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Ukraine

"Der Krieg klopfte plötzlich an unsere Häuser"

Ukraine - "Der Krieg klopfte plötzlich an unsere Häuser"
Zahlreiche Helfer bringen wichtige Medikamente, Hilfsgüter und Nahrung - im Lemberg werden viele Güter umgeladen und verteilt. © Oksana Havryliv

Der Bericht einer Rotaracterin aus der Ukraine über die Situation in ihrer Heimat - und wie sie sich seit Ausbruch des Krieges engagiert

20.04.2022

Oksana ist Studentin, plant ihr Leben, freut sich auf viele Erlebnisse mit Freunden, vor allem aus ihrem Rotaract Club. Der Krieg in der Ukraine änderte alles, schreibt sie:

Das konnte ich mir nie vorstellen! Ein echter Krieg...
Im 21. Jahrhundert...
In Europa...

Ich liebte eigentlich das Fach Geschichte in der Schule sehr und dachte immer, dass die ganze Welt nach den zwei blutigen Weltkriegen im 20. Jahrhundert davon viel gelernt hat. Aber nein...

Mein Leben ist jetzt in zwei Teile geteilt und wird nicht mehr so, wie es bis zum 24. Februar 2022 war. Nicht, weil ich ein gutes und unvergessliches Ereignis wie die Geburt des Kindes oder eine Hochzeit erlebt habe, sondern weil ich genau weiß, was für ein furchtbares Wort "Krieg" ist.

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Auf dem Hof der Familie wurden zunächst die Hilfsgüter gesammelt. Später kam eine Lagerhalle dazu.

Der Krieg klopfte plötzlich an unsere Häuser: Am 24. Februar 2022 wachten ukrainische Kinder nicht von hellen Sonnenstrahlen auf, sondern von den Geräuschen von Raketen und Bomben in Odessa und in der Hauptstadt Kiew.

In Friedenszeiten war ich Studentin, die an der Uni in der Ukraine internationale Beziehungen studierte und momentan ihren Master in Wien macht. Ich habe davon geträumt, Diplomatin zu werden, um die Ukraine auf der Weltarena zu repräsentieren. Eigene Träume hatten auch meine Bekannten und Freunde. Aber am 24. Februar 2022 haben wir alle den üblichen Lebensrhythmus vergessen und sind zu einer Einheitsfront mit einer klaren bürgerlichen Position geworden. Wir Ukrainer haben uns alle zusammengeschlossen, um der russischen Aggression zu widerstehen, dem Volk und unserem Militär zu helfen.

Da ich in Lwiw/Lemberg wohne, eine wunderbare europäische Stadt im Westen der Ukraine, habe ich am Anfang des Krieges noch keine Raketen oder Bomben in meiner Stadt gesehen. Aber das alles war eine riesige Motivation für mich, an Ort und Stelle etwas zu tun, weil die einfachen Ukrainer in der zentralen und östlichen Ukraine Tag und Nacht wegen ständigem Luftalarm im Keller blieben. Aus diesem Grund haben wir gemeinsam mit meiner Mutter einen Hub mit humanitärer Hilfe organisiert. Von Anfang an war es sehr kompliziert, mit den NGOs aus Europa und Amerika zu kommunizieren, weil die Bürokratie immer hoch ist und man viel Zeit braucht, um Hilfe zu bekommen. Das war aber ein großes Problem für mich, besonders da ich gesehen habe, wie die zivile Bevölkerung unter den russischen Raketen litt.

Meine Mutter und ich trafen sofort die Entscheidung, dass wir uns in meiner Stadt vor allem mit humanitärer Hilfe beschäftigen wollten, um den einfachen Leuten zu helfen. Ich dachte sofort an meine Freunde, die in ganz verschiedenen Ländern wohnen. Gott sei Dank bin ich eine sehr kommunikative Person und verfüge über viele Kontakten. Dank dieser persönlichen Kontakte bat ich meine guten ukrainischen Freunde in Deutschland um Hilfe, vor allem warme Kleidung und haltbares Essen zu sammeln. Sie haben dann fast 60 Tonnen in die Ukraine geschickt. Damit hat alles angefangen.

Zuerst haben wir (meine Verwandten und Freiwillige) alles auf dem Hof bei mir zu Hause sortiert, dann hatten wir Platzmangel und mussten nach einem Lagerhaus suchen. Mit Erfolg! Nachdem wir dieses Lagerhaus fanden, beschäftigte ich mich sofort damit, allen Freunden weltweit weiter zu schreiben und um Hilfe für die Ukrainer zu bitten. Es hat mich sehr überrascht, wieviele positive Rückmeldungen ich erhielt.

Wir haben selbst die Logistik aus europäischen Ländern sowie durch die ukrainischen Städte organisiert, was wahnsinnig schwierig war, denn die Busse mit unseren Hilfsgütern konnten wegen ständigen Bombardierungen nicht in Ruhe zum Zielort fahren. Diese Busfahrer riskierten bewusst ihr eigenes Leben. Die nenne ich "Helden".

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VIDEO: Deutsche Freiwillige brachten Hilfsgüter zum Hub von Oksanas Familie. - Einfach anklicken!

Mit jedem Tag im Lagerhaus wurde unser Team immer leistungsfähiger, jeder machte seinen eigenen Teil der Arbeit, was uns zum Ziel brachte – Hilfe für die Menschen aus zerbombten Städten zu leisten.

Und die Geschichte geht noch weiter...

Ich als echte Patriotin bleibe weiter in der Ukraine, obwohl mein Studium in Wien weitergeht. Ich habe alles vergessen: meine bezahlte Arbeit, die Uni, den gewöhnlichen Alltag und sogar meine eigene Familie. Immer noch verbringen wir fast 20 von 24 Stunden im Lager...

Aber nur das — die Mitwirkung jedes einzelnen Ukrainers — führt die Ukraine zum Gewinn. Denn: "The truth is behind us.".

P.S.: Ach ja! Wie schlimm die Bombardierung mit den Raketen sowie die russische Aggression ist, haben meine Familie und ich auch gesehen, als die Raketen meine Stadt Lemberg trafen. Abgefeuert am 26. März von den Russen aus dem besetzten Sewastopol. Aber: Wir sind noch immer am Leben und machen unser Ding weiter.

Oksana Havryliv
Rotaract Club Lviv International
Studentin an der Universität Wien (Politikwissenschaft)