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Hundert Highlights

Schatzkammer mit Gutenberg

Hundert Highlights - Schatzkammer mit Gutenberg
Coronelli-Globen, kunstvolle Bauten aus dem 17. Jahrhundert, sind Teil der Sammlung © Stadtbibliothek Trier

Trier lockt mit neuen kulturellen Höhepunkten

Michael Embach01.06.2016

Hundert Highlights lautet das Motto der neuen Schatzkammer in Trier. Zwei Jahre dauerten die Bauarbeiten. Das Spitzenstück, der Codex Egberti, gehört zum Weltdokumentenerbe der UNESCO, das Ada-Evangeliar, die „Trierer Apokalypse“ und die Gutenberg-Bibel zählen zum kulturellen Erbe von Mittelalter und Früher Neuzeit. Natürlich hat die neue Schatzkammer der Stadtbibliothek mehr zu bieten als „100 Highlights“. Sie stehen stellvertretend für den herausragenden historischen Bestand der Trierer Sammlung. Etwa 3000 Handschriften aus dem Mittelalter und ebenso viele Drucke aus der Zeit Gutenbergs liegen in den Regalen der Trierer Stadtbibliothek.

Gegründet 1804, als die Stadt französisch war, entwickelte sich die Stadtbibliothek rasch zu einem gewaltigen Auffangbecken für die vielen aufgelösten Klosterbibliotheken der Region. Kostbare Handschriften und Drucke stammen aus den örtlichen Benediktinerabteien St. Maximin und St. Matthias, aus den Klöstern Echternach, Eberhardsklausen, Himmerod und Prüm sowie aus verschiedenen Abteien in Lothringen und Belgien. Damit repräsentiert die Schatzkammer zugleich einen sehr bedeutenden Teil der kulturellen Hinterlassenschaft der Großregion Saar-Lor-Lux.

Handschriften zum mitnehmen
Die neue Konzeptionierung der rund 360 Quadratmeter großen Fläche betraf neben Inhalten und Architektur die Bereiche Sicherheits-, Klima- und Lichttechnik sowie Mediendidaktik. Ein Schulungsraum, in dem bis zu 25 Personen Platz finden, und ein Medienraum mit einem Multitouchetable runden das Angebot ab. Mit dem Multitouchtable können die Besucher durch die mittelalterlichen Handschriften blättern. Zudem haben die Besucher die Möglichkeit, den Audioguide auf das eigene Smartphone herunterzuladen - in Deutsch, Englisch, Französisch oder Niederländisch. So können sie die Begegnung mit den kostbaren Originalen in voller Muße zuhause noch einmal Revue passieren lassen. Letztlich erleichtern eigene Programme Kindern und Jugendlichen den Zugang zu den Schätzen, wenn sie diese im Kreis der Familie bestaunen können. Dass im Zuge der Bauarbeiten die gängigen Standards in puncto Inklusion und Behindertengerechtigkeit erfüllt wurden, bedarf im Grunde genommen keine Erwähnung.

Zur Finanzierung der ambitionierten Maßnahme nutzte die Stadtbibliothek rund 600.000 Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Für weitere Maßnahmen im Umfeld der Schatzkammer kamen die Stadt Trier und das Land Rheinland-Pfalz auf. Diese Kosten beliefen sich auf noch einmal circa 1,2 Millionen Euro. Die Trierer hoffen, dass das neue Haus schon bald Bestandteil der städtischen Kulturtopographie wird, die sich mit bedeutenden Museen, eindrucksvollen Baudenkmälern aus der Antike sowie architektonischen Zeugnissen aus den Epochen der Gotik, des Barock und des Klassizismus ein hohes Maß an Akzeptanz und Zustimmung unter Einwohnern und Gästen erworben hat.

Ältester Bildzyklus mit Jesus
Der nach dem Trierer Erzbischof Egbert (977-993) benannte Codex Egberti gehört zu den bedeutendsten Kunstwerken aus der Zeit um 1000. Die in Trier und auf der Bodensee-Insel Reichenau entstandene Handschrift repräsentiert den ältesten und umfangreichsten Bildzyklus zum Leben Jesu in einem Buch. Die Begleittexte enthalten die im Gottesdienst zu lesenden Auszüge aus den Evangelien.

Der Malstil des Codex Egberti wirkt stark antikisierend. Die Kleidung der Personen und die Zeichnung der Architektur weisen deutliche Nachklänge der römischen Kunst und Kultur auf. Wichtigster Maler der Handschrift war der nur mit seinem Notnamen bekannte Gregormeister. Er gilt als das große Malergenie des 10. Jahrhunderts und wird in seiner Bedeutung mit Michelangelo verglichen. Experten nehmen an, dass der Codex Egberti zum persönlichen Gebrauch von Erzbischof Egbert geschaffen und in der Mess-feier im Dom eingesetzt wurde. Hierauf deuten das Dedikationsbild, also die gemalte Widmung, mit Erzbischof Egbert und die Betonung des Apostels Petrus hin. Petrus ist der Patron der Stadt Trier und des Doms dort. Vermutlich im 14. Jahrhundert gelangte die Handschrift in das Trierer Stift St. Paulin. Am 14. März 1810 übergab der ehemalige Pauliner Stiftsherr Johann Wilhelm Goetten (1770-1851) den Kodex an die Trierer Stadtbibliothek.

