Entscheidung gefallen
Enttäuschung: Keine Convention in Berlin

Eine deutsche Delegation hatte die Bewerbung von Berlin als Austragungsort der RI-Convention 2027 vorangetrieben – ohne Erfolg. Die Wahl fiel auf Dubai, und das sorgt für Diskussionen.
Eigentlich hatte der kommende RI-Präsident Francesco Arezzo während der Eröffnungsveranstaltung der Convention in Calgary an diesem Sonntag den Austragungsort der Convention 2027 verkünden sollen, und das sollte – ginge es nach dem Wunsch vieler deutscher Rotarier – Berlin sein. Denn im Jahr 2027 wird Rotary in Deutschland 100 Jahre alt, der erste Club war der RC Hamburg. Doch die Wahl im RI-Hauptquartier in Evanston fiel auf Dubai. Diese Information war vorab durchgesickert und wird nun emotional diskutiert.
Christine Büring, RI-Direktorin 2025-2027, Torsten Becker, Governor im Distrikt 1940 im Jahr 2026/27, und Mechthild Exner-Herforth, kommende Vorsitzende des Deutschen Governorrates, hatten unter großer Anstrengung und in kurzer Zeit ein Konzept erarbeitet und die Bewerbung formuliert. Es mussten die Locations gefunden, Geld von den Distrikten über die Governor eingeworben sowie das Budget und das Host Organization Committee (HOC) aufgestellt werden. Vom 15. bis zum 18. Mai waren Shannon Watson und Brad Howard von Rotary International zu Gast in Berlin, um sich ein Bild vom Konzept, von der Stadt und der Messe als Veranstaltungsort zu machen.
Ebenfalls im Rennen waren Barcelona, London und Dubai. Bald zeichnete sich ab, dass London den Zuschlag nicht bekommen würde, denn die eine Hälfte der Messe war bereits für eine andere Großveranstaltung reserviert. Nicht zuletzt wegen der hohen Temperaturen Anfang Juni galt Dubai als Außenseiter, weshalb man in Deutschland und Spanien sicher war, dass die Wahl zwischen Barcelona und Berlin fallen würde.
Kaum war die Information über die Entscheidung für Dubai an deutsche Entscheidungsträger herangetragen worden, schon machten wilde Spekulationen die Runde, etwa dass die Wahl gekauft worden sei. Christine Büring ist um Ausgleich bemüht. Einerseits sei sie enttäuscht, könne die Wahl aber auch nachvollziehen. Gegen Dubai habe neben den hohen Temperaturen gesprochen, dass nur wenige Tagesgäste zu erwarten seien, weil die Anreise dafür für die allermeisten Rotarier zu kompliziert sei. Das sei bei der jetzigen Convention in Calgary und nächstes Jahr in Taipeh anders – und Berlin hätte sicher auch mehr Tagesgäste angelockt, so Büring. Gegen Berlin hätten allerdings zwei handfeste Argumente gesprochen: Zum einen war der Hauptveranstaltungsort mit 8000 Teilnehmern zwar groß genug für zwei Eröffnungs- und Abschlussveranstaltungen, aber wenn sich nun mehr als 16.000 Teilnehmer angemeldet hätten – was wünschenswert und nicht abwegig wäre –, hätte es jeweils eine dritte Eröffnungs- und Abschlussveranstaltung geben müssen, was zeitlich und finanziell nicht zu stemmen gewesen wäre.
Denn natürlich geht es auch ums Geld: In den Richtlinien von Rotary International ist verankert, dass der Veranstaltungsort für RI kostenfrei sein muss. Da aber ein Veranstaltungsort dieser Größenordnung niemals kostenfrei sein kann, geht es in Wirklichkeit darum, das Defizit für die gastgebenden Distrikte finanzierbar zu halten. Und die Finanzierungslücke sei in Dubai mit 1,9 Millionen Euro schließlich doch signifikant kleiner gewesen als in Barcelona und erst recht in Berlin.

Torsten Becker reagierte mit Entsetzen und Enttäuschung auf die Entscheidung: "Wenn Rotary finanzielle und technische Erwägungen und einen Distrikt bevorzugt, der weniger Mitglieder hat als der Raum Berlin, einen Mitgliederverlust hat und auf zahlreiche Länder verteilt ist, die zum Teil mehr als 3000 Kilometer voneinander entfernt sind: Was haben wir bei der Bewerbung von Berlin falsch gemacht? Und es bleiben Fragen: Wie werden die geforderten 1000 Freiwilligen bereitgestellt? Wie ist Dubai mit Blick auf Nachhaltigkeit vertretbar? Wie passt die Temperatur zu den überwiegend älteren Teilnehmern? Wie weit passt sich Rotary weiter an eine nicht demokratische Diskussionskultur an?"
Becker beklagt weiter, dass einerseits innovative Ideen seitens Rotary International gewünscht seien, sich diese wohl aber auch in Zukunft nicht gegen finanzielle Erwägungen werden durchsetzen können. Rotary müsse sich die Frage stellen: "Will Rotary einen internationalen Austausch über viele Themen auf einer Convention, oder lieber eine finanziell abgesicherte Convention mit minimalen Teilnehmerzahlen ohne inhaltlichen Tiefgang?"

Christine Büring versteht seinen Ärger, widerspricht aber in Teilen: "Wir müssen nicht nur dorthin gehen, wo wir schon gut aufgestellt sind, sondern auch dorthin, wo es noch viel nachzuholen gibt. Dubai ist ein guter Ort für unsere indischen und afrikanischen Freunde." Und sie nimmt die Niederlage sportlich: "Wir haben gesehen, mit welcher Begeisterung wir Deutsche Gastgeber sein können und wollen. Wir haben nicht nur verloren, wir haben auch gewonnen. Jetzt müssen wir sehen, dass wir uns nicht entmutigen lassen, sondern die Energie mitnehmen in unsere Feierlichkeiten zu 100 Jahre Rotary in Deutschland. Wir haben alles freigelegt, was es für ein tolles Jubiläumsjahr braucht: tolle Menschen, tolle Orte und die Bereitschaft, richtig was zu bewegen. Darum sollten wir das Erreichte nicht zerreden."
Weitere Stimmen zur Convention-Vergabe an Dubai:
Volker Klassen, DG 1810 im Jahr 2025/26:

"Schade, dass es nicht Berlin wird. Wir hätten an dem Ort, an dem einst West und Ost getrennt waren, ein starkes Zeichen in die Welt aussenden können. Aber wenn man von außen draufschaut, ohne deutsche Brille, kann ich die Entscheidung schon nachvollziehen."
Ulli Kersting, DG 1842 im Jahr 2025/26 via LinkedIn:
"Je mehr ich mich in die Entscheidungen von Rotary International vertiefe, desto mehr bereiten mir manche Entscheidungen großes Unverständnis und Kopfzerbrechen! Wie kann man 1/4 der Rotary Clubs weltweit und 1/4 der Rotarier weltweit außer acht lassen und zehn Jahre lang keine Rotary Convention nach Europa vergeben? Und was ist mit unserem Schwerpunktthema Umwelt? Spielt der CO2-Fußabdruck bei Entscheidungen keine Rolle mehr?"

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