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Bürgerstiftungen

Eine sinnstiftende Partnerschaft

»?Bürgerstiftungen fördern eine neue Kultur des Engagements: Ob mit Geld, Zeit oder Ideen – jeder kann sich als Stifter, Spender oder Ehrenamtlicher einbringen?«

Manfred Kübler09.09.2013

Wir müssen Kindern in sozialen Brennpunkten eine Chance geben“, heißt es in Berlin, „die Region als Ganzes voranbringen“ im westfälischen Soest. Anerkennung findet ehrenamtliches Engagement im baden-württembergischen Mosbach, und in Halle an der Saale werden junge Talente gefördert. Bundesweit engagieren sich über 300 Bürgerstiftungen für soziale, kulturelle und andere gemeinnützige Anliegen in ihrer Stadt oder Region. Bei fast allen Bürgerstiftungen engagieren sich Rotarier, eine wachsende Zahl an Rotary Clubs und andere Serviceclubs. Das hat gute Gründe: Die Bürgerstiftung bietet jedem Möglichkeiten mitzumachen. Rotarier stiften und spenden, sei es Geld oder Zeit. Sie haben Bürgerstiftungen mitgegründet und engagieren sich ehrenamtlich in den Gremien. Manche haben eine eigene Stiftung unter dem Dach der Bürgerstiftung gegründet oder gehen Partnerschaften mit der Bürgerstiftung ein.

Lokales Engagement liegt im Trend. Experten sind überzeugt: Wer sich heutzutage engagiert, will Sinnstiftendes tun, gemeinsam mit anderen etwas bewegen, die Gesellschaft aktiv mitgestalten an dem Ort, wo man lebt. Ausschlaggebend für den Erfolg der Bürgerstiftungen ist ihr Stiftungsmodell: Eine Bürgerstiftung wird meist von mehreren Bürgern, Unternehmen und Organisationen einer Stadt oder Region gegründet. Aus privater Initiative bauen sie gemeinsam das Stiftungsvermögen auf. Aus den Erträgen und mit Spenden unterstützen die Bürgerstiftungen wiederum gemeinnützige Projekte vor Ort oder führen eigene durch. Das einmal angelegte Vermögen bleibt in der Region und kommt ihr dauerhaft zugute. Und Bürgerstiftungen fördern eine neue Kultur des Engagements: Ob mit Geld, Zeit oder Ideen – jeder kann sich als Stifter, Spender oder Ehrenamtlicher einbringen.

Dr. Heike Maria von Joest (RC Berlin) ist Vorsitzende der Bürgerstiftung Berlin. Ehrenamtlich. Aus ihrer Stiftungsarbeit weiß von Joest: „Wir müssen Kindern in sozialen Brennpunkten eine Chance geben. Immer deutlicher wird die Notwendigkeit zur Kooperation. Es macht meistens Sinn, Mittel und Möglichkeiten zusammenzulegen, um Projekte im Sinne Rotarys aktiv voranzutreiben oder auch zu finanzieren. Die Bürgerstiftung Berlin ist seit 1999 für die Verbesserung der Zukunftsaussichten benachteiligter Kinder engagiert. Sie verfügt über ein entsprechend stabiles Netzwerk in Politik, Wissenschaft und in den Schulen.“
Ähnlich wie von Joest engagieren sich auch andere Rotarier ehrenamtlich in den Gremien ihrer örtlichen Bürgerstiftung. Sie bringen ihre Erfahrungen, Netzwerke und Kontakte ein, gewinnen und betreuen weitere Stifter, verwalten das Vermögen, entwickeln Projekte, entscheiden über die Vergabe von Fördermitteln oder sorgen für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Auch ist bei den Bürgerstiftungen ehrenamtliches Engagement für die Projekte, Arbeitsgruppen und Geschäftsstellen willkommen. Sogenannte Zeitstifter helfen Jugendlichen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz, unterstützen als Lesepaten Kinder beim Lernen, organisieren kulturelle Veranstaltungen oder Fundraising-Aktionen.

Partner für Stifter

Eine eigene Stiftung braucht mindestens 50.000 Euro Startkapital, ab 500.000 Euro kann sie nennenswert etwas bewirken. Bei der Bürgerstiftung erhöhen viele kleine und mittlere Summen das Gesamtkapital. Das überzeugte auch Wolfhard Schmidt, der die Gründung der Bürgerstiftung im niedersächsischen Lingen mit einer Zustiftung unterstützte und regelmäßig spendet. „Für mich ist es wichtig, die Menschen zu kennen, die sich vor Ort für die Gemeinschaft und für gute Projekte einsetzen. Über die Rotarier habe ich von der Bürgerstiftung erfahren. Die Idee hielt ich für aussichtsreich – die Entwicklung hat meine Erwartungen übertroffen“, so Schmidt. In Lingen finden regelmäßig mit Unterstützung der Bürgerstiftung Kulturveranstaltungen statt. Für viele Emsländer ein Muss.

Die Gegend um die Stadt Soest in Westfalen besteht aus vielen kleinen Gemeinden. „Gemeinsam statt allein“ ist das Credo der Bürgerstiftung Hellweg-Region, denn sie will die Region als Ganzes voranbringen. Deshalb unterstützt sie lokale Stifter, kümmert sich darum, dass die Kräfte gebündelt und gemeinnützige Aktivitäten in der Region vernetzt werden. Kurz: Die Bürgerstiftung versteht sich als Partner für Stifter. Unter ihrem Dach verwaltet sie 16 Partnerstiftungen, darunter die Stiftung RC Erwitte-Hellweg, mit einem Stiftungskapital von aktuell 128.000 Euro. Nachwuchs fördern und junge Künstler für ihre Leistungen auszeichnen, das ist die Aufgabe, die sich der RC Erwitte-Hellweg gestellt hat. Im Jahr 2012 hat er hierfür über die Stiftung insgesamt 6300 Euro vergeben, u. a. für einen Berufsförderpreis, ein Stipendienprogramm der Fachhochschule Südwestfalen und einen Musikförderpreis.

