https://rotary.de/wirtschaft/wirtschaftswende-jetzt-a-24957.html
Titelthema

Wirtschaftswende jetzt!

Titelthema - Wirtschaftswende jetzt!
© Illustration: Skizzomat/Marie Emmermann

Wir müssen endlich all die Probleme unseres Standortes an der Wurzel packen, ansonsten werden wir an ihnen ersticken.

Marie-Christine Ostermann01.03.2025

Firmenchefs auf der Straße mit Protestplakaten in der Hand. So ein Bild gibt es eigentlich nie zu sehen. Am Wirtschaftswarntag, wenige Wochen vor der Wahl, war es aber doch so weit. Erstmalig in der bundesdeutschen Geschichte versammelte sich ein 140 Verbände umfassendes Bündnis von Unternehmern vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Geeint für ein gemeinsames Ziel: die Rettung unseres Wirtschaftsstandortes. Mehrere Tausend Unternehmer forderten die wirtschaftspolitische Kehrtwende. Zeitgleich demonstrierten Unternehmer auch in Hamburg, Stuttgart und München und bundesweit an ihren Werkstoren. Denn durch mangelhafte Wirtschaftspolitik hat Deutschland in den vergangenen Jahren als Standort massiv an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Nur ein Land mit starker Wirtschaftskraft aber kann Wohlstand erarbeiten und gleichzeitig Hilfe für andere Völker und notleidende Menschen leisten.


Hören Sie hier den Artikel als Audio!

Einfach anklicken, auswählen und anhören!


Nicht jedem Bürger scheint der Zusammenhang allerdings klar zu sein, dass bei schwacher Wirtschaft nicht allein unser aller Wohlstand auf dem Spiel steht. Anders ist kaum eine der an die AfD gegebenen Stimmen bei der Bundestagswahl zu erklären. Auf die neue Bundesregierung kommt es nun an, unseren über Jahre langsam vom Kurs abgekommenen und zum Schluss ziemlich steil in den Graben gesteuerten Wirtschaftsstandort endlich wieder flottzumachen.

Rentensstem kollabiert

Seit zwei Jahren schrumpft unsere Wirtschaft dramatisch. Sämtliche Daten bewegen sich im roten Bereich. Wir sehen kaum noch Erweiterungsinvestitionen, selbst mit Erhaltungsinvestitionen halten sich Unternehmen zurück. Tag für Tag müssen Unternehmer Insolvenz anmelden, andere verlagern vorsorglich ihre Produktion ins günstigere Ausland. Immer mehr Firmen kündigen Mitarbeitern, weil sie nicht einmal mehr genug Geld für die Personalkosten erwirtschaften können. Von Gewinnen ganz zu schweigen.

Die Krux dabei: Alle anderen Industrieländer wachsen, während Deutschland an der Substanz erodiert. Das zeigt: Unsere miserable Wirtschaftslage ist größtenteils hausgemacht und das Ergebnis schlechter Wirtschaftspolitik. Verantwortlich dafür ist zwar nicht allein die alte Ampel-Regierung. Schon seit Jahren gerät der Standort im internationalen Vergleich immer weiter ins Hintertreffen. In den vergangenen drei Jahren aber sind wir regelrecht abgestürzt. Deutschland als Standort ist mittlerweile viel zu teuer, fast sämtliche Standortfaktoren sind miserabel.

Die Talfahrt Deutschlands muss schnellstens ein Ende haben. Wir erwarten von der neuen Regierung eine kluge, schnell wirksame und verlässliche Wirtschaftspolitik. Die neue Regierung muss die strukturellen Nachteile des Standortes schleunigst auflösen. Denn fehlende Wettbewerbsfähigkeit kostet Jobs. In der Phase der sich in die Rente verabschiedenden Babyboomer aber ist eine steigende Arbeitslosigkeit fatal, denn mit jedem zusätzlichen Arbeitslosen verlieren wir einen Einzahler in die Rentenkasse. Es sind schließlich die Arbeitnehmer und wir Unternehmer, die mit unseren gemeinsamen Beiträgen die Renten finanzieren. So jedenfalls ist dieses System eigentlich gedacht. Das aber reicht schon seit Jahren nicht aus, obwohl unseren Arbeitnehmern immer höhere Rentenbeiträge vom Lohn abgezogen werden.

