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Standpunkt

"Am unteren Rand des Wohnungsmarktes"

Wohnungsnot ist ein gesellschaftliches Problem, sagt Dirk Ahrens

15.12.2014

Die Wohnungssuche für eine alleinerziehende Mutter, für eine Familie, die Hartz IV bezieht, oder einen Freiberufler mit geringem und unregelmäßigem Einkommen gestaltet sich auf den Wohnungsmärkten vieler deutscher Großstädte ausgesprochen schwierig. Auch die Bedingungen, unter denen Auszubildende und Studierende geeigneten Wohnraum suchen müssen, sind häufig genug frustrierend und aussichtslos. In der sozialen Arbeit aber führt die aktuelle Situation auf dem Mietmarkt häufig in die komplette Aussichtslosigkeit.

 In Hamburg betreibt die Diakonie seit vielen Jahren mit dem „Sperrgebiet“ eine Einrichtung für junge, sich prostituierende Frauen. Viele der Frauen sind „Ausreißerinnen“, haben weder Schulabschluss noch festen Wohnsitz und betreiben Gelegenheitsprostitution für einen Schlafplatz. Immer wieder gelang es dem Team des Sperrgebiets, Klientinnen so weit zu stabilisieren, dass sie bei regelmäßiger Begleitung durch eine Sozialpädagogin in eine eigene kleine Wohnung ziehen konnten, einen Schulabschluss nachholten und mit einer Ausbildung begannen. Vor einem Jahr musste dieser Teil der Arbeit eingestellt werden, weil für die betroffene Klientel auch bei engagiertester Suche durch professionelle Begleiterinnen kaum noch geeigneter und bezahlbarer Wohnraum zu finden war.  

Chancenlos

Das Bodelschwingh-Haus in Hamburg betreibt eine stationäre Einrichtung mit intensiver Betreuung für Wohnungslose. Hier werden Menschen aufgenommen, die nach einem Leben auf der Straße wieder ein geregeltes Leben im eigenen Wohnraum einüben. Viele der Bewohnerinnen und Bewohner könnten längst eine eigene Wohnung beziehen, wenn es die denn für sie gäbe. Aber arbeitslos, nach einer Zeit als Wohnungslose und möglicherweise noch nach einer Inhaftierung sind sie auf dem Wohnungsmarkt völlig chancenlos. Diese schwierige Situation am unteren Rand des Wohnungsmarktes wird seit circa zwei Jahren verschärft durch den Zuzug von Arbeitsmigranten aus Osteuropa. Die meisten sind gut ausgebildet, erfolgreich und finden recht bald Arbeit und irgendwann auch eine Wohnung. Manche aber scheitern in prekären Arbeits- und Wohnverhältnissen und landen auf der Straße.

Schließlich sind wir seit Monaten herausgefordert durch eine stark ansteigende Zahl von Flüchtlingen. Allein Hamburg benötigt dafür monatlich 600 Unterkunftsplätze zusätzlich. Mittelfristig aber benötigt die Stadt für sie geeigneten Wohnraum.

In vielen Städten in Deutschland wird diese Not immer sichtbarer: Menschen übernachten in Hauseingängen, campen in Parks und schlafen unter Brücken. In der Öffentlichkeit wird die sichtbar gewordene Not vor allem ordnungspolitisch diskutiert. Vertreibung löst aber keine Probleme, sondern verschiebt sie nur. Uns allen muss klar sein: Wenn es uns nicht gelingt, schnell deutlich mehr Wohnungen für benachteiligte Menschen zur Verfügung zu stellen, gefährdet das langfristig den sozialen Frieden.