Essay
Brücken schlagen
Der Strom der Flüchtlinge stellt die politische Bildung in Deutschland vor eine neue Herausforderung
Auftrag der politischen Stiftungen ist es, zur Gestaltung der Zukunft unseres Gemeinwesens beizutragen, aufbauend auf den Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und verpflichtet den Grundsätzen der Solidarität, Subsidiarität und gegenseitigen Toleranz.
Dieses Credo, aber insbesondere auch das der christlich-demokratischen Idee zugrunde liegende Menschenbild bietet die Basis für die Konrad-Adenauer-Stiftung, sich des Themas „Flucht und Asyl“ in besonderer Weise anzunehmen. Die Stiftung arbeitet zwar schon seit Jahren zu diesem Thema, wurde aber durch die Wucht der aktuellen Entwicklungen vor neue Notwendigkeiten gestellt. So hat sie im Spätsommer 2015 eine interne Task Force gegründet, die die Aktivitäten der Stiftung zu diesem Thema steuert und weiterentwickelt.
Die Folgen des Flüchtlingsstroms für Kommunen und Bundesländer schlagen sich in der Arbeit der politischen Bildung der Stiftung nieder. In den ersten Monaten nach der Zunahme der Flüchtlingsströme ging es darum, dem enorm gestiegenen öffentlichen Aufklärungsbedarf der Bevölkerung rund um die Fragen zu Flüchtlingen und Zuwanderung zu entsprechen. Dabei standen die politische Einordnung täglich aktualisierter Zuwanderungszahlen im Vordergrund, aber auch die bürgerkriegsbedingten Fluchtursachen, die Herausforderungen und Chancen für Staat und Gesellschaft in Deutschland sowie die europäischen Rahmenbedingungen. Es wurde mit den Maßnahmen aber darüber hinaus die überwältigende Hilfsbereitschaft vieler Menschen gewürdigt und das ehrenamtliche Engagement gestärkt.
Religion und Gesellschaft
Ein zweiter Ansatz für Maßnahmen war, mittels erfolgreicher Beispiele und Angebote zur Professionalisierung sowie Serviceleistungen der stiftungsinternen KommunalAkademie die kommunalen Mandats- und Funktionsträger in ihrer Arbeit zu unterstützen. Zusammen mit der Universität Bonn erarbeitet die Stiftung die Studie „Integration vor Ort“, um durch Praxisbeispiele Anregungen und Hilfen zu geben.
Vom Winter 2015 an differenzierte sich das Themenfeld der Maßnahmen in der politischen Bildung weiter aus. Es reicht von den mittel- und langfristigen Folgen des Flüchtlingsstroms über das Verhältnis von Religion und gesellschaftlichem Zusammenhalt bis zur europäischen Asyl- und Zuwanderungspolitik. Neben den europäischen und globalen Aspekten der Flüchtlingspolitik interessierten vor allem die konkreten Fragen der Flüchtlingsaufnahme und -integration. Diskutiert wurden verschiedene Formen der Integration und der Lösung kultureller sowie religiöser Konflikte, der Umgang mit gesellschaftlichen Veränderungen und mit den Grundlagen unseres politischen Selbst- und Wertverständnisses, aber auch die Reaktion auf die neuen Bedrohungen im Schlepptau der Globalisierung wie beispielsweise den Terrorismus.
In weiteren Maßnahmen wurden die konkreten Chancen und Vorteile der Zuwanderung vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des spürbaren Fachkräftemangels herausgestrichen. Ein Schwerpunkt der Diskussion lag dabei auf den Bedingungen einer erfolgreichen Integration in Gesellschaft, Politik und Arbeitsmarkt (siehe Seite 58).
Spielerisch Integrieren
Mit Blick auf die Einschulung der Flüchtlingskinder erhielt die Qualifizierungsaktion „Interkulturelle Koordination“ besondere Aktualität, eine Maßnahme, die die Stiftung und der Philologenverband Nordrhein-Westfalen schon 2014 angeboten hatten. Lehrerinnen und Lehrer mit Migrationshintergrund wurden darauf vorbereitet, als interkulturelle Koordinatorinnen und Koordinatoren Verantwortung in ihrer Schule zu übernehmen. Für den Einsatz in Schulen und Hochschulen entwickelte die Politische Bildung der Stiftung das Planspiel „Magnet Europa“. Interaktiv erarbeiten die Teilnehmer die Maßnahmen und Instrumente der europäischen Migrations-, Außen- und Entwicklungspolitik, in einer szenischen Simulation sehen sie dann die Ergebnisse.
Seit Anfang 2016 hat die Stiftung zunehmend die Flüchtlinge selbst als Teilnehmer für Maßnahmen in den Blick genommen. Hierfür musste sie neue Konzepte und Formate erarbeiten sowie Zugänge finden. So gibt sie zusammen mit dem Herder-Verlag das Taschenbuch „Deutschland. Erste Informationen für Flüchtlinge“ auch in arabischer Sprache heraus. Ebenso wurden Vorträge unter dem Titel „So funktioniert Deutschland!?“ auf Arabisch aufgesetzt. Sie informieren über die Grundzüge des Föderalismus und die Werte des Grundgesetzes. Schnell schlugen die Zuhörer den Bogen zu ihrer Situation und diskutierten, was sie selbst beitragen müssen zur Integration.
Ein weiteres Projekt baut Flüchtlingen mit Bleibeperspektive eine Brücke ins politische und gesellschaftliche Leben in Deutschland. Unter dem Motto „Von Migranten für Migranten“ bereitet die Stiftung Menschen mit Zuwanderungsbiografien oder Erfahrungen in der Flüchtlingsarbeit in Train-the-Trainer-Seminaren darauf vor, als Vorbilder die Rolle der Demokratiemittler zu übernehmen, um Flüchtlingen das westliche Werte- und Politikverständnis zu vermitteln.
Ergänzend stellt das Lernportal der Stiftung, der AdenauerCampus, unter dem Thema Flucht und Integration Informationen bereit, darunter eine interaktive Weltkarte mit Beiträgen über die in anderen Ländern geführte igrationsdiskussion, mit weiteren Fakten und einem Karteikasten-Set mit Alltagsbegriffen auf Deutsch und Arabisch.