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Berka vor dem Hainich

14-jähriges Engagement für Rokokokirche

Fritz Heidböhmer11.12.2012

Berka vor dem Hainich ist ein kleiner Ort mit rund 850 Einwohnern, westlich des Nationalparks Hainich in Thüringen, unweit von Eisenach gelegen. Er besitzt eine 1752 erbaute Rokokokirche, die im thüringischen Raum eine Einmaligkeit darstellt und künstlerisch reich ausgestattet ist. In der Vergangenheit, insbesondere zur Zeit des DDR-Regimes, fehlte es an Materialien und an finanziellen Mitteln, um das Erbe zu pflegen, sodass zwei Skulpturen, eine Pietà und eine Anna Selbdritt, in ein Kunstgutdepot nach Apolda ausgelagert werden mussten, um sie vor Witterungsschäden zu bewahren. Ulrich Gallenkamp (RC Lüdenscheid) griff 1999 als incoming Präsident bei der Suche nach einem Clubprojekt für sein Jahr im Dezember 1997 eine Empfehlung des Rotary Magazins auf, Mittel für die dringend erforderliche Restaurierung von Kunstwerken in den Neuen Bundesländern zur Verfügung zu stellen. Die Wahl fiel auf die beiden Berkaer-Skulpturen. Ihre Res­taurierung erfolgte bewusst in Potsdam, um auch durch diesen Auftrag die örtliche wirtschaftliche Entwicklung zu unterstützen. Die Berkaer konnten im Beisein zahlreicher Lüdenscheider Rotarier am 2. April 2000 in einem bewegenden Gottesdienst die lange entbehrten Kunstwerke wieder in Empfang nehmen.

In die Freude über den gelungenen Abschluss des Clubprojekts mischte sich bei den Gästen mehr und mehr Betroffenheit über den katastrophalen Zustand des Kirchengebäudes, dessen Sanierung nicht auf die lange Bank geschoben werden konnte. Die Lüdenscheider Gäste begannen sich zu fragen, ob und wie man der Gemeinde bei der Lösung der Probleme helfen könnte. Gegen alle Bedenken, die sich vor allem aus dem Umfang des Projekts ergaben, setzte sich zuletzt der Wille zu helfen durch. Der warmherzige Empfang in Berka und die große Dankbarkeit spielten dabei eine große Rolle. Zehn Freunde aus dem Club waren bereit, Ulrich Gallenkamp zu helfen. Vor allem aber die unermüdliche Einsatzbereitschaft Ulrich Gallenkamps und seine Fähigkeit, Menschen, die beim Gelingen des Projekts dienlich sein konnten, zu begeistern, waren entscheidend für den Erfolg. Namhafte Politiker und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens im thüringischen Raum konnten als Schirmherren gewonnen werden. Unzählige Briefe, Telefonate, Anträge und Besuche waren zu leisten – nicht immer erfolgreich. Immer neue Ideen wurden entwickelt. Hier nur einige Beispiele: Über 100 Bilder wurden im Auktionshaus Van Ham in Köln versteigert, die von bedeutenden Künstlern wie Sigmar Polke, Günther Uecker, Heinz Mack oder Günter Grass gespendet worden waren. Gunter Emmerlich gab ein Benefizkonzert, und der weltweit bekannte Organist Felix Hell ein Orgelkonzert, dessen Mitschnitt auf einer CD erworben werden kann.

Einige der geschilderten Aktionen konnten nur deshalb so erfolgreich verlaufen, weil der RC Lüdenscheid in seinen Bemühungen durch andere Serviceclubs selbstlos unterstützt wurde. Hier seien der Rotary und der Lions Club Eisenach oder die Lions Clubs aus Köln und Dresden genannt. Es unterstreicht, dass ohne bürokratischen Aufwand beide Serviceorganisationen im Umsetzen des gemeinsamen Grundgedankens „Service Above Self“ Großes erreichen können.

Die erzielten Beträge wurden als Eigenmittel so eingesetzt, dass man zusätzlich an Geld aus öffentlichen Töpfen und Stiftungen zum Beispiel der Deutschen Stiftung Denkmalschutz herankam. Am Ende konnte der Förderverein rund eine Million Euro bereitstellen. Die jahrelange tätige Präsenz des RC Lüdenscheid in Thüringen, speziell in der Region um Eisenach, die sich nicht nur auf die Restaurierung der Kirche bezieht, sondern auch Dorfprojekte (z.?B. Hilfe für den Kindergarten) einschließt, hat die Bekanntheit und das Ansehen von Rotary in den neuen Bundesländern gefördert und gibt dem Namen Rotary einen positiv besetzten Klang. Die Rettung ostdeutschen Kulturgutes vor dem Verfall wurde auch überregional dankbar registriert.

Als am 4. November mit einem feierlichen Gottesdienst in Anwesenheit der thüringischen Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht der Schlusspunkt unter das Clubprojekt gesetzt wurde, hatten alle Beteiligten Grund zur Freude: Eine kirchliche und damit auch eine politische Gemeinde können wieder in Einklang mit ihrer Tradition leben. Sie haben nicht zuletzt durch zahlreiche eigene Aktivitäten vor Ort zu ihrer Identität und zum Glauben an eine gemeinsame Zukunft zurückgefunden. Ein kostbares kulturgeschichtliches Denkmal ist vor dem Verfall und Vergessen bewahrt worden. Viele Besuche hin und her zwischen Lüdenscheid und Berka bezeugen es – hier ist zusammengewachsen, was zusammengehört. Vorurteile zwischen Ost und West wurden abgebaut. Die neu entstandenen menschlichen Verbindungen wurden von beiden Seiten als hoch befriedigend und wesentlich empfunden. Letztlich hat sich das 14-jährige Engagement des Clubs auch sehr positiv auf das eigene Clubleben ausgewirkt.