https://rotary.de/gesellschaft/singapur-neu-entdecken-a-23201.html
Rotary Aktuell

Singapur neu entdecken

Rotary Aktuell - Singapur neu entdecken
Blick auf Singapur © hype digital/yik keat

Der Austragungsort der Rotary Convention 2024 erfindet sich immer wieder neu. Der Chefredakteur des US-Magazins Rotary war schon mehrfach vor Ort und gibt Einblick in diesen pulsierenden Stadtstaat in Südostasien.

01.02.2024

Ein Jahr nach Beginn meiner Tätigkeit bei RI nahm ich im Juni 1999 an meiner ersten Convention teil. Zu diesem Zeitpunkt lernte ich Singapur zum zweiten Mal kennen. Das erste Mal weilte ich fünf Jahre vorher als Journalist dort, um über den dritten europäisch-ostasiatischen Wirtschaftsgipfel zu berichten. Damals wurde Singapur in den westlichen Finanzmedien als erfolgreichste Entwicklungsgeschichte des 20. Jahrhunderts gefeiert, und zahlreiche politische Entscheidungsträger, Wirtschaftswissenschaftler und Geschäftsleute aus ganz Europa und Asien reisten zum Gipfeltreffen an.


Hören Sie hier den Artikel als Audio!

Einfach anklicken, auswählen und anhören!


2024, Singapur neu entdecken
Touristen besuchen den HSBC Rain Vortex im Jewel Changi Airport, den mit 40 Meter Höhe größten Indoor-Wasserfall der Welt. © Adobe Stock

Aufgewachsen in China, das unter der drakonischen Herrschaft Maos über Jahrzehnte hinweg in Armut gestürzt wurde, war ich wie Millionen anderer Chinesen vom wirtschaftlichen Erfolgsmodell Singapurs begeistert. Mein erster Eindruck 1994 waren die hell erleuchteten Wolkenkratzer am Singapore River, die mich in meinem Glauben bestärkten, dass dies ein Ort der Moderne und des Wohlstands ist. Dieser Eindruck wurde bei meiner Rückkehr 1999 weiter bekräftigt. Der Eindruck der wohlhabenden Moderne war für mich noch immer spürbar, doch in anderer Hinsicht war ich an einem völlig neuen Ort angekommen. Bei meinen Streifzügen durch das multikulturelle Singapur wurden meine Sinne mit neuen Eindrücken bombardiert. Ich kaufte Gewürze in Little India, besuchte die stattliche Sultan-Moschee in Kampong Gelam und ließ mir den berühmten hainanesischen Hühnchenreis in Chinatown schmecken. Ich dachte, endlich kenne ich Singapur.

Zumindest, bis ich den Film Crazy Rich aus dem Jahr 2018 sah. Die romantische Komödie wurde teilweise in Singapur gedreht und enthält atemberaubende Aufnahmen der architektonischen Sehenswürdigkeiten, üppigen Gärten und köstlichen Speisen des Landes. Zu meiner Überraschung waren viele der Szenen für mich kaum wiedererkennbar. Mir wurde klar, dass meine Vorstellungen von Singapur nicht mehr der Realität entsprachen. „Ein Erfolgsgeheimnis von Singapur ist unsere Fähigkeit, uns immer wieder neu zu erfinden, um überleben und wachsen zu können“, sagt Joanne Kam, stellvertretende Vorsitzende des Host Organization Committee (HOC) 2024 und Governorin 2022/23 des Distrikts 3310 (Brunei, Teile von Malaysia und Singapur). „Das Singapur im Mai 2024 wird sich also erheblich von dem Singapur unterscheiden, dass Sie und andere kennen.“ Diese Aussage wurde auf der RI Convention in Melbourne in einem Werbevideo am Stand von Singapur erneut bekräftigt. „Sie glauben, Sie kennen Singapur?“, fragt darin eine tiefe Stimme. „Da irren Sie sich.“ Es war, als würde die Stimme mich zurück nach Singapur rufen. Im Juli 2023 leistete ich ihr Folge und besuchte die Stadt in Vorbereitung auf die Conven tion 2024 erneut. Vom 25. bis 29. Mai werden Tausende von Rotary-Mitgliedern nach Singapur aufbrechen. Bis es so weit ist, lehnen Sie sich zurück, während ich einige der Schönheiten dieses pulsierenden und schillernden modernen Landes beschreibe.

Eine Stadt im Grünen

2024, Singapur neu entdecken
Die Gassen von Chinatown erwachen nachts zum Leben. © happycreator, richie chan

Ich bin gerade in Singapur angekommen und fahre die Orchard Road entlang, in der sich ein Luxusgeschäft an das nächste reiht. Plötzlich sehe ich einen 23-stöckigen Tropenwald aus den offenen Terrassen eines stapelförmigen Hochhauses vor mir aufragen. Es ist das neu eröffnete Pan Pacific Orchard Hotel, das mir vom HOC empfohlen wurde. Während sich der freundliche Rezeptionist in der Lobby unter freiem Himmel um meine Papiere kümmert, lasse ich mir von einem Hotelpagen die Terrasse im zweiten Stock zeigen, die im Prinzip ein kleiner Tropenwald voller exotischer Bäume ist. Ich setze mich auf eine Steinstufe und schließe die Augen. Das Rauschen eines herabstürzenden Wasserfalls beruhigt meinen erschöpften Geist.