Auch in Mosbach am Fuße des südlichen Odenwaldes wird Engagement großgeschrieben. Mit ihrem gemeinsamen „Ehrenamtspreis Region Mosbach“ belohnen die Bürgerstiftung und die Rhein-Neckar-Zeitung Menschen, die sich ehrenamtlich für ihre Mitbürger engagieren, mit einem Preisgeld und einer kleinen Trophäe. Ein Sonderpreis von 1500 Euro für soziales Engagement wird vom RC Mosbach-Buchen gestiftet. Unter dem Dach der Bürgerstiftung für die Region Mosbach hat der Club mit 50.000 Euro eine Treuhandstiftung gegründet.

Mithilfe von Bürgerstiftungen können Privatpersonen, aber auch Serviceclubs oder Unternehmen eine eigene Stiftung in Form eines Stiftungsfonds oder einer Treuhandstiftung gründen, die den eigenen Namen trägt oder einen bestimmten Zweck verfolgt. Kostengünstig in der Gründung und Verwaltung, kommt so möglichst viel Geld den Förderzwecken zugute. Der Stifter entscheidet darüber, was gefördert wird, die Bürgerstiftung kümmert sich um die Formalitäten. Die Bürgerstiftung bietet die Option, Vermögen aufzubauen und langfristig gemeinnützige Anliegen in der Region zu fördern. Zustiftungen werden steuerlich begünstigt.

Synergien nutzen

Wie werden Ideen Wirklichkeit? Bürgerstiftungen wissen um die gesellschaftlichen Herausforderungen vor Ort. Sie pflegen meist gute Beziehungen zu Vereinen und sozialen Einrichtungen. Als Partner von Projekten begleiten sie deren Umsetzung und helfen Synergien zu nutzen. Ein Beispiel kommt aus Halle an der Saale. Vor drei Jahren legte die Bürgerstiftung den „Halle hat Talent. Thomas-Kupfer-Bildungsfonds“ auf. Die Volksbank verdoppelte jeden gestifteten Euro mit einem sogenannten Matching Fund bis zu einem Betrag von 25.000 Euro. Gemeinsam mit mehr als 100 Hallensern, Unternehmen und Organisationen gelang es ihr, den Bildungsfonds mit über 57.000 Euro auszustatten. Auf der Basis des breiten Bündnisses fördern heute die Bürgerstiftung Halle und der RC Halle/Saale über den Bildungsfonds jährlich mit jeweils 2500 Euro Projekte, die Kindern und Jugendlichen ermöglichen, ihre Begabungen zu entdecken und ihre Fähigkeiten zu entfalten. Zum Beispiel gingen im Herbst 5000 Euro an Vereine, die die Medienkompetenz von Jugendlichen fördern. Die aktuelle Ausschreibung des Bildungsfonds lädt junge Menschen ein, Stadtgeschichte und Stadtgeschichten zu entdecken.

Bürgerstiftungen verwalten und gehören sich selbst. Entsprechend der „zehn Merkmale einer Bürgerstiftung“ des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen sind sie wirtschaftlich, konfessionell und parteipolitisch ungebunden. Eine Dominanz einzelner Stifter, Unternehmen oder Organisationen wird abgelehnt. Mitmachen und Mitentscheiden ist die große Stärke der Bürgerstiftungen. Sie regeln ihre interne Organisation durch die Satzung selbst. Erfolgsgaranten sind ihre Gremien: Im Vorstand und Stiftungsrat nehmen Bürger ausführende und kontrollierende Funktionen wahr. Die Gremienmitglieder sind überdurchschnittlich ausgebildet, sehr kompetent und lokal verankert. Zusätzlich prüfen Finanzamt und Stiftungsaufsicht die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben. Häufig testiert ein Wirtschaftsprüfer die Buchhaltung. Bürgerstiftungen, deren Satzung den zehn Merkmalen einer Bürgerstiftung entspricht, veröffentlichen ihre Kontaktadressen und Finanzdaten im Bürgerstiftungsfinder der Aktiven Bürgerschaft. Sie übernehmen eine Vorreiterrolle unter den gemeinnützigen Organisationen und im Stiftungsbereich.

Zum Autor:

Manfred Kübler (RC Halle/Saale) ist Vorstandsvorsitzender Volksbank Halle (Saale) eG. Er ist Mitglied im Kuratorium Aktive Bürgerschaft e.V. www.aktive-buergerschaft.de

 

Weitere Informationen zum Thema Stiftungen erfahren Sie beim:

Tag der Stiftungen am 1. Oktober 2013

Am 1. Oktober 2013 findet der Tag der Stiftungen zum ersten Mal statt. Der Tag ist der deutsche Beitrag zum europaweiten „European Day of Foundations and Donors“. Initiator des Aktionstages ist der Bundesverband Deutscher Stiftungen. Bundesweit laden an diesem Tag Stiftungen und Bürgerstiftungen ein, mehr über ihre gemeinnützige Arbeit zu erfahren. Weitere Informationen: www.tag-der-stiftungen.de


 

 

Manfred Kübler
Manfred Kübler (RC Halle/Saale) ist Vorstandsvorsitzender Volksbank Halle (Saale) eG. Er ist Mitglied im Kuratorium Aktive Bürgerschaft e.V.