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Interview

„Auf Augenhöhe mit Rotaract“

Interview - „Auf Augenhöhe mit Rotaract“
Offen für neue Perspektiven: Christine Büring auf der Rotaract-Deutschlandkonferenz 2025 in Berlin © Privat

Die neue RI-Direktorin Christine Büring will mit manchen Regeln brechen, Rotaract stärken und bürstet hier und da gegen den Strich.

01.07.2025

Frau Büring, jetzt geht’s los. Für die nächsten zwei Jahre sind Sie RI-Direktorin für Deutschland, die Schweiz und Liechtenstein. Was haben Sie sich vorgenommen für Ihre Amtszeit?

Darf ich berichtigen: ich bin eine von 17 DirektorInnen plus RI Präsident und General Secretary, die Rotary, die das das Riesenschiff Rotary International nicht nur steuern, sondern auch relevant halten wollen. Ich vertrete also beides: Rotary als internationale Organisation und Deutschland, Schweiz und Liechtenstein als Teil davon. Vorgenommen habe ich mir, diese Unterhaltung – wie ja auch im CoL gefordert – in beide Richtungen offen für Neues und transparent zu halten. Ich habe großen Respekt vor dieser Aufgabe.

Als Frau aus Ostdeutschland stehen Sie selbst ein wenig für diese Vielfalt, die Sie sich wünschen.

Klingt so nach Minderheit. Wir sollten einen Diskurs über das, was Vielfalt eigentlich ist, führen. Stimmt, wir sind um die 16 Prozent Rotary-Frauen in den DACH-Ländern. Die Rotaracter sind da viel weiter. Als gebürtiger Wessi sehe ich den Osten als Chance. Mein Mann und ich haben 1995 unseren Club in Altenburg mitbegründet. Wir waren Frauen und Männer Mitte 30, mit Kindern und Berufen – und Rotary. Ich bin vor Altenburg ein wenig in der Welt herumgekommen und das nützt mir jetzt ebenso wie die Erfahrung des "einfach mal machen" der Nachwendezeit. Ich arbeite mit meinem kleinen Unternehmen im Tourismus. Auch das ist wie Rotary: Freizeit. Meine Kunden kommen nur, wenn ich kurzweilige Mischungen aus Lernen, Konsumieren und Mitmachen anbiete. Mit einer großen Prise Freude.

Eines Ihrer zentralen Themen ist die Gewinnung neuer Mitglieder. Welche Ideen haben Sie?

Die Gründung von neuen Club-Formen war im vergangenen Jahr ja schon erfolgreich. Zusätzlich wollen wir uns auf Zielgruppen konzentrieren.

Mit dem DACH Council für Vielfalt, den ich initiiert habe, fragen wir, wie man zum Beispiel Menschen mit Berufen, die es bei Rotary selten gibt, Menschen, deren Herkommen nicht das bisher meist bildungsbürgerlich- akademische ist, Menschen die jünger sind, aber auch Menschen, die grade aufhören zu arbeiten und Lust auf mehr Sinn im Leben haben, mit Rotary zusammenbringen kann.

Alle zwei Monate laden wir neue Mitglieder zu einem Q&A online ein. Ich hoffe, dass Rotary – mit seiner globalen Vielfalt – schneller greifbar wird.

Wir wollen mit dem, was wir tun, überzeugen, zum Beispiel mit einer “TEDx Competition”, die im September startet und bei der DEUKO 2026 ins Finale geht. Das ist eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit Rotaract.

Das Magazin berichtete ja schon über den Übergang von Rotaract zu Rotary. Aber auch der Wechsel von einem Club zum anderen ist wichtig. Wir wollen die Rolle der Assistant Governors beleuchten und aufwerten.

Und vor allem: Warum sind wir nicht stolz darauf, Rotarier und Rotarierinnen zu sein? Und überlegen, wen wir kennen, der/die uns bei Rotary bereichern würde und Freude beim Mitmachen hätte.

