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Lauterbach-Schlitz

Auf einander zugehen, um zu lernen

Lauterbach-Schlitz - Auf einander zugehen, um zu lernen
Bei einer Baumpflanzaktion: von links Vorsitzender vom Klimafairein Dr. Thorsten Reichel mit den Rotariern Mark Philippi, Norbert Jäger und Cengiz Kahraman (alle RC Lauterbach-Schlitz) © Cengiz Kahraman (2)

Cengiz Kahraman sagt, ihm konnte nichts Besseres passieren, als Rotarier zu werden. Im Interview mit Distriktreporter Claus Peter Müller von der Grün wirbt er für Offenheit und Freundschaft.

14.04.2021

Cengiz Kahraman, Sie sind Präsident des Rotary Clubs Lauterbach-Schlitz und das Motto Ihres Jahres lautet "Den Wandel gestalten – Integration". Warum?

Mein Vater kam 1965 aus der Türkei nach München, um bei der Post zu arbeiten und Geld zu verdienen. Wir als Familie kamen nach. Ich liebe München und die Herzlichkeit der Bayern, und wenn ich dort bin, verfalle ich ins Bayrische. Nach Lauterbach kam ich wegen der Liebe. Meine Frau und ich haben hier ein familiengeführtes Unternehmen mit etwa 120 Beschäftigten in der Gebäudereinigung aufgebaut. Unser Sohn ist nach der Banklehre und Studium ebenfalls eingestiegen, und unsere Tochter studiert in Kassel. Sie wird Lehrerin für Deutsch und Politik. In all den Jahren seit meiner Ankunft in Deutschland bin ich durch Erfahrung davon überzeugt, dass es wichtig ist, die Deutschen kennenlernen und mit ihnen zusammenleben zu wollen, wenn man hierherkommt.

Was integriert einen Menschen denn am besten in einer für ihn neuen Gesellschaft?

Der Sport, und vor allem Mannschaftssportarten wie der Fußball. Nach dem Spiel und dem Training bleibt man noch zusammen und spricht miteinander, nicht nur über das Spiel. Man lernt sich kennen, man schließt Freundschaft, man geht aufeinander zu, und es gibt keine Vorurteile mehr.

Kann auch Rotary einen Beitrag zur Integration leisten, es heißt ja schließlich Rotary International?

Ja, auf jeden Fall und in jeder Hinsicht. Wir als Club helfen zum Beispiel, indem wir Schulkindern eine Sprachförderung ermöglichen, darunter übrigens auch Kindern deutscher Herkunft. Wir haben für eine Schule ein Klavier gekauft, wir unterstützen die Betreuung krebskranker Kinder, aber wir haben auch schon einem Tierheim geholfen und pflanzen Bäume. Alle diese Hilfen leisten einen Beitrag, damit Menschen integriert werden in die Gesellschaft und mit anderen in Kontakt kommen oder bleiben.

Ist Integration eine Bereicherung für die Gesellschaft?

Ja, Deutschland profitiert überall im Alltag von der Integration. Achten wir doch einmal bewusst auf die Kulturen, um die Deutschland reicher geworden ist, auf die Sprachen, auf die Musik und auf die Gastronomie! Wozu machen wir Urlaub? Um andere Kulturen kennenzulernen. Wie viele Kulturen aber sind während der vergangenen Jahre zu uns gekommen und haben unser Leben vielfältiger gemacht.

Profitiert Deutschland auch wirtschaftlich von Zuwanderung und Integration?

Das will ich meinen. Wir als Familie sind fleißig. Schon als Kind habe ich neben der Schule auf dem Markt Gemüse verkauft, und ich bin putzen gegangen, um das Familieneinkommen aufzubessern.  Später als Feinmechaniker und Maschinenführer in einem Unternehmen reichten mir acht Stunden Arbeit am Tag nicht aus, und ich habe mich selbständig gemacht. Als die Flüchtlinge kamen, habe ich einige von ihnen eingestellt, denn bei uns in Deutschland fehlen Arbeitskräfte - ob Fachleute in der IT-Branche oder als Hilfsarbeiter.

Wann haben Sie sich selbständig gemacht?

Das war 2003, ich war 32 Jahre alt. In München hatte ich Fußball gespielt, ziemlich gut sogar. Mein Manager damals war Gebäudereiniger. Ich wusste, wie wichtig und vielfältig diese unternehmerische Herausforderung war. Ich habe neben meiner Arbeit als Angestellter angefangen mit der Gebäudereinigung, und ich habe den Bedarf erkannt, der ungestillt vorhanden war. Dann habe ich losgelegt, und heute habe ich 120 Leute und Kunden in einem immer weiter gewachsenen Radius.

Braucht es Mut, um zuzuwandern und sich selbständig zu machen?

Mut? Es ist mehr die Lust, arbeiten, etwas leisten und gestalten zu wollen. Und meine Kunden haben mich beeindruckt. Sie sagten: Wir wollen einem Lauterbacher, der sich zu unserer Gemeinschaft in unserer Stadt bekennt, den Auftrag geben.

Wünschen Sie sich mehr Offenheit bei Rotary?

Rotary ist grundsätzlich Offenheit. Aber leben die Freunde im Club auch diese Offenheit? Gehen wir überall auf die Menschen zu, die Beispiel geben und gesellschaftlich anerkannt sind – unabhängig von ihrer Herkunft? Man sollte sich trauen, auf die Menschen zuzugehen, ohne nach der Herkunft zu fragen. Da kann man vieles lernen, auch von den anderen Menschen. Mir konnte nichts Besseres passieren, als über Rotary Freunde kennenzulernen.

Das Gespräch führte Claus Peter Müller von der Grün.