Rotary Aktuell/Nahostkonflikt
Ein ICC mit Palästina?
Rotarisches Leben gibt es auf dem Gebiet palästinensischer Selbstverwaltung seit 2010. Mehr internationale Kommunikation und Interaktion wäre hier hilfreich.
Im sogenannten Heiligen Land ist alles älter, traditioneller – immer schon gewesen. Der RC Jerusalem wurde 1929 gegründet, als die Region noch der britischen Krone unterstand. Bis zum israelischen Unabhängigkeitskrieg 1948 gab es in der Welthauptstadt dreier Religionen zwei Rotary Clubs, einen im Osten und einen im Westen. Während sie sich im israelischen Kernland über die Jahrzehnte rasch vermehrten, sollte es bis 2010 dauern, dass sich im Bereich der palästinensischen Selbstverwaltung wieder rotarisches Leben regte. Dem Club Ramallah im Jahre 2010 folgten dann Al-Bireh, Bethlehem und Ost-Jerusalem.
Als der RC Ramallah von den Partnerclubs Amman-Petra und Colorado Springs gechartert wurde, reiste sogar der damalige RI-Präsident John Kerry an. Die Palästinenser gehören, anders als ihre israelischen Nachbarn, zum Distrikt 2452. Al-Bireh wurde mittlerweile wieder aufgelöst.
Seit 2021 versuchte der Internationale Dienst des Deutschen Governorrats Kontakte zu den palästinensischen Clubs zu etablieren. Das war nicht einfach, weil es nur veraltete Daten gab und persönliche Drähte über US-Clubs liefen. Wir gründeten eine Kontaktstelle Palästina. Über unser Levante-Forum und die Distriktkonferenz von 2452 im Mai 2022 ergab sich eine Verbindung, die aber an banalen technischen Kommunikationsproblemen zu scheitern drohte.
Unbekannt verzogen
Bei einer Reise im Juli 2022 zeigte sich, dass der RC Ramallah – laut Auskunft des von mir besuchten Clublokals – unbekannt verzogen war. Ja, sogar der Club war unbekannt in dem ehemaligen ersten Haus am Platze. Ein Besuch im American Colony Hotel führte zur Telefonnummer des Präsidenten des RC Jerusalem-Ost. Im September kam ich zurück und hielt im „Colony“ einen Vortrag über das Leben in meinem Club, in unserem Distrikt 1880 und über das System der Länderausschüsse.
Anwesend war an diesem Abend im „Pasha Room“ die Crème de la Crème der palästinensischen Zivilgesellschaft. Große, wohlklingende, traditionelle Namen, erfolgreiche Unternehmer, international bekannte Akademiker und deren hoffnungsvoller Nachwuchs. Das Meeting dauerte überlang, von 19 bis 23 Uhr – und endete an der Gartenbar. Bald wurde es politisch und damit antisemitisch. Mein Vorschlag, mit israelischen Clubs versuchsweise zu sprechen oder gar ein Projekt zu überlegen, wurde energisch zurückgewiesen. Von denen würde man nicht einen Schekel annehmen, geschweige denn mit ihnen reden.
Als schwierig gestaltete sich der Abend, als auch die seriösen und gebildeten Herren einen geistigen Exkurs in die deutsche Geschichte wagten. Über die NS-Zeit hatten sie sich als Hobbyhistoriker informiert, aber auch sämtliche Verschwörungstheorien übernommen, auch jene, die in Deutschland sofort justiziabel sind. Warnungen wurden belächelt. So gingen wir auseinander.
Der Versuch, im Laufe der Woche ein weiteres Gespräch mit den drei Clubpräsidenten zu organisieren, scheiterte an deren knapper Zeit. Ein letztes Signal aus Jerusalem sollte mir sagen, dass man an einem Länderausschuss und seinen Vorteilen interessiert sei. Das Levante-Forum wollte für den Sommer 2023 ein Friedensseminar mit Jugendlichen aus Israel und den arabischen Nachbarstaaten plus Konzert in Zypern organisieren. Wir luden die palästinensischen Clubs ein. Keine Reaktion. Die anderen Araber lehnten wenigstens ab.
Im März kehrte ich mit einer Gruppe von 27 Rotariern und Angehörigen nach Jerusalem zurück. Schon Wochen vorher versuchten wir, ein Gespräch mit palästinensischen Freunden zu organisieren. Keine Antwort.
Niemand fragte, wie es denn gehe
Im Sommer meldete sich Bilal Abu Hijleh, Past-Präsident des RC Ramallah. Er ließ sich von mir den Stand der Dinge erklären und outete sich als begeisterter BayernMünchen-Fan. Was geschehen sei, sei vergangen. Wir sollten uns vorwärtsbewegen. Der ICC Deutschland-Palästina sei das Ziel. Am 17. Oktober schickte er per Whatsapp eine Antwort der palästinensischen Clubs auf das Statement des RI-Präsidenten Gordon McInally zum Gaza-Krieg: „Wir haben drei Clubs in Palästina, in D2452, und keiner wurde von RI konsultiert oder kontaktiert und gefragt, wie es ihnen geht oder ob sie noch leben …“ Die palästinensischen Rotarier fordern eine Korrektur der Erklärung, eine Entschuldigung foto: rc ramallah und humanitäre Hilfe.
Wilhelm Dietl
Zur Person
Wilhelm Dietl (RC Cham/Bayern) ist Mitglied des LA Deutschland-Israel, Ansprechpartner der Kontaktstelle Palästina, Mitglied im Levante-Forum und Mitglied im LA Deutschland-Jordanien.