsziele

Die 55. Generalversammlung der UN vom 6.-8. Sept. 2000 in New York ist unter der Bezeichnung „Millennium Gipfel“ (Millennium Assembly) bekannt geworden; die Staats- und Regierungschefs einigten sich seinerzeit auf einen Maßnahmenkatalog mit dem Ziel, die Armut in der Welt bis zum Jahr 2015 zu halbieren und formulierten dazu acht Millennium-Entwicklungsziele (s. Abb. 1 [UN-MDG 2000]).

Das Ziel 7 lautet:
„Eine nachhaltige Umwelt gewährleisten (Ensure environmental sustainability)“


mit dem Unterziel 7.3:
„Die Zahl der Menschen, die über keinen nachhaltigen Zugang zu gesundem Trinkwasser verfügen, soll bis 2015 um die Hälfte gesenkt werden (
Halve, by 2015, the proportion of the population without sustainable access to safe drinking water and basic sanitation)“

Nach dem UN Human Development Report 2006 und 2013 [UNDP 2014] sterben jedes Jahr 1,8 Mio. Kinder an Durchfall-Erkrankungen, die durch Zugang zu sauberem Wasser vermieden werden könnten. Nach einem Bericht der Welt-Gesundheits-Organisation [WHO 2013] weist dabei Afrika die größte Zahl betroffener Länder auf, wo mehr als 15 % der Todesfälle auf unzureichende Wasserversorgung und Abwasserentsorgung zurückzuführen sind.

Es gibt auch positive Signale (Stand 2011):

  • Die Welt hat das Ziel erreicht, den Anteil der Bevölkerung ohne Zugang zu verbesserten Wasserquellen um 50 % zu senken, und zwar fünf Jahre vor Plan.
  • Zwischen 1990 und 2010 haben mehr als zwei Milliarden Menschen Zugang zu verbesserten Trinkwasserquellen erlangt, das ist ein Anstieg von anteilig 76 auf 89 %. 

Allerdings:

  • Ende 2010 waren noch 768 Millionen Menschen ohne Zugang zu einwandfreien Trinkwasserquellen; davon leben 40 % in Afrika südlich der Sahara.
  • Trotz des Fortschritts – 2,5 Milliarden Menschen in Entwicklungsländern ermangeln des Zugangs zu einwandfreien Abwasseranlagen; 1 Milliarde praktizieren noch offene Darmentleerung.
Wasser – ein Menschenrecht

Die UN Wasserkonferenz 1977 Mar del Plata formulierte den Zugang zu einwandfreiem Trinkwasser als Menschenrecht und verabschiedete einen Aktionsplan. Es folgte eine Reihe von Beschlüssen der UN-Generalversammlung in gleicher Richtung (1999: „Recht auf Entwicklung“, 2003: „Internationales Jahr des Süßwassers“, 2005–2015: Internationale Aktionsdekade „Wasser – Quelle des Lebens“, 2008: „Internationales Jahr der sanitären Grundversorgung“ u.a.m.), Resolutionen des Menschenrechtsrats 2008 und 2009 betr. das Menschenrecht auf einwandfreies und sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung, 2014: UNESCO World Water Development Report). Dazu gehören die Berichte der Hohen Kommissarin der UN für Menschenrechte und der Unabhängigen UN-Expertin für Menschenrechtsverpflichtungen Catarina de Albuquerque betreffend den Zugang zu einwandfreiem Trinkwasser und sanitärer Grundversorgung.

Das „Project“ [Blue Planet 2014] hat für das Menschenrecht auf Wasser gekämpft. „Durch schmutziges Wasser sterben mehr Menschen als an Aids, Malaria und Masern zusammen“, so Boliviens Botschafter Pablo Solon vor der UN-Generalversammlung (s.u.). Im Blue Planet Project werden Beispiele aus zahlreichen Ländern aufgeführt. Sie betreffen u.a. fehlgeleitete Investitionen der Entwicklungshilfe, eine Subventionierung der landwirtschaftlichen Bewässerung, die Investitionen zur sparsamen Wassernutzung behindert, großflächig betriebener Aufkauf von landwirtschaftlichen Nutzflächen durch Großkonzerne beispielsweise zum Anbau von Energie-Pflanzen, was die Übernutzung der Wasserressourcen verstärkt und zugleich die Lebensmittel für die örtliche Bevölkerung verteuert etc.


