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70plus lässt sich nicht stoppen

Distrikt - 70plus lässt sich nicht stoppen
Ein Foto das berührt: Das Desinfektionsmittel ist auf der Entbindungsstation von Odessa angekommen. © Rotary Club Rehburg-Loccum am Kloster

Friedel Stratmann und Siegfried Hein saßen beim ersten rotarischen Hilfstransport des RC Rehburg-Loccum am Kloster am Steuer.

14.03.2022

Je oller, je doller? Ja, aber mit Verstand, mit Ausdauer und Mut – und dem unbedingten Willen zu helfen. Siegfried Hein und Friedel Stratmann, beide jenseits der 70, haben gezeigt, was sie zu leisten in der Lage sind: auf einer 5000-Kilometer-Tour an die moldawisch-ukrainische Grenze und zurück. Vielleicht ist das Smartphone nicht ihr Lieblingswerkzeug. Dafür können sie gedruckte Landkarten lesen, sich am Sonnenstand orientieren und Landschaftsmerkmale im Hinterkopf behalten. Marius Rasnita, der unter anderem rumänisch spricht, und die ukrainischen Sprachkenntnisse von Volodimyr Chipenko ebneten dem motorisierten Quartett den Weg. 

Trotz etlicher Probleme konnten sie ihren Hilfstransport für Menschen im Kriegsgebiet erfolgreich abgeschließen. Nach fünf Tagen waren sie zurück, in der Steyerberger Voigtei  – erschöpft aber um eine einmalige Erfahrung reicher. Die Tour mit dem Fünftonner hat denn einiges an Kraft und Nerven gekostet. Sie sind ja schließlich nicht mehr die Jüngsten... Dafür wirken Bilder aus Odessa belebend. Das Rehburger Desinfektionsmittel für die Geburtsstation am Schwarzen Meer ist inzwischen übergeben worden. So ein Foto, wenn auch nur in geringer Auflösung, entschädigt für Strapazen. 

"War ja eigentlich ein kostenloser Urlaub"

„Was soll ich jammern? War ja eigentlich ein kostenloser Urlaub.“ Friedel Stratmann hat seinen urwüchsigen Humor nicht verloren. Auch, wenn es auf der Fahrt Situationen gab, da wäre er am liebsten rausgesprungen aus dem Fahrerhaus des Kleintransporters. Nicht, um aufzugeben, das Fahrzeug stehen zu lassen und irgendwie zurück nach Hause zu kommen; nein, um auszusteigen und dem teils extrem widerspenstigen Personal an Grenzübergängen und Zollstationen einfach mal den Marsch zu blasen. „Hätte ja aber nichts genutzt. Das hätte ja eh' keiner verstanden.“

Und so sind Stratmann, Hein, Rasnita und Chipenko ruhig geblieben: beim Stau an der rumänisch-moldawischen Grenze (vier Stunden), bei Kontrollen und Zollabfertigungen, schließlich bei der Ansage moldawischer Grenzer, die beiden müssten zur Übergabe der Hilfsgüter einen anderen Grenzübergang ansteuern. Runde zwölf Stunden haben sie in der Summe auf Erlaubnisse zur Weiterfahrt und schließlich zum Verladen ihrer Waren gewartet.

Manches sei reine Schikane gewesen, mutmaßen die beiden Männer aus Voigtei. Die Fahrt zum anderen Übergabepunkt habe einen Umweg von rund 500 Kilometern zur Folge gehabt. Über Straßen, die vielfach kaum als solche bezeichnet werden könnten. Und auf einer Reise durch gänzlich unbekannte Regionen, durch ein Land am Rande Europas. „Die Menschen sind arm“, sagt Siegfried Hein, „da sieht man noch Pferdefuhrwerke in den Dörfern.“ Andererseits führen allerdings auch vereinzelt Luxuskarossen durch die Gegend. Die Kluft zwischen Arm und Reich sei extrem.

Erster Hilfskonvoi mit drei Fahrzeugen

Stratmann und Hein haben eines von drei Fahrzeugen in einem ersten Hilfskonvoi des Rotary Clubs Rehburg-Loccum am Kloster gefahren, die das Landwirts-Ehepaar Inna und Lars Henke auf die Reise geschickt hat. Inna Henke ist in der Ukraine geboren, sie stammt aus der Nähe der bekannten Hafenstadt Odessa. Dort wurden die Hilfsgüter sehnlichst erwartet, dort werden sie von zuverlässigen Organisationen verteilt.

Haltbare Lebensmittel und Hygieneartikel werden weiterhin benötigt. Henkes haben zahlreiche Helfer. Ina Plinke und Tjark Ommen vom Rotary Club Nienburg-Neustadt packten ebenfalls schon fleißig mit an.

In der Lagerhalle in Steyerberg wird auch zukünftig sortiert, fachgerecht abgepackt und mehrsprachig beschriftet. Die Spendenbereitschaft ist weiterhin groß: Seit 11. März ist jetzt sogar ein 40-Tonner mit fast 700 Paketen unterwegs Richtung Moldawien. Der Weg über Österreich, Ungarn, Rumänien und Moldawien ist deutlich weiter als die direkte Verbindung Richtung Osten durch Polen, aber nur so sind Hilfslieferungen in die Region Odessa noch möglich.

Schlaf war kaum möglich – nur dösen

Zurück zu den beiden „Urlaubern“ Stratmann und Hein. „Abenteuer-Urlaub“ treffe es noch besser, sagen sie. Die ersten 60 Stunden sind sie durchgefahren – abwechselnd, versteht sich. Schlaf war kaum möglich im engen Fahrzeug, nur „mal ein wenig Dösen“. Die Heimfahrt war dann schon angenehmer, eine Hotelübernachtung inklusive. Wann haben sie wieder durchgeatmet - in Österreich? „Nein, schon in Rumänien“, sagt Stratmann, „da konnten wir von ausgehen, wieder gesund nach Hause zu kommen.“

2022, RC Rehburg-Loccum am Kloster, Ukraine

Wieder daheim: Friedrich „Friedel“ Stratmann (links) und Siegfried Hein mit Organisatorin Inna Henke © Rotary Club Rehburg-Loccum am Kloster

In der Nacht zum 9. März sind alle vier Fahrer wieder zu Hause angekommen. Am Vormittag lieferten sie ihre Transporter am Umschlagplatz ab. Inna Henke nahm alle freudestrahlend in Empfang. Acht Helfer, die bereits den nächsten Transport vorbereiteten, feierten die Heimkehrer. Rasnita und Chipenko stehen für weitere Touren zur Verfügung. Auch 70plus war nicht zu stoppen, legt jetzt aber eine Pause ein. Denn es wird weiter gesammelt.

"Wir stehen im Kontakt mit GIZ in Moldau, Round Table in Minden und Peine, Lions in Hamburg und natürlich dem RC Stolzenau und dem RC Nienburg-Neustadt. Übrigens sind auch Teenager beim Packen dabei. Wir danken den Schulbesuchenden, die besonders praktische Sachen spendiert haben", sagt Lars Henke. Sogar Schülerinnen der KGS Wilhelm-Röpke aus Schwarmstedt kamen zum Packen nach Steyerberg. 

Dirk von Werder