Im Gespräch
»Unkenntnis zugeben anstatt zu schwafeln«
K. R. „Ravi“ Ravindran wird RI-Präsident 2015/16. Der Chefredakteur von THE ROTARIAN, John Rezek,traf ihn zum Gespäch
Als wir vorgestellt werden, besteht K. R. Ravindran darauf, dass ich ihn „Ravi“ nenne. Er ist eine beeindruckende Person: groß, stattlich, gut angezogen und hat eine exzellente Haltung. Er strahlt die lockere Selbstsicherheit eines Mannes aus, der „es geschafft“ hat. Doch was wirklich entwaffnet, ist seine stete Neugier und seine tiefe
Bescheidenheit.
Seit 1974 ist Ravi Ravindran Mitglied des Rotary Clubs Colombo. Für Rotary International führte er bereits viele Ämter auf internationaler Ebene aus, darunter als Schatzmeister, Director und Trustee. Als Vorsitzender des PolioPlus-Komitees seines Landes führte er eine Gruppe an, der es tatsächlich gelang, mit den im Norden des Landes operierenden militanten Gruppen einen Waffenstillstand für die Dauer nationaler Impftage auszuhandeln. Er leitete auch das Schools-Reawakening-Projekt, das von Clubs und Distrikten in Sri Lanka gesponsert wurde und in dessen Rahmen 25 von der Tsunami-Katastrophe 2004 zerstörte Schulen für 15.000 Kinder wiederaufgebaut wurden.
THE ROTARIAN: Sie sind sehr erfolgreich im Geschäftsleben. Was haben Sie im Beruf gelernt, das Sie gerne in Rotary anwenden und umsetzen möchten?
RAVINDRAN: Erfolg ist ein relativer Begriff. Wie Albert Einstein schon sagte: „Versuche nicht, ein erfolgreicher Mann zu werden, sondern ein wertvoller Mann.“ Es ist mir wichtiger, dass ich als Mann mit Werten gesehen werde. Doch zu Ihrer Frage: Natürlich ist Rotary kein „Business“. Das heißt aber nicht, dass es nicht wie ein Geschäftsunternehmen geführt werden kann. In der Geschäftswelt sind wir unseren Aktionären gegenüber verantwortlich. In Rotary haben wir die Verantwortung gegenüber den Rotariern, die uns in die Verantwortungspositionen gewählt und damit ihr Vertrauen in uns gesetzt haben. Für jede zeitliche oder materielle Investition, die wir tätigen, müssen wir ein Ertragsergebnis vorweisen können. Jede Ausgabe muss gerechtfertigt sein. Die Ziele, die wir uns setzen, müssen transparent und messbar sein, und die Rotarier, die der Führungsebene unserer Organisation angehören, müssen sich für ihre Leistungen verantworten.
Manche sagen, dass man immer das Produkt der Umgebung ist, in der man aufwächst. Stimmt das?
Es gibt ohne Frage keine Institution, die es mit dem Einflusspotenzial eines Elternhauses aufnehmen kann, wenn es um die Persönlichkeitsentwicklung geht. Das gilt zumindest für mich. Ich bin Rotary dankbar, dass sich hier die Werte bestätigen, die meine Eltern mir beigebracht haben. Ich kann mich verbürgen für die Fähigkeit unserer Organisation, Geschäft mit sozialem Engagement zu verbinden, und Freundschaft mit dem Dienst am Mitmenschen. Und ich weiß aus erster Hand, wie erhebend es persönlich ist, anderen beim Aufstehen zu helfen.
Wie würden Sie einer blinden Person Sri Lanka erklären? Welche Sinne würden dann angesprochen?
Unsere Menschen sind verrückt nach Gewürzen, Cricket und Tee, sie sind berühmt für ihr Lächeln und ihre Herzenswärme – und für die 3000 Jahre alte Kultur. Unser Land hat zudem endlose Strände, historische Bauten und Ruinen, Elefanten, Wale, gutes Essen und eine Vielzahl anderer für den Besucher wertvoller Dinge. Aber unser wirkliches Kapital sind unsere gastfreundlichen und herzlichen Menschen.
Was zog Sie als Erstes an Rotary an? Und was veranlasste Sie, hier immer höhere Führungsämter zu übernehmen?