Die UN-Generalversammlung vom 28. Juli 2010 setzte auf die Tagesordnung ihrer 64. Tagung als Punkt 48 das Thema

Recht auf sauberes Wasser als Menschenrecht“

Unter Verweis auf ihre Resolutionen seit 1999 (s.o.) und die oben genannten Berichte, in tiefer Besorgnis darüber, „dass etwa 884 Millionen Menschen keinen Zugang zu einwandfreiem Trinkwasser und mehr als 2,6 Milliarden keinen Zugang zu einer sanitären Grundversorgung haben, und … dass jedes Jahr infolge von wasser- und sanitärbedingten Krankheiten etwa 1,5 Millionen Kinder unter 5 Jahren sterben und 443 Millionen Schultage verloren gehen,“ in der Erkenntnis der Wichtigkeit des Zugangs zu einwandfreiem und sauberem Trinkwasser und zu Sanitärversorgung für die Verwirklichung aller Menschenrechte, wurde die Verantwortung der Staaten für die Förderung und den Schutz der Menschenrechte bekräftigt, an die von der internationalen Gemeinschaft eingegangene Verpflichtung zur Erreichung der Milleniumsziele (bis 2015) erinnert und folgender Beschluss  gefasst [Wasser ein Menschenrecht 2000]:

Resolution 64/292: Das Menschenrecht auf Wasser und Sanitärversorgung

„Die Generalversammlung …

1. erkennt das Recht auf einwandfreies und sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung als ein Menschenrecht an, das unverzichtbar für den vollen Genuss des Lebens und aller Menschenrechte ist;

2. fordert die Staaten und die internationalen Organisationen auf, im Wege der internationalen Hilfe und Zusammenarbeit Finanzmittel bereitzustellen, Kapazitäten aufzubauen und Technologien weiterzugeben, insbesondere für die Entwicklungsländer, um die Anstrengungen zur Bereitstellung von einwandfreiem, sauberem, zugänglichem und erschwinglichem Trinkwasser und zur Sanitärversorgung für alle zu verstärken;

3. begrüßt den Beschluss des Menschenrechtsrats, die Unabhängige Expertin für Menschenrechtsverpflichtungen in Bezug auf den Zugang zu einwandfreiem Trinkwasser und sanitärer Grundversorgung zu ersuchen, der Generalversammlung einen jährlichen Bericht vorzulegen, und legt ihr nahe, ihr Mandat auch weiterhin in allen Aspekten wahrzunehmen und in Abstimmung mit allen zuständigen Organisationen, Fonds und Programmen der Vereinten Nationen in ihrem, der Versammlung auf ihrer sechsundsechzigsten Tagung vorzulegenden Bericht auf die hauptsächlichen Herausforderungen für die Verwirklichung des Menschenrechts auf einwandfreies und sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung sowie auf deren Auswirkungen auf die Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele einzugehen.“


Die Resolution wurde durch Bolivien vorgelegt, unterstützt von weiteren 33 Ländern. 122 der anwesenden 163 UN-Mitgliedsstaaten votierten dafür, die übrigen 41 – fast ausschließlich Länder aus dem industrialisierten Norden – enthielten sich der Stimme. Deutschland, nach den Worten seines UN-Botschafters Peter Wittig, einer der „entschiedensten Verfechter des Rechts auf Wasser“ stimmte für die Resolution [Deutsche Welle 2014].

Defizite der Wasserpolitik international

Die zitierte UN-Resolution macht zwar das Recht auf sauberes Wasser nicht juristisch einklagbar, signalisiert aber die Dringlichkeit, welche die Knappheit an sauberem Wasser für einen ständig ansteigenden Anteil der Weltbevölkerung inzwischen hat. Warum sind wir trotzdem heute noch so weit entfernt von den im Jahre 2000 formulierten Millenniumszielen?

