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Standpunkt

Riskiert Rotary seine Zukunft?

Standpunkt - Riskiert Rotary seine Zukunft?
Beate Holzwarth, RC Bad Dürkheim © privat

Wie jede andere Organisation muss sich auch Rotary aktuellen Herausforderungen stellen, um fit für die Zukunft zu werden. Es gibt zwar viele gute Entwicklungen, die Mut machen – aber sie sollten schneller und effektiver sein.

01.11.2017

Rotary möchte moderne Realität abbilden und gönnt sich immer noch ein Viertel (275) reine Männerclubs in Deutschland. Wir wollen jüngere Menschen für uns begeistern, sie in unsere Organisation einbinden – und tun es nicht. Wir suchen nach Frauen und jungen Mitgliedern für wichtige rotarische Führungspositionen – die Zusammensetzung der Distrikt-Leitungs­ebenen spricht aber eine andere Sprache. Was ist los mit Rotary? Warum schafft es diese grandiose Organisation nicht, ihre PS auf die Straße zu bringen und das enorme Potenzial ihrer Mitglieder und Projekte aus der guten Sache heraus effektiv auszuschöpfen? Wie können sich dabei auch künftige Mitglieder besser einbringen und den Zukunftsprozess mitgestalten? Meine Vision: Wir bündeln alle Kräfte und Potenziale, um uns gemeinsam (Junge und Ältere) für unsere Zukunft aufzustellen, ohne dabei unsere Wurzeln zu verlieren. So braucht Rotary einen Prozess dafür, wie Rotaracter (derzeit 194 aktive Clubs in Deutschland mit 4136 Mitgliedern sowie 3300 Past-Mitgliedern, ehemaligen Mitgliedern über 30 Jahren) auf Augenhöhe ins Clubleben eingebunden werden können. Eine bessere Referenz und wertvollere Botschafter für Rotary als unseren rotarischen Nachwuchs gibt es kaum.

Überholte Vorgehensweisen infrage stellen
Wir sollten überholte Vorgehensweisen infrage stellen, wie umständliche Aufnahmerituale und die gängige Praxis bei der Aufnahme von Neumitgliedern, von ihrer beruflichen Hierarchiestufe auf ihr Engagement bei Rotary zu schließen. Jeder, der sich bei Rotary engagieren will, sollte uns willkommen sein. Das gilt auch für die Aufnahme von Berufsgruppen wie etwa mehr Handwerkern und Künstlern.

Rotary sollte sein Auftreten überdenken. Dabei muss nicht jeder Rotarier in Jeans und Sneakern auftreten wie die Vorstände bekannter DAX-Unternehmen. Aber es ist klar, dass wir mit Krawatte, Anzug und Manschettenknöpfen Distanz schaffen. Zumal in einer Zeit, in der viele Unternehmen mit „Design Thinking“ und „Back to the Garage“-Appeal aufwarten und so für jüngere Menschen interessant sind.Rotary kann sich lebensnäher präsentieren. In den Städten und Gemeinden stärker für sein Schüler-Austauschprogramm werben, das zertifiziert das beste der Welt ist und junge Menschen früh in Völkerverständigung und dem Bestreben nach Frieden schult. So können sich junge Rotarier und erfahrene Mitglieder noch besser ergänzen. Die einen glänzen durch Vitalität und neue Ideen und die anderen bieten Wissen und können in vielen Bereichen und Unternehmen Türöffner sein. So könnte man auch jüngeren Rotariern den Einstieg in hohe rotarische Ämter ermöglichen. Mit sinnvollen Teilzeitmodellen und auf mehrere Schultern verteilt, sollte es doch möglich werden, einen Governor unter 60 Jahren zu haben.

Die Clubs und Mitglieder sollten gestärkt werden, um schnell allein Verantwortung zu übernehmen, sich aktiv einzubringen und Spaß an der Mitgestaltung zu entwickeln. So sind auch gemeinsame Hands-on-Projekte das große verbindende Element und helfen über clubinterne Auseinandersetzungen hinweg. Es ist erwiesen, dass Menschen in der Rushhour of Life (also zwischen 30 und 50 Jahren) neben Verpflichtungen wie Familiengründung, Hausbau, Karriere oder Pflege von Eltern nach einem tieferen Sinn und Orientierung suchen, das eigene Leben anreichern möchten im Sinne von Herzensbildung und einem ehrenamtlichen Beitrag für die Gesellschaft. Rotary sollte ihnen interessante Angebote bieten, in denen sie sich wiederfinden und einbringen können.

Aber Rotary wird den Turnaround in die Zukunft nicht alleine aus sich heraus schaffen. Auch potenzielle neue Mitglieder sollten Ausdauer beweisen und Mut mitbringen, die Organisation zu prägen und aktiv mitzugestalten. Das fängt bei der Suche nach dem passenden Club an, geht über den gemeinsamen Dialog bis zu Projekten und Einsatzfeldern. Die Organisation selbst hat viel zu bieten, für das sich der Einsatz allemal lohnt: Ein internationales Netzwerk, Freundschaften und Völkerverständigung sind heute wichtiger denn je. Der erlebbare Vertrauensvorschuss, den jeder Rotarier kennt, wenn er im Ausland in einen Rotary Club kommt, ist einzigartig und unbezahlbar. Das gemeinsame Engagement bei Ehrenämtern und Projekten schweißt zusammen und es ist eine große Bereicherung und Erweiterung des persönlichen Horizonts. Rotary ist mit 1,2 Millionen Mitgliedern eine der besten und größten Serviceorganisationen der Welt. Wenn wir gemeinsam an unserer Organisation arbeiten und Mut zu Veränderungen haben, werden wir auch in Zukunft weiterhin große Räder drehen – anstatt uns um uns selbst.


Beate Holzwarth
RC Bad Dürkheim
Die 47-Jährige engagiert sich auf Distrikt- und Deutschlandebene in der Öffentlichkeitsarbeit und im Jugenddienst. Im Vorjahr war sie Präsidentin ihres Clubs und ist nun Mitglied im Host Organization Committee (HOC).
Ihr Beruf: Kommunikation und Strategie (Daimler AG).