Schon vor Monaten haben Sie in Vorbereitung auf Ihre Amtszeit mit Ihrem Team den Regional Plan erarbeitet. Was ist das, was will er?

Genau. Das ist mein Leitfaden für unsere beiden Zonen 15&16, eine einfache Matrix, wie der Action Plan mit denselben vier Zielrichtungen. Dort sind Überlegungen formuliert und Ziele für die nächsten zwei, drei Jahre definiert. Wir haben in den vielen Workshops geschaut, was es schon hat, was gut ist, wo man etwas abschauen und einfach bekannt machen kann, wo etwas fehlt, und wo wir neue Wege suchen müssen. Ein großer Dank an dieser Stelle an alle, die mitgemacht haben.

Dazu haben wir unterstützende Projekte diskutiert, die wir nach und nach auf den Weg bringen wollen, um Impulse zu setzen oder auch einfach einen anderen Ansatz auszuprobieren. Schön ist, dass Rotaract und Rotary – wie in den Workshops – nun im Regional Team auf Augenhöhe zusammenarbeiten und sich befruchten.

Das sind ehrgeizige Ziele. Rotary ist oft ein ziemlich träges Gebilde und kommt bei Neuerungen schwer in die Gänge. Wie wollen Sie das ändern?

Das Motto des Regional Plan ist “Unite for Good. Zuhören. Lernen. Machen. Teilen.” So verstehe ich den Nutzen, den Rotary als Netzwerk mit so vielen klugen, engagierten Menschen bringt. Wir wollen mit unseren Projekten einen Prozess im Kleinen beginnen, und dann zur Diskussion stellen, um zu sehen, wie man die Ergebnisse an die Bedürfnisse der Distrikte, der Clubs oder der einzelnen Mitglieder anpassen kann. Hoffentlich indem man immer mehr auch gemeinsam macht und austauscht.

Wichtig ist, dass der Regional Plan auch eine Supervision beinhaltet. Das Team um Claudia Hendry hält uns im Regional Team an, einen holistischen Ansatz zu denken und kritisch auszuwerten, was wir tun.

Wie wollen Sie die Basis erreichen, die Menschen in den Clubs, die große stille Masse, von der man nicht weiß, was sie denkt?

Die Basis sind die Menschen, die in ihren Clubs regelmäßig Rotary leben. Eine vielfältige Gruppe. Ich glaube, dass es die Unterscheidung nicht geben sollte. Wir alle sind Rotary.

Ein mir wichtiger Gedanke ist, dass das rotarische Leben nicht mehr linear ist, sondern sich entwickeln darf. Was früher für mich mit Kindern passte, verändert sich, wenn ich am Ende meines Berufslebens stehe. Das sind die Art der Meetings, die Zeiten, das finanzielle Niveau oder auch die Formate im Club ebenso wie zum Beispiel die Einsicht, dass ich zwar meinen Club total gemütlich, aber nicht inspirierend finde. Muss ich deswegen austreten? Nein. Ich kann mir im großen Garten Rotary eine neue Wiese oder ein anderes zusätzliches Biotop suchen. Im Distrikt, bei einer Action Group, bei Online-Meetings oder Projekten anderer Clubs, national oder international. Mit ein wenig Neugier, unbeschwert und mit dem Vertrauen, überall als “Fellow” aufgenommen zu werden. Das möchte ich kommunizieren und dazu Türen öffnen.

Ich wünsche mir, dass alle Mitglieder die Newsletter des Magazins nutzen und so wöchentlich erfahren, was alles los ist – und sich trauen mitzumachen.

Für viele Clubs ist ihre Autonomie das höchste Gut. Manche sind näher dran an der RI-Philosophie, andere machen ihr Ding und betrachten Vorgaben aus Evanston eher als Vorschläge.

