Interview
"Dieses Jahr haben wir unser Spendenziel verfehlt"
Holger Knaack ist Trustee der Rotary Foundation (TRF). Der derzeitige Chair elect übernimmt am 1. Juli 2025 den Vorsitz. Wir sprachen mit ihm über die Herausforderungen des Gremiums, seine Aufgaben und die persönliche Zukunft.
Das Kuratorium, Board of Trustees genannt, lenkt die Rotary Foundation. Dort Mitglied zu sein, bedeutet, viel Verantwortung zu tragen. Wie wird man darauf vorbereitet?
Das Ganze beginnt im Learning Center bei My Rotary, wo jede rotarische Freundin, jeder rotarische Freund Wissen erwerben kann. Das ist eine Grundvoraussetzung, um später als Trustee fungieren zu können. Jeder muss vorher dort sich das Grundwissen angeeignet haben. Danach gibt es ein persönliches Training bei Mitarbeitern von RI und erfahrenen Trustees.
Allein im vergangenen April wurden auf der Sitzung 34 Beschlüsse gefasst. Allein zum Häppchen-Essen kommen Sie dort nicht zusammen. Was sind die wichtigsten Entscheidungen, die zuletzt getroffen wurden?
Bei den Hauptentscheidungen, die wir treffen, geht es um Programme. Im Zentrum steht immer die zentrale Frage, wie die Programme umgesetzt werden, um die anvisierten Ziele zu erreichen. Dann gibt es Probleme zu besprechen. In einem Teil der Welt hat die Umsetzung nicht so funktioniert, wie es geplant war. Dann müssen Lösungen gefunden werden. Zu guter Letzt sprechen wir auch über Fundraising. Wie können wir mehr Spenden generieren um damit noch mehr Gutes zu tun?
Gibt es Diskussionspunkte oder gar Konflikte mit anderen Trustees?
Konflikte gibt es nicht. Wir sind vier Jahre in diesem Gremium gemeinsam in der Verantwortung. Das schweißt mehr zusammen als in anderen Gremien bei Rotary. Aber natürlich gibt es unterschiedliche Meinungen und nicht jede Entscheidung wird einstimmig getroffen. Besonders wenn es um Ausnahmen bei Projekten geht. Aber alles im Bewusstsein der gegenseitigen Freundschaft und im guten Willen für unsere Foundation diskutiert und entschieden.
Sie werden im kommenden rotarischen Jahr dann sogar Chair der Foundation sein. Haben Sie sich für ihre Amtszeit als Chair ein besonderes Ziel gesetzt?
Das besondere Ziel ist, gemeinsam mit den anderen Trustees möglichst viel für die Rotary Foundation zu erreichen. Ansonsten habe ich kein persönliches Ziel. Ich glaube, es ist nicht gut, ein spezielles Ziel zu haben. Wir haben unseren Action Plan. Der zeigt uns den Weg.
Sie sind ein absoluter Teamplayer?
Ich hoffe es.
Vor welchen Herausforderungen steht die Foundation derzeit?
Die beiden wichtigsten Punkte bei der Foundation sind zum einen, dafür Sorge zu tragen, dass genügend Geld für die Projekte reinkommt. Zum anderen müssen wir darauf achten, dass die Projekte mit unseren Zielen übereinstimmen. Die Ausgaben müssen Satzungskonform sein und das nötige Geld sollte vorhanden sein. Das sind unsere wichtigsten Aufgaben.
Es scheint immer schwieriger zu werden, die einzelnen Mitglieder für eine Spende an die Foundation zu motivieren. Wie gelingt Ihnen das in kurzer Zeit?
Das Wort schwierig stimmt für Nord- und Mitteleuropa. Wir haben hier eine andere Spendenkultur. In Amerika, Indien oder auch in Afrika ist es nicht so schwierig. Ich glaube, dass man am besten und am sinnvollsten um Spenden werben kann, wenn man über Projekte an Leute herantritt. Einfach ansprechen und erklären, hey, wir haben da ein tolles Projekt, uns fehlen leider noch ein paar Tausend Dollar, wäre das nicht etwas für dich. Einfach ganz profan sagen, du kannst auch mal was spenden, ist sicherlich der falsche Weg.
Als Großspender und Mitglied der Bequest Society gehen Sie ja mit gutem Beispiel voran.