In Gold geschrieben
Das Ada-Evangeliar ist um 795/810 in Aachen entstanden. Es ist nach einer vorgeblichen Schwester Karls des Großen benannt. Der ganz in Gold geschriebene, kunstvoll illuminierte Kodex gilt als das Hauptwerk und die Leithandschrift der Hofschule Kaiser Karls des Großen. Im Jahre 1499 ließ der Maximiner Abt Otto von Elten einen neuen Einband für die prachtvolle, mit bedeutenden Evangelistenporträts ausgestatte Handschrift anfertigen.

Im Zentrum des Einbands erscheint ein spätrömischer Kameo aus der Zeit um 325. Er zeigt die Familie Kaiser Konstantins mit dessen Mutter Helena an der Spitze. Vermutlich wurde der Stein bereits im ersten Einband verwendet. In den äußeren Eckfeldern sind von links oben im Uhrzeigersinn zu sehen der Apostel Johannes als Patron der Abtei St. Maximin, Bischof Agritius (mit Reliquienkästchen), Bischof Nicetius und Bischof Maximin.

Die drei Trierer Bischöfe sollen in der Abtei St. Maximin bestattet sein, zu deren wertvollsten Besitztümern 1000 Jahre lang das Ada-Evangeliar gehörte. In den inneren Rechtecken sind die vier Evangelisten mit ihren jeweiligen Symbolen in anthropomorphisierter Gestalt dargestellt: oben Johannes (Adler), links Lukas (Stier), unten Matthäus (Mensch) und rechts Markus (Löwe). Der reichhaltig mit Kupfer, Gold und Steinfluss ausgestatte Deckel stammt vermutlich aus der Werkstatt des Trierer Goldschmiedes Heinrich Wolff.

Mann des Jahrtausends
Die Trierer Apokalypse, die karolingische Handschrift, entstand um 800, vermutlich in Nord- oder Mittelfrankreich. Sie enthält den ältesten und umfangreichsten Bildzyklus zur Geheimen Offenbarung des Johannes, dem letzten Buch des Neuen Testaments. Die Stilhaltung der Miniaturen deutet darauf hin, dass eine handschriftliche Vorlage verwendet wurde, die noch einmal etwa 300 Jahre älter ist als die Trierer Apokalypse.

Sie hat sich erhalten. Insofern nimmt sie eine Art Brückenfunktion ein. Sie zeigt, wie die Bibel im frühen Christentum und in der späten Antike illustriert wurde. Die Handschrift ist als Dokument christlich geprägter Antikenrezeption sowie als Ausdruck kontinentaleuropäischer Kunstauffassung im frühen Mittelalter in gleicher Weise von unersetzlicher Bedeutung. Die Trierer Stadtbibliothek besitzt den ersten Band von insgesamt zwei Bänden der berühmten Gutenberg-Bibel. Gutenberg, der „Mann des Jahrtausends“, war von Hause aus Goldschmied. Um das unübertroffen gleichmäßige und schöne Schriftbild seiner Bibel zu entwickeln, schuf er ungefähr 290 Buchstaben und Zeichen, die er so geschickt miteinander verband, dass ein völlig regelmäßiges Layout entstand.

Insgesamt wurden etwa 180 Exemplare der Bibel gedruckt, davon 30 auf Pergament. Heute existieren weltweit noch 49 Exemplare, inklusive der Stücke, die nur noch in einem Band oder als Fragment vorliegen. Das Trierer Exemplar stammt vermutlich aus dem Stift St. Simeon. Im Jahre 1803 gelangte es durch Johann Hugo Wyttenbach, den ersten Leiter der Trierer Stadtbibliothek, in das Eigentum der Stadtbibliothek.

Weiter Exponate, die jetzt zu besichtigen sind, erschließen althochdeutsche Zauberformeln und Segenssprüche aus dem frühen Mittelalter, hebräische und aramäische Einbandfragmente in einzigartiger Überlieferung, kommentierte und glossierte Rechtstexte in der Tradition der oberitalienischen Humanistenstädte sowie seltene Schriften aus dem Bereich der mittellateinischen Literatur.

Die beiden frei im Raum stehenden Coronelli-Globen schaffen einen Zugang zur Sicht der Welt und des Himmels im ausgehenden 17. Jahrhundert.

Michael Embach
Prof. Dr. Michael Embach (RC Trier) leitet seit 2007 die Stadtbibliothek und das Stadtarchiv in Trier. Zuvor war er Bibliotheksdirektor des Bischöflichen Priester­seminars in Trier. www.stadtbibliothek-weberbach.de