Keine Politik auf Pump!

Um die immer weiter klaffende Lücke zu schließen, nimmt jede Bundesregierung jedes Jahr Schulden auf und subventioniert damit die Rentenkasse. Inzwischen kostet dies bereits ein Fünftel des Bundeshaushalts. Ein Fünftel! Aus dieser Schuldenfalle müssen wir raus. Wir brauchen Strukturen, um möglichst jeden, der kann, in Lohn und Arbeit zu bringen. Ansonsten wird unsere Wirtschaftskraft weiter schwinden. Zielführend wäre die Abschaffung der abschlagsfreien Rente mit 63. Sie kostet uns Steuerzahler nach Berechnungen der Rentenkasse 36 Milliarden Euro im Jahr. Stellen Sie sich beispielsweise einmal vor, wie viele Kin dergärten davon gebaut und wie viel mehr Mütter damit Vollzeit in ihre Jobs zurückkehren könnten. Es sind nicht nur Zigtausende Fachkräfte, die verloren gehen, es ist insgesamt eine Verschwendung an wertvollstem Fachwissen, das uns keine KI mal so eben ersetzen kann.

Dass das Geld für jede Rentenzahlung und die meisten Staatsausgaben erst durch die Unternehmen mit ihren Mitarbeitern verdient werden muss, wird in den aktuellen Diskussionen gerne vergessen. Um das weiterhin leisten zu können, brauchen wir Strukturreformen, damit Unternehmen investieren und wachsen können, damit Start-ups sich in Deutschland ansiedeln und Arbeitsplätze bei uns schaffen. Damit Talente hier Unternehmen gründen, statt ins Ausland abzuwandern.

Deutschland muss wieder zum Gründerland werden. In einer strukturellen Krise wie dieser, in der nahezu der gesamte Wirtschaftsstandort nicht mehr wettbewerbsfähig ist, müssen wir die großen vom Staat vorgegebenen Kostenblöcke in den Unternehmen – wie Steuern, Energie oder Lohnzusatzkosten – radikal mindestens auf den europäischen Durchschnitt senken. Eine strukturelle Wirtschaftskrise bekämpft man nicht mit Subventionen, nicht mit ungedeckten Rentenversprechen und erst recht nicht überbordender Bürokratie und damit mit noch mehr Beamten, die keinen Cent in die Rentenkassen und selten ins gesetzliche Gesundheitssystem einzahlen.

Der Staat hat sich in den letzten fast 20 Jahren mit einer bevormundenden Vollkaskomentalität für alle Lebensrisiken gehörig übernommen und seine Kernaufgaben dabei sträflich vernachlässigt. Wir Unternehmer brauchen nicht viel mehr als gute, stabile Rahmenbedingungen und Verlässlichkeit. Dann nimmt der Staat über Bund, Länder und Kommunen auch genug Steuern ein. Wer hingegen eher die Schuldenbremse beseitigen will, wagt sich nicht an die eigentlichen Probleme ran, sondern will lieber bequem auf Pump ein paar Jahre einfache Politik erkaufen. Damit muss Schluss sein. Es gilt jetzt, all die Probleme unseres Standortes an der Wurzel zu packen, ansonsten werden wir an ihnen ersticken.

Marie-Christine Ostermann

Marie-Christine Ostermann führt seit rund 20 Jahren das Familienunternehmen Rullko, das ihre Urgroßeltern vor mehr als 100 Jahren gegründet hatten. Sie ist Präsidentin des Wirtschaftsverbands „Die Familienunternehmer“.