Gründe liegen u.a. darin:

  • Die Wasserwirtschaft hat international und national kein ausreichendes Gewicht. Nach dem UNDP Human Development Report 2006 [UNDP 2014] bedarf es vorrangig nationaler Strategien, wofür mindestens 1 % des Brutto-Sozialprodukts aufzuwenden seien, gegenwärtig seien es kaum 0,5 %. Äthiopien gibt für militärische Zwecke 10mal so viel aus, Pakistan 47mal so viel (zum Vergleich: für Wasser und Abwasser zahlt der Bürger in Deutschland zusammen rd. 1 % des mittleren Familieneinkommens).
  • Investitionen werden häufig fehlgeleitet, weil andere Ziele vorgehen – außen- oder innenpolitische, wirtschaftliche Ziele – oder schlicht Korruption Platz greift. Zur Begründung müssen oft Differenzen der Religionen herhalten, „der Schutz der eigenen Bevölkerung“ oder die Sicherung von Wasserressourcen für die eigene Bevölkerung, Landwirtschaft, Wirtschaft ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der ganzen Region.

Wassermangel, Versteppung und Verwüstung ehemals landwirtschaftlich nutzbarer Flächen sind nicht mehr nur ein Problem in Afrika und Asien; sie haben Europa erreicht:

  • Im Süden Spaniens dehnt sich die Wüste jährlich um einen Kilometer in Richtung Norden aus. Der Export von Obst und Gemüse liegt im staatlichen Interesse und wird über hohe Subventionen des Bewässerungswassers gefördert; unerlaubte Grundwasserentnahme (d. h. Wasserdiebstahl) wird nicht im nötigen Maße verfolgt.
  • Zypern überfordert seit Jahren seine Wasserressourcen (Grund- und Oberflächenwasser); Wasser für landwirtschaftliche Zwecke ist hoch subventioniert, was gegen das Kostendeckungsprinzip der EU-Wasserrahmenrichtlinie verstößt. 2011 ist ein Planwerk zum Flusswasser- und Dürremanagement, eingeschlossen Projekte der Wasserwiederverwendung, der Europäischen Kommission vorgelegt worden; das Maßnahmen-Programm soll bis 2015 umgesetzt werden [IWA Yearbook 2013 p. 33].
  • Italien beklagt eine unzureichende behördliche Aufsicht; die Bürgermeister legen die Tarife fest, aus politischen Gründen erfährt die Wasserversorgung mehr Aufmerksamkeit als die Abwasseraufbereitung, welche die Bevölkerung wohl für weniger wichtig erachtet. Der Investitionsrückstand wurde von staatlicher Seite durch erzwungene Privatisierung bekämpft; die erhoffte Lösung des Problems war allerdings eine Illusion, vor allem angesichts der europäischen Wirtschaftskrise. Die Electricity and Gas Authority AEEG soll jetzt das legislative Vakuum füllen und mit deutlichen Tariferhöhungen das Gebot der Kostendeckung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie umsetzen [IWA Yearbook 2013, p. 24].

Sind Konflikte um knapper werdende Wasserressourcen geeignet, kriegerische Auseinandersetzungen auszulösen?

  • Die internationale WATEC-Konferenz in Tel Aviv 2009 [Deutsche Welle 2014] diskutierte über den geeigneten Umgang mit knapper werdenden Wasser-Ressourcen. Bookey Oren als Vorsitzender plädierte für Nachhaltigkeit; die Erde verfüge über Wasser in Fülle, auch die Konflikte um die Verteilung des Wassers zwischen Israelis und Palästinensern ließen sich lösen. Wasser könne ein Instrument sein, Frieden zu schaffen. Israel setzt zunehmend auf Entsalzung von Meerwasser und Wasserrecycling (vgl. [IWA Yearbook 2013, p. 40]). Offenbar hat aber die politische Ebene in Israel nicht zugehört: Israel zieht im Westjordanland Trinkwasser ab, dass den Palästinensern fehlt, worauf zum Beispiel     Amnesty International hinweist.
  • Das Wasser des Nil ist zwischen den sieben Anrainerstaaten stark umstritten.
  • Die Baupläne der Türkei für die Staudämme im Grenzgebiet zum Irak werden den Abfluss von Euphrat und Tigris beeinträchtigen, worauf der Irak dringend angewiesen ist.

Man sollte sich klar machen, dass ein paar Tage kriegerische Auseinandersetzung wahrscheinlich schon mehr Geld kosten als die Investitionen für eine sichere Wasserversorgung für beide Parteien!

