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Vortrag

Weimar – Mikrokosmos deutscher Geschichte

Vortrag - Weimar – Mikrokosmos deutscher Geschichte
© Marc Fügmann (alle)

Der Faszination Weimars widmete sich Governor Franz Rainer Enste in einem Vortrag aus Anlass des 30. Jahrestags des Mauerfalls. Dazu eingeladen hatte der RC Springe.

07.11.2019

Das beschauliche Weimar – für Franz Rainer Enste gibt es keinen anderen Ort, an dem die Ambivalenz der deutschen Geschichte so deutlich zutage tritt wie in der thüringischen Kleinstadt. Nirgendwo sonst seien sich Glanz und Abgründe so nah. "Hier liegt alles auf engstem Raum beieinander", steht für den amtierenden Governor des Districts 1800 fest: "Geistesgröße und Barbarei, Erhabenes und Schreckliches". Auf Einladung des RC Springe widmete sich Enste jetzt anlässlich des 30. Mauerfall-Jahrestages in einem beeindruckenden Vortrag dem "einzigartigen Mikrokosmos Weimar".

Dabei nahm er die knapp 100 Zuhörer, darunter auch viele Mitglieder benachbarter Serviceclubs, mit auf eine historische Reise. Der Faszination Weimars seien viele bedeutende Künstler erlegen – Goethe und Schiller ebenso wie Herder und Liszt und später Thomas Mann. Von hier aus hätten viele ihrer Werke den Weg in die Welt gefunden, erinnerte Enste. Auch das Bauhaus als moderne Kunstschule habe in Weimar seine Ursprünge. So sei der Geist von Weimar auch eine Antwort auf den preußischen Militarismus gewesen. Und nicht ohne Grund sei die Stadt Keimzelle und Namensgeberin für die erste demokratische Verfassung Deutschlands geworden.

Doch Weimar habe sich dann eben auch zu einem Ort des Kulturverlusts und des totalitären Schreckens entwickelt, in dem - getragen von einer diffusen Stimmung und ausgeprägter Kleingeistigkeit - die Nationalsozialisten schneller Fuß fassen konnten als in anderen Teilen der jungen Republik. Der aufkeimende Judenhass habe seinen traurigen Höhepunkt in der Errichtung des Konzentrationslagers Buchenwald gefunden, in dem bis Kriegsende 56.000 Menschen auf grausame Weise ermordet wurden. Darunter viele Wissenschaftler, politische Denker, Literaten, Künstler.

Gerade deshalb ist es Enste, der Anfang dieses Monats zum niedersächsischen Landesbeauftragen für Antisemitismus berufen wurde, ein besonderes Anliegen, vor dem Wiedererstarken rechtsnationaler Kräfte zu warnen. Seinen Weimar-Vortrag will er denn auch unausgesprochen als Antwort auf die die NS-Zeit relativierenden Äußerungen von AfD-Politikern wie Björn Höcke oder Alexander Gauland verstanden wissen. Auch wenn Geschichte sich hoffentlich nicht wiederhole: "Die Bedrohung von Freiheit und Frieden, von Toleranz gegenüber Andersdenkenden, von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gibt es immer wieder – immer wieder anders und immer wieder neu", schloss Enste seine Ausführungen. Nicht ohne noch einen letzten Appell nachzuschieben: Deutschland dürfe im eigenen Interesse die großartige Idee eines vereinten Europa nicht aus den Augen verlieren.

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Franz Rainer Enste zog die Besucher in seinen Bann.

Begleitet wurde der Vortrag von Schülerinnen der Musikschule Springe, deren Instrumental-Beiträge auf die jeweiligen Textpassagen abgestimmt waren. Besonders erfreulich: Der Abend brachte einen Spendenerlös in Höhe von 1500 Euro ein, der für karitative Vorhaben des Rotary Springe Projekt e.V. eingesetzt werden soll.

Für Enste war der Besuch in Springe die 70. Station auf seiner Governor-Reise durch den Distrikt. Der ehemalige Landtags- und Regierungssprecher ist im Raum Hannover seit einigen Jahren auch als Laienschauspieler erfolgreich unterwegs.         

Marc Fügmann