Man sollte in jedem Fall mit gutem Beispiel voran gehen. Das ist auch keine Frage der Höhe. Die wird bei jedem anders sein, das ist auch vollkommen in Ordnung. Wenn man um Großspenden bittet, sollte man selbst einen passenden Beitrag geleistet haben.
Was folgt eigentlich nach dem Amt des Chair? Wo und wie werden Sie anschließend für Rotary aktiv bleiben?
Darüber haben wir vor Kurzem bei einem Governortreffen diskutiert. Ich bin nun seit über 20 Jahren im Geschäft. Nach meiner Amtszeit als Chair, die am 30. Juni 2026 endet, folgt kein weiteres Amt bei Rotary. Dann habe ich alle gehabt. Fast hätte ich gesagt, das ist auch gut so. Meine Frau freut sich auf jeden Fall auf die Zeit danach. Es wird mit Sicherheit immer noch rotarische Termine geben, aber keine festen Aufgaben mehr. Ich möchte jetzt nicht überheblich klingen, die gibt es nach dem Amt des RI-Präsidenten und des Rotary Foundation Chairs auch nicht mehr. Das ist auch in Ordnung. Wir wollen bei Rotary das Sortierende. Wir wollen neue, junge Leute, die in solche Ämter hineinwachsen. Das ist ok, wenn irgendwann Schluss ist.
Wird es Ihnen leichtfallen loszulassen?
Ich sage mal ja. Man weiß es ja vorher. Ich weiß, dass meine Amtszeit am 30. Juni 2026 enden wird. Es ist ja nicht so, dass ich dann dasitze und denke, mein Gott, jetzt bin ich nicht wiedergewählt worden. Ich kann mich darauf vorbereiten. Das sollte man tatsächlich im Vorfeld auch tun.
Es hilft, sich auf den Tag vorzubereiten?
Mit Sicherheit.
Ein wesentlicher Baustein im Kampf gegen Polio ist die Kooperation mit der Bill & Melinda Gates Stiftung. Das bedeutet für Rotary aber zugleich, dass jedes 50 Millionen US-Dollar an Spenden zusammenkommen müssen, um den Partnerschaftsvertrag zu erfüllen. Wie sieht es dort bezüglich der Spendenentwicklung aus?
Wir haben es fast immer geschafft. Im vergangenen Jahr war es sehr leicht, weil wir fünf Millionen US-Dollar von der Kirche in Salt Lake City bekommen haben, der Church of Jesus Christ of Latter-day Saints. Dieses Jahr haben wir unser Spendenziel um drei Millionen US-Dollar verfehlt. Da ist dann der World Fund eingesprochen, damit wir unser Versprechen gegenüber der Gates-Stiftung halten können. Und das hat bis jetzt immer funktioniert. Das wird aber nicht leichter. Wir haben glücklicherweise einige Großspender wie Rajashree Birla aus Indien, die dann auch mal eine Million überweist. Es ist unglaublich, wie groß das Vertrauen in Rotary ist.
Wir müssen also ein neues Bewusstsein für End Polio Now bei den Rotariern schaffen?
Ich glaube, das müssen wir jedes Jahr neu anstoßen. Es gibt so viele Gründe, warum war das machen müssen. Es geht ja nicht nur darum, dass wir es den Kindern versprochen haben. Ich war schon so oft in Indien und ich habe noch nie Kinder gesehen, die unter Polio leiden. Ich habe unzählige Erwachsene gesehen, die auf dem Boden rumkrochen, aber wirklich nie Kinder. Ist das nicht ein großer Erfolg? Wenn wir den beibehalten könnten. Ich bin ziemlich sicher, dass wir es schaffen, Polio auszurotten.
Wir sollten nicht kurz vor dem Ziel stehenbleiben.
Absolut richtig.
Sie sind seit 1993 Mitglied der rotarischen Gemeinschaft. Seitdem hat sich Rotary stetig weiterentwickelt. Wo macht sich dies aus Ihrer Sicht am meisten bemerkbar?
Das macht sich vor allem im Club bemerkbar. Für mich ist der Club die zentrale Ebene Rotarys. Alles andere ist Service und Support. Der Club ist das Wichtige. Und dort macht es sich auch bemerkbar. Jeder, der in Deutschland Mitglied in einem Rotary Club ist, wird bestätigen können, dass es ganz anders ist, als man es von früher gewohnt war. Da sitzen nicht mehr nur alte Honoratioren zusammen. Wir haben junge, neue Mitglieder. Wir sind bunter, weiblicher und der Anteil wächst auch stetig. Das zeichnet Rotary aus. Viele neue Mitglieder sind überrascht, wenn sie in den Club kommen und sagen, es ist ganz anders als ich es mir vorgestellt habe.
