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RC Clubs Konstanz und Kreuzlingen

Rollstuhlgruppe aus Lemberg evakuiert

RC Clubs Konstanz und Kreuzlingen - Rollstuhlgruppe aus Lemberg evakuiert
Bei einem Benefizkonzert in Kreuzlingen (CH) wurden knapp 15.000 Euro für die Ukraine erlöst. Alexander Krichel, Pianist, Dorena Raggenbass, Präsidentin RC Kreuzlingen-Konstanz, Anna Kartini, Organisation, RC Kreuzlingen-Konstanz, und Andreas Görwitz, RC Konstanz-Rheintor (von links) © RC Kreuzlingen-Konstanz

Kann man mit russischer Kunst ein Benefizkonzert für die Ukraine bestreiten? Der Klaviervirtuose Alexander Krichel war anfangs selbst skeptisch. Doch das Experiment ist gelungen. Das Benefizkonzert in Kreuzlingen vor Geflüchteten aus Lemberg war ein eindrucksvolles Beispiel, wie man mit Kunst Brücken bauen kann.

20.05.2022

Normalerweise ist es das Publikum, das ergriffen im Konzertsaal sitzt. Beim Benefizkonzert, das der RC Kreuzlingen-Konstanz und der RC Kreuzlingen mit den drei Konstanzer Nachbarclubs organisiert hatte, ist der Künstler auf der Bühne bei seiner Ansprache den Tränen nahe, wie er nach dem Konzert gesteht.

Denn im Publikum sitzen vor ihm zehn Mitglieder der Selbsthilfegruppe "Open Hearts“ mit ihren Betreuern, eine Gruppe junger Menschen mit Behinderung aus Lemberg in der Ukraine. Durch die langjährige Unterstützung der beiden Kreuzlinger Clubs können sie monatliche Treffen, Weiterbildung und Ferienlager organisieren. Als der Krieg ausbrach, war schnell klar, dass man mit dem Rollstuhl den Bomben kaum entkommen kann. Deshalb ihr Notruf: "Wir müssen hier raus." Der Hilferuf kam an. Die Kreuzlinger Freunde setzten sich in einen Bus und fuhren in die Ukraine. Nach einer abenteuerlichen Evakuierungsaktion sind die Geflüchteten mittlerweile sicher in einer behindertengerechten Unterkunft untergekommen.

All diese Erlebnisse gehen Alexander Krichel durch den Kopf, als er bei seiner Einführung ins Publikum schaut. Der ukrainische Botschafter hat seinen Landsleuten zuvor per Videobotschaft Mut zugesprochen. Es ist für alle ziemlich bewegend.

Und das Konzert? Alexander Krichel spielt, wie es ihm die Kritiker immer wieder begeistert attestieren, mit einer unglaublichen Tiefe und Leidenschaft: Im ersten Teil George Enescus 2. Suite, die zu einem feurigen Tanz einlädt, dann mit impressionistischem Parfum bezaubert, um mit einem virtuosen Finale voller Ausdruckskraft zu enden. Im zweiten Teil erklingt der monumentale Programmzyklus "Bilder einer Ausstellung" von Modest Mussorgsky, in dem in zehn vertonten Bildern charakteristische Szenen des Lebens zu erleben sind. Krichels Spiel war so plastisch, dass man meinte, spielende und zankende Kinder oder schnatternde Marktfrauen im Saal neben sich zu haben, schrieb Kulturredakteur Patrick Brosig über Krichels Interpretation.

Warum man bei einem Benefizkonzert für die Ukraine Mussorgsky spielen kann? Weil es perfekt dazu passt, so Alexander Krichel. Denn das Stück endet mit dem "Heldentor von Kiew", einem Symbol für Erlösung, Freiheit und Frieden. Was für ein hoffnungsvolles Symbol in einem Konzert für die Ukraine.

Kerstin Conz und Anna Kartini