Zu viel Autonomie macht einsam und übersieht die Chancen des Netzwerks. Das sichEinlassen über das Gewohnte, auch den Club hinaus, ist das Salz im Eintopf RotaryInternational. Es ist ein geschützter Raum. Hier kann man etwas wagen. Immer fragen. Dieinzwischen wirklich guten Internetseiten von RI  www.rotary.org mit wertvollenInformationen lohnen mehr Aufmerksamkeit. Dann muss nicht jeder das Rad neu erfinden, sondern einfach nachschauen, was es gibt, dies adaptieren und sich viel Zeit und Ärger sparen.

Einladen möchte ich die ganze rotarische Familie ab August jeden ersten Dienstag im Monat um 19 Uhr zu unseren MeetUps online, wo wir aktuelle rotarische Themen aufgreifen und mit Gästen diskutieren.

Was ist Rotarys größte Stärke?

Für mich ist Rotary das wunderbarste Netzwerk, um genau das zu tun, was heute aus meiner Sicht das Wichtigste ist: Menschen zusammenzubringen, um mit positiv formulierten Regeln konstruktiv und respektvoll zu diskutieren, wie man selbst dazu beitragen kann, die Welt und sich selbst ein wenig besser zu machen. Wir poolen Wissen, Erfahrung und Verbindungen. Unsere Mischung aus tollen Menschen, dem Anspruch der Fairness und Integrität, dem sinnvollen Tun für andere, der Einfachheit Neues zu lernen und zu erleben, das Ganze weltweit, ist ein Geschenk. Wir gestalten aktiv die Welt. Warum erzählen wir nicht in “Rotary Stories”, wie wir das Leben von Menschen verändern?

Und was muss besser werden?

Unsere Kommunikation miteinander. Warum antworten wir auf eine rotarische Bitte nicht sofort, suchen eine Lösung oder Leute, die etwas dazu wissen? Auch aus Respekt vor dem Engagement des anderen. So erreichen wir viel schneller und mit mehr Spass unsere Ziele. Vor allem, wenn wir Rotary mit Familie und Arbeit verbinden wollen.

Und noch einen Wunsch: mehr Offenheit für große gemeinsame Erlebnisse. In den Distriktveranstaltungen, den Fach-Seminaren, Online-Angeboten und zum Beispiel jetzt im September beim FUSION Summit in Brüssel, wo es auch Tagestickets zum Schnuppern geben wird. Das sind auch gute Gelegenheiten, neue Leute zu uns einzuladen und Rotary erlebbar zu präsentieren.

Es geht mir also um mehr Zusammenarbeit. Hier in Deutschland ganz praktisch zwischenClubs und Distrikten wie zum Beispiel beim Grünen Band. Zwischen Deutschland und der Schweiz im regen Austausch, denn wir leben Rotary sehr verschieden. Mit den deutschsprachigenLändern im DACH wie wir es zum Thema Vielfalt tun wollen. Ganz stark in Europa mit grenzübergreifenden Projekten oder RYLA Formaten der ICC’s. Mit der Welt, ohne Almosen zu geben und mit Foundation Grants, bei denen sich mehrere Partner in längerfristig angelegten Projekten zusammentun.

Rotary erfüllt mich mit Freude. Freude am gemeinsamen Machen. Das ist mein Antrieb in meinem Amt.

Das Gespräch führte Björn Lange.


Tipps:

  • Im Februar 2026 ist der RI-Präsident auf der Münchener Sicherheitskonferenz in ein Panel eingeladen und die Münchener Clubs organisieren ein tolles Benefizkonzert für Polio.
  • Im September 2026, planen wir im litauischen Seebad Palanga einen Action Summit mit den nordischen Ländern und Polen inmitten der “Rotariada”, einem einmaligen Rotary Event, das 2026 seinen 25. Geburtstag feiert.
  • Im Oktober 2026, treffen wir uns zum Polio-Tag in der Zeche Zollverein. Hier tagen dann auch zum ersten Mal alle Beauftragten der fünf von mir und dem Regional Coordinator betreuten rotarischen Dienste gemeinsam.