Rotary muss aber gleichzeitig aufpassen, dass es seine rotarische Identität nicht verliert.
Das hat aber nichts mit jünger, bunter und weiblicher zu tun.
Richtig.
Überhaupt nicht. Hier zeigt sich doch gerade, dass unsere Werte auf vielen Ebenen wichtig sind, auch für die Zukunft. Unsere Werte verlieren wir ganz sicher nicht, auch wenn wir heute ganz anders aufgestellt sind als vor 40 Jahren.
Sie und Ihre Frau haben mehr als 40 Rotary-Jugendaustauschschüler aufgenommen. Wie ist das allein zeitlich möglich?
Meine Frau und ich haben etwas mehr Zeit als die meisten, da es unser Beruf erlaubt, flexibel zu sein. Die letzten beiden Austauschschüler hatten wir übrigens im vergangenen Jahr. Die meisten der 40 waren im Ferienaustausch bei uns und nur 14 davon eine längere Zeit, einige ein ganzes Jahr, andere ein paar Monate lang.
Da zeigt sich, wie wichtig euch persönlich dieser Jugendaustausch ist.
Ja, das war auch unser Einstieg in die internationale rotarische Welt. Wir haben selbst keine Kinder. Manchmal sag ich ganz flapsig, wir haben uns immer bei Rotary welche bestellt. In jedem Fall hat uns das jünger gehalten. Meine Frau sagt immer, dass es unser Toleranzlevel unglaublich hochgehalten hat. Das ist schon irre. Wenn ich bedenke, dass ich 70 bin und dank zweier Jugendlicher im Haus mir über ganz andere Sachen Gedanken mache. Es ist echt hilfreich gewesen. Auch für unsere ganz persönliche Entwicklung.
Letztlich bringt man so die Welt zusammen und leistet seinen Beitrag zur Völkerverständigung.
Auf jeden Fall. Ich sehne mir auch mehr Unterstützung von Seiten der Foundation für den Jugendaustausch herbei. Schließlich ist Friedensförderung eines der Ziele der Rotary Foundation. Der Jugendaustausch ist wirklich eine tolle Sache. Es geht dabei ja auch nicht nur um einen Jugendlichen. Es strahlt ja darüber hinaus. Das sind die Eltern des Kindes, die Gasteltern, die Freunde der Gasteltern, die Mitschüler, die Sportvereine. Es ist eine große Gruppe, in die das strahlt.
Das hat eine unfassbar große Wirkung. Ich weiß, dass viele Jugendliche, bevor sie Deutschland wieder verlassen, sagen, ich komme als gereifter Mensch zurück.
Am meisten sind die Eltern überrascht, wenn ihr Kind nach dem Jahr wieder zurückkommt. Das ist unglaublich. Es sind völlig andere Kinder. Interessant ist, dass die Kinder wieder darum kämpfen müssen, ihren sozialen Status zurückzuerlangen. Der vorherige ist ja weg. Jeder muss wieder seinen Standort finden, sei es in der Familie, im Freundeskreis und in der Schule. Das ist hochspannend für die Kinder.
Gibt es in Ihrem Terminkalender auch mal einen Tag ohne Rotary-Termin?
Den gibt es. Es gibt ja Leute, die damit angeben, wie belastend ihre Arbeit ist. Rotary ist nicht belastend. Ich liebe diese Arbeit. Es bereitet mir Freude, macht Spaß. Ich liebe diese Arbeit einfach. Ich glaube, man kann bei Rotary nur erfolgreich sein, wenn man es liebt, mit anderen Menschen zu tun zu haben. Man muss sich die Zeit dafür nehmen. Das fällt uns auch leicht, weil sich unser Freundeskreis aus Rotary rekrutiert.
Wenn man selbst Freude an der rotarischen Arbeit hat, steckt man mit dieser Begeisterung wie es Ihnen gelingt andere an.
Wenn ich diesen positiven Effekt bei anderen erzielen kann, dann wäre ich wirklich glücklich.
Ich nehme wahr, dass es Ihnen gelingt.
Ich danke ganz herzlich.