Institutional Governance and Regulation of Water Services“

Im vergangenen Jahr hat Michael Rouse in zweiter Auflage sein Buch „Institutional Governance and Regulation of Water Services“ [Rouse 2013] vorgelegt. Er gehört zu den international renommierten Fachleuten – so war er langjähriger Chef des Drinking Water Inspectorate für England und Wales, Altpräsident der International Water Association (IWA); er ist Distinguished Research Associate der Universität Oxford, wo er einen Master-Kurs zu dem Thema seines Buches hält. Rouse geht es darum, Regierungen zum Nachdenken über die richtige Politik im Wassersektor zu bringen,   unter anderem die richtigen Strukturen zu schaffen angesichts des Wachstums der Bevölkerung und zunehmender Urbanisierung.

Ein echtes Problem ist die Erhaltung und Erneuerung bestehender Systeme. „In den meisten Entwicklungsländern wird dies vernachlässigt.“ Ein Beratungsauftrag in Ghana gab ihm einen wichtigen Hinweis. „Wie vielerorts rationiert man dort die Versorgung; bei jedem seiner Besuche hatte sich die Situation weiter verschlechtert. Der ständige Wechsel des Wasserdrucks schadet dem Versorgungssystem; … nachweislich braucht ein 24-Stunden/7-Tage-Service weniger Wasser als die ständige Unterbrechung der Lieferung: wenn das Wasser läuft, speichern die Leute erhebliche Wasservorräte, die sie nach Rückkehr des Wasserdrucks wegwerfen.

Uganda sieht sich einem steigenden Finanzierungsdefizit für Wasserversorgung und Abwasserentsorgung gegenüber [IWA Yearbook 2013, p. 13]. Ursache sind steigende Kosten für Aufbereitungschemikalien und Energie, allerdings auch die mangelnde Zusammenarbeit zwischen den Sektoren Wasser und Abwasser einerseits, zwischen örtlicher staatlicher Aufsicht und den privaten Betriebsführungen andererseits sowie die unzureichende personelle Qualifikation  der Behörden.

Rouse: „Die Beachtung des Menschenrechts (auf Trinkwasser) könnte echten Fortschritt bringen oder aber ein Disaster werden, wenn man sie den Rechtsanwälten überlässt, die nur nach ihren Mandanten schauen und Minoritäten der Bevölkerung vernachlässigen.“ Das Menschenrecht auf Wasser bedeutet aber nicht kostenloses Wasser. „Es gibt keine Alternative zur vollen Kostendeckung und Einforderung von Wasserpreisen. Generelle Subventionen nützen nichts. Wer Nachhaltigkeit verlangt, muss dafür bezahlen – die Frage des „Wie“ ist allerdings zu klären.“ Die Erfahrung zeigt, dass das, was nichts kostet, keinen Wert hat, also vergeudet wird; von den Armen ist also ein „angemessenes Entgelt“ zu verlangen, zumal auch deren tägliche Ernährung keineswegs kostenlos ist. Auf dem Lande ist die Einbeziehung der Bevölkerung (vorrangig der Frauen, die traditionsgemäß das Wasser für die Familie holten) in den Aufbau und die Unterhaltung der Wasserstellen hilfreich.

Die Privatisierung der Wasserdienstleistungen, die vielfach (und immer noch) auch im Rahmen der Entwicklungshilfe als Allheilmittel gegen Finanzknappheit empfohlen wird, geht oft schief, dann nämlich, wenn unzureichende Verträge vorliegen, keine staatliche Kontrolle stattfindet oder sich bestimmte Interessengruppen durchsetzen. „So erfährt Bolivien heute einen starken Trend der Gemeinden, die Versorgungen (wieder) zu übernehmen.“ In den Städten erscheint es staatlichen oder kommunalen Politikern das Bequemste zu sein, Wasserversorgung und Abwasserwesen völlig an einen privaten Investor (meist französische Firmen) zu verkaufen; das Geld bleibt dabei nicht im Unternehmen, sondern fließt in öffentliche oder andere (dunkle) Kanäle. Anschließend fühlt sich niemand von der politischen Seite mehr verantwortlich mit der Folge, dass die Leistungen (Wasserrechnungen) nicht bezahlt werden, dementsprechend der Investor seine Investitionen nicht finanzieren kann und die Kunden zunehmend den mangelhaften Service beklagen. Eine Reihe solcher Verträge sind in den letzten Jahren neu verhandelt oder sogar rück-abgewickelt worden (z.B. in Buenos Aires und Jakarta).