Manchmal führt das Leben einen auf einen Pfad, der fast vorbestimmt scheint. Ich trat Rotary bei, um Spaß zu erleben und Freundschaften zu schließen. Ich dachte gar nicht daran, Verantwortung zu übernehmen. Im Gegenteil, wenn man mir gesagt hätte, dass ich Führungsaufgaben zu übernehmen hätte, wäre ich wahrscheinlich gar nicht erst beigetreten. Im Ernst, trotz der Tatsache, dass wir über die Jahre in einige Geschichte machende Projekte involviert waren, so sind doch meine schönsten Rotary-Momente die, wenn ich mit Freunden verschiedener Kulturen und Länder beisammensaß und lachte und die halbe Nacht im Gespräch verbrachte. Man geht, so meine ich, nicht in einen Club, einfach um Führungsämter zu übernehmen. Wenn man ein guter Zuhörer und Gefolgsmann ist, dann stellt sich die Führungsverantwortung ganz natürlich ein.
Was sind die drei wichtigsten Regeln der Führung?
Ehrlichkeit und Integrität. Wenn es kein Vertrauen zwischen Führung und Mitgliedschaft gibt, ist alles verloren. Integrität und Ehrlichkeit gehören zusammen und sind unverzichtbar in jeder effektiven und vertrauensvollen Leitungsfunktion. Zweitens: Management: Eine gute Führungsperson muss mit allen Aspekten der Organisation vertraut sein – oder sich mit Menschen umgeben, die das Wissen haben. Man muss in der Lage sein, sich den Respekt der Interessengruppen zu verdienen. Drittens kommt es auf Transparenz als Reflexion Ihres Charakters an. Wenn Sie etwas nicht wissen, geben Sie das zu, anstatt zu schwafeln. Und dann tun Sie Ihr Bestes, um eine Antwort zu finden. Legen Sie Ihre Gefühle und die Gründe für Ihre Entscheidungen offen. Wenn Menschen Sie verstehen, sind sie eher bereit, Ihnen in Ihrem Denken zu folgen. Schauen Sie, hören Sie zu, und würdigen Sie die Arbeit und Meinungen anderer. Lassen Sie Ihren Managementstil auf Kooperation, Moral, Respekt für Vielfalt und der Verpflichtung auf den Erfolg der Organisation, der Sie dienen, basieren.
Was tut man nicht?
Predigen Sie nicht etwas, das Sie nicht selbst praktizieren. So etwas tun nur Politiker. Welche Charaktereigenschaften sollte jeder Rotarier haben? Können diese angeboren oder erlernt sein? Der Charakter wird durch die Umgebung geprägt. Es gibt viele Mitglieder in Rotary, von denen man, als sie eintraten, denken könnte, dass sie nicht in Rotary gehören. Und doch glauben wir, dass diese Menschen von ihren Clubfreunden so beeinflusst werden, dass sie produktive Mitglieder werden können. Ein gut funktionierender Rotary Club verändert den Charakter seiner Mitglieder. Ich war einer derjenigen, die Rotary beitraten, einfach um Spaß zu haben. Und 40 Jahre später habe ich immer noch viel Spaß und Freude. Doch das allein hätte mich nicht all die Jahre in Rotary gehalten. Es war ein Gefühl der Leistung, die Möglichkeit, die eigenen wenigen Ressourcen mit anderen zusammenzulegen und damit für Tausende, Millionen von Menschen etwas tun zu können. DAS hat mich in Rotary gehalten.
Worauf werden Sie sich in Ihrer Amtszeit konzentrieren und was hoffen Sie zu erreichen?
Ich bin eine normale Durchschnittsperson und plane nicht, Statuendenkmäler zu hinterlassen. Doch jemand sagte einmal: Wenn einfache Menschen sich über Erwartungen hinwegsetzen, sie übertreffen und Gelegenheiten beim Schopf ergreifen, dann können wirklich Meilensteine gesetzt werden. In diesem Sinne hoffe ich, ein einfacher Mensch zu sein und alles um mich herum ein wenig zu verändern. Sodass ich eine Organisation etwas besser hinterlasse, als ich sie vorgefunden habe. Ich werde versuchen, Ämter nach Verdienst und ohne Vorurteile zu besetzen. Ich werde mich für die Senkung der Betriebskosten einsetzen, wohlwissend, dass ich das niemals ohne die volle Unterstützung unserer kompetenten Mitarbeiter erreichen kann. Und ich werde mich bemühen, die Mitgliedschaft in Rotary für den Einzelnen noch wertvoller zu machen.