Diese Beispiele sind allerdings kein Argument gegen eine Beteiligung des privaten Sektors, auf dessen finanzielles Engagement in den Entwicklungsländern nicht verzichtet werden kann. Wenn ordentliche Verträge geschlossen werden, die Verantwortungen und Pflichten sowie Kontrollen korrekt festgelegt und beachtet werden, „spielt privat oder öffentlich keine Rolle, wenn eine gute Steuerung vorliegt (good governance). Die Anti-Privatisierungsrhetorik hat keinen extra Tropfen Wasser geliefert.“

Rouse plädiert dafür, die Erfolge langfristig anzustreben, ein Ergebnis seiner Erfahrungen. „Wenn wir unmittelbar auf die (universelle) Umsetzung der WHO-Richtlinien lossteuerten, würden wir scheitern; wir müssen Schritt für Schritt vorgehen. Das wichtigste Ziel ist zuerst, dass das Wasser frei von pathogenen Organismen und toxisch wirkenden Chemikalien ist. Die WHO-Qualitätsstandards in kurzer Zeit zu erreichen, ist sehr aufwändig. Es ist leicht für ein Land, die WHO-Richtlinien vorzuschreiben; wenn man sie dann aber nicht erreicht, erzeugt man nur den Eindruck des Versagens in der Öffentlichkeit. Mit dem Setzen von Zwischenzielen bleibt eine ständige Herausforderung bestehen und die Akteure haben eher das Erfolgserlebnis, diese zu erreichen. Wenn auf diesem Wege die Fallzahlen von Durchfall-Erkrankungen dramatisch sinken, ist dies ein großer Fortschritt.“

Rouse verweist auf die erfolgreiche Arbeit der IWA-Programme „Städte der Zukunft“ (Cities of the Future) und „Städtisches Abwasserwesen“ (Urban Sanitation) und mahnt, beizeiten an die Planung künftiger Netze heranzugehen, besonders für die größeren Städte, die künftigen Mega-Cities.

Eine kritische Einschränkung sei dem Rezensenten erlaubt: M. Rouse geht in seinem Buch von dem System der privatisierten Wasser- und Abwasserunternehmen in England und Wales aus, wofür eine detaillierte staatliche Steuerung von Investitionen und Preisen mit hohem bürokratischen Aufwand etabliert wurde. Ein solches System der Regulierung mag für die Wasserwirtschaft der dritten Welt gewisse Vorteile bedeuten. Deutschland setzt demgegenüber auf das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden und die Selbstverwaltung des Wassersektors durch die technischen Regelwerke (DIN, DVGW, DWA, BGV[1] etc.), was sich hinsichtlich des international anerkannten Stands von Sicherheit und Qualität des Sektors in Deutschland bewährt hat – allerdings auch nicht auf England übertragbar wäre.

Irina Bokova, Generaldirectorin der UNESCO: „Es gibt genug Wasser auf der Welt für Jedermann. Was uns weiterhin mangelt, ist bessere Steuerung und der gemeinsame Mut, faire Kompromisse umzusetzen [Water for Life 2014].“