Haben Sie je einen schlechten Rotarier getroffen?
Rotary ist ein gesellschaftlicher Mikrokosmos. Was Sie in der Gesellschaft finden, finden Sie auch in Rotary. Und was Sie in der Gesellschaft als schlecht anprangern, das ist auch schlecht in Rotary. Nicht jeder Rotarier kommt mit göttlichen Qualitäten und Angewohnheiten daher. Und ein als schlecht befundener Rotarier kann sich an anderer Stelle als gut bewähren. Und umgekehrt. Doch so oft haben wir bei Mitgliedern Wandlungen zum Besseren in dem Maße gesehen, indem sie die Qualitäten von Rotary absorbierten.
Was sind für Sie die existenziellsten Herausforderungen?
Also, natürlich ist der Kampf gegen Polio Ziel Nummer eins. Und jedes Mitglied muss darauf konzentriert bleiben. Wir wissen aber auch, dass unsere Mitgliedschaft in Regionen leidet, wo sie wachsen sollte. Wir haben die Technologie im Zentralbüro, um besser kommunizieren zu können. Doch die Kommunikation schlägt oft fehl, weil sie von vielen Clubs nicht richtig angenommen wird. Wir wissen auch, dass unsere Marke Rotary besonders außerhalb unserer Organisation mehr leuchten und bekannter werden muss. Und dafür müssen wir unsere Stimme erheben.
Eine der Herausforderungen der Polio-Kampagne in Sri Lanka waren die Impfungen im Norden des Landes, der zu der Zeit eine aktive Kriegszone war. Sie waren maßgeblich daran beteiligt, zugunsten der Kinder in Impfgebieten eine zeitweise Einstellung der Feindseligkeiten zu erwirken. Beschreiben Sie uns doch bitte, wie das ist, mit Leuten zu verhandeln, die es darauf anlegen, anderen Menschen Schaden zuzufügen. Glauben Sie, dass diese Erfahrung auch in Pakistan hilfreich wäre?
Der große Unterschied zwischen Sri Lanka und Pakistan ist der Bildungsstand. In Sri Lanka waren sowohl Regierungstruppen als auch Rebellen gebildet genug, um das Gute an Polio-Impfungen anzuerkennen. Die Rebellen wussten, dass die Impfungen ihren eigenen Leuten helfen würden, und die regierungstreuen Soldaten erkannten, dass die Impfung der Kinder wichtiger war als kurzzeitige taktische/strategische Vorteile. In diesem Szenario bedurfte es nur eines ehrlichen Vermittlers – und das war Rotary. In Pakistan ist die Situation anders, denn die Taliban sind ungebildet, und sie lassen ihrem Hass auf Amerika Vorrang vor dem Wohlergehen ihrer zukünftigen Generationen. Das ist tragisch. Und doch agieren unsere Rotarier dort, angeführt von Aziz Memon, als echte Helden.
Erzählen Sie uns, wie Sie zu Ihrem Motto „Sei der Welt ein Geschenk!“ kamen.
Das war ganz bestimmt keine Solo-Aktion. Meine Frau war voll beteiligt, ebenso wie enge Freunde und meine Familie. Ich habe nicht den Grips, mir so ein tolles Motto auszudenken! Aber denken Sie einmal darüber nach: wir in Rotary streben nach großen Taten, oder? Wir bewundern die Großen der Geschichte, die uns so viel geschenkt haben: Abraham Lincoln, der so vielen menschliche Würde ermöglichte, Mutter Teresa, die die Vergessenen beschenkte, und Mahatma Gandhi, der den Unterdrückten das Geschenk des friedlichen Widerstands machte. Für alle gilt, dass ihr ganzes Leben ein Geschenk an die Welt war. Können wir das in Rotary, auf unsere ganz eigene Weise, nicht auch? Ein kleines Geschenk für die Welt sein?
Wofür werden Sie ab Juli keine Zeit mehr haben?
Für meine Enkeltochter, die am 22. Oktober 2014 geboren wurde und mit der ich jetzt so gerne mehr Zeit verbrächte. Wir wohnen alle zusammen in einem großen Haus, und ich sehne mich bereits jetzt nach der Zeit, wenn sie zu mir ins Arbeitszimmer krabbeln wird.