Strategien für eine globale Wasserwirtschaft

  • Zugang zum Wasser ist ein Menschenrecht – formuliert entsprechend der Deklaration   der Menschenrechte: All human beings have an inherent right to have access to water in quantities and of a quality necessary to meet their basic needs. This right shall be protected by law [Gleick 1999]. Diese Forderung schließt nicht das Recht auf kostenloses Wasser ein; Ziel ist der angemessene und sozial anlegbare Preis.
  • Stärkung des Einflusses der Vereinten Nationen, damit bereits im Planungszeitpunkt das Entstehen von internationalen Konflikten bei grenzüberschreitenden Gewässern vermieden wird (Türkei gegen Syrien und Irak, Golanhöhen zwischen Israel und Palästina, Wasserführung des Nil zwischen Sudan und Ägypten).
  • Eindämmung der Korruption. Sie ist Gift für alle Projekte der Infrastruktur.
  • Förderung nationaler Konzepte integrierten Wassermanagements. Wasserversorgung und Abwasserentsorgung gehören ins Zentrum von Armutsbekämpfung und Haushaltsplanung. Bei Verträgen mit privaten Investoren sind klare Ziele bezüglich des Wasserzugangs in Armenvierteln zu formulieren und einzufordern (Bußgelder, Vertragsstrafen).
  • Unabhängige Regulierungsbehörden sollen das Verhalten öffentlicher und privater Anbieter hinsichtlich Qualität des Service, Finanzierung, Preisen und Effizienz kontrollieren.
  • Neugestaltung von Wassergebühren und Subventionen. Vielfach genießen die Reichen in den Millionenstädten der Dritten Welt den Vorteil zentraler Wasserversorgung, die Armen kaufen beim Wasserträger. Pauschalpreise für den privaten Wasseranschluss subventionieren die privaten Anschlussnehmer zu Lasten der Armen (Beispiel aus Dhaka/Bangladesch). Subventionen müssen degressiv gestaltet werden und von Anfang an ein Verfallsdatum tragen. Ziel ist die Kostendeckung der Wasserdienstleistungen. Soziale Unterstützung für die arme Bevölkerung darf nicht über den Wasserpreis erfolgen.
  • Der ländliche Raum muss hohe Priorität erhalten; die Dezentralisierung der Wasserbewirtschaftung kann eine wichtige Rolle spielen. Dabei ist die ländliche Bevölkerung „mitzunehmen“; so z.B. können die Frauen, die traditionell für das Wasser in den Familien sorgen, am besten die Verantwortung über Betrieb und Instandhaltung von Brunnen und Latrinenanlagen übernehmen.
  • Neuausrichtung der internationalen Entwicklungshilfe: das Konzept „Virtuelles Wasser“ und „Wasser-Fußabdruck“ [Merkel 2010] ist hilfreich zur Bewertung, welche landwirtschaftlichen Produkte im Sinne der Nachhaltigkeit nach den in der betreffenden Region gegebenen sozialen und klimatischen Gegebenheiten zu bevorzugen sind. Es ist falsch, den Nahrungsmittelexport aus Ländern der Dritten Welt in die Industrieländer zu behindern. Globale Zusammenarbeit heißt ja, dass Produktionen möglichst dorthin verlagert werden, wo nach örtlichen Ressourcen – Arbeitskräfte, Klima, Landesstruktur – am meisten wirtschaftlicher und sozialer Mehrwert entsteht.

 

Literaturverweise

[UN-MDG 2000] = Millennium Entwicklungsziele, Regionales Informationszentrum der Vereinten Nationen für Westeuropa, www.unric.org/, April 2014

[UNDP 2014] =  United Nations Development Programme: www.undp.org/content/undp/ en/home/librarypage/hdr/human-development-report-2006/, April 2014

[WHO 2013] = Millennium Development Goals (MDGs): http://www.who.int/mediacentre/ factsheets/fs290/en/,  updated October 2013

[Blue Planet 2014] = http://www.blueplanetproject.net/, April 2014 

[Wasser ein Menschenrecht 2000] =  http://www.un.org/depts/german/gv-64/band3/a64-49vol3.pdf, April 2014

[Deutsche Welle 2014] = www.dw.de/un-machen-trinkwasser-zum menschenrecht/a-5846769,             April 2014

[IWA Yearbook 2013] =  IWA International Water Association, Yearbook 2013, IWA Publishing 2013

[Rouse 2013] = Rouse, M.: Institutional Governance and Regulation of Water Services, Second           Edition, IWA Publishing London 2013

[Water for Life 2014] = Irina Bokova, director general of UNESCO in: www.waterworld.com/articles/2014/

[Gleick 1999] = Gleick, P.:The Human Right to Water. Pacific Institute Oakland/CA USA. Water Policy 487-503 Elsevier Science Ltd. London 1999

[Merkel 2010] = Verantwortlicher Umgang mit dem Wasser. Vortrag Rotary Club Wiesbaden            27. 01. 2009



[1]  DIN Deutsches Institut für Normung, DVGW Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches, DWA Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall, BGV Berufsgenossenschaftliche Vorschriften für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz

Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Merkel ist Bauingenieur mit wasserwirtschaftlichem Schwerpunkt, Promotion 1971 an der RWTH Aachen zu einem Thema der Abwasserreinigung, über 26 Jahre Hauptgeschäftsführer des DVGW Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (dieser ist verantwortlich für die Technischen Regeln und Normen der öffentlichen Gas- und Wasserversorgung), Honorarprofessor für das Fach Wasserversorgung an der TU Darmstadt. (Geboren in Wiesbaden 1937, verheiratet, zwei Söhne und fünf Enkel).