Meine Tagträumerei auf der Forest Terrace war die passende Einführung in Singapur, das zu Recht den Namen „Gartenstadt“ trägt. Allerdings nennen die Singapurer ihre Metropole lieber „Stadt in der Natur“, denn sie wollen das grünste Ballungsgebiet der Welt werden. Mehr als 40 Prozent des Stadtstaates sind von Vegetation bedeckt. Laut staatlichen Vorgaben müssen alle neuen Gewerbe- und Wohnbauten grüne Dächer, bewachsene Mauern oder üppige Gärten haben, um den Wärmeinseln vorzubeugen, wie sie in fast allen Großstädten zu beobachten sind.

Beim Frühstück am nächsten Tag macht mich Peng Sum Choe, Past-Präsident des Rotary Clubs Pandan Valley und CEO der Pan Pacific Hotels Group, mit dem biophilen Konzept vertraut, das der Naturforscher E. O. Wilson als den unwiderstehlichen Drang des Menschen, sich mit anderen Lebensformen zu verbinden, definierte. Das biophile Design, so Choe, sei jetzt überall in Singapur zu finden, wo die Natur – das Grüne – kunstvoll in das Stadtbild integriert ist.

Das bahnbrechende Konzept einer Gartenstadt geht auf die Vision des ersten Premierministers von Singapur, Lee Kuan Yew, zurück, der später den Spitznamen „Chefgärtner“ erhielt. 1971 erklärte seine Regierung den ersten Sonntag im November zum jährlichen Baumpflanztag. Nach Aussage von Choe sind Baum-pflanz- und andere Umweltprojekte seit den letzten zwei Jahrzenten eine Priorität für die Rotarier in Singapur. Und die Stadt soll noch grüner werden: Der Singapore Green Plan 2030 sieht mehr als 81 Hektar an neuen Parkanlagen und eine Verdoppelung der jährlich gepflanzten Bäume vor.

2024, Singapur neu entdecken
Der hinduistische Sri-Veeramakaliamman-Tempel ist eine der zahlreichen Kultstätten in Little India. © Singapore Tourism Board

Wenn Sie diesen üppigen Pflanzenwuchs an einem farbenfrohen und futuristischen Ort sehen möchten, sollten Sie die 100 Hektar großen Gardens by the Bay besuchen, in denen viele Naturattraktionen zu finden sind. Der Flower Dome wurde vom Guinness-Buch der Rekorde zum größten Glasgewächshaus der Welt erklärt und bietet Orchideen, Magnolien und einer Vielzahl an anderen Pflanzen aus der ganzen Welt ein Zuhause. Der Cloud Forest ist ein besinnliches Traumland mit ungewöhnlicher Flora und atemberaubenden Rundblicken. Dagegen erheben sich die bewaldeten Hänge des Cloud Mountain bis zu 35 Meter in die Höhe. Verwundert es da noch, dass Choe Singapur als einen „Leuchtturm“ für den nachhaltigen Tourismus bezeichnet?

Schnittpunkt der Kulturen

Im Mai kamen Rotary-Führungskräfte während der Convention in Melbourne für ein „Welcome to Singapore“-Video zusammen. Ghim Bok Chew überreichte ihnen dabei Seidenschals, die mit einer strahlenden und mehrfarbigen Orchidee namens „Vanda Miss Joaquim“ verziert waren. Chew ist RI-Direktor und Leiter des HOC der Convention 2024. Er erklärte mir später, dass die Orchidee nach der armenischstämmigen Frau benannt wurde, die diese Hybridblume vor mehr als 100 Jahren in Singapur gezüchtet hatte. Er erzählte mir, dass diese Orchidee die Nationalblume Singapurs und ein Symbol für seine Geschichte und nationale Identität sei. Gleichzeitig ist sie ein treffendes Symbol für das multikulturelle Erbe des Inselstaates.

Bereits am ersten Tag in Singapur erhalte ich einen Eindruck von diesem Erbe, als mich Joanne Kam, meine rotarische Reiseführerin und Beraterin, nach Chinatown mitnimmt. Hier sehen wir einen Tempel, in dem eine heilige Reliquie ausgestellt ist. Dann ein Zentrum für chinesisches Kulturerbe und Dutzende chinesischer Restaurants, darunter das Hawker Chan, das für seinen Hühnchenreis mit Sojasoße berühmt ist, der einst das billigste Gericht war, das je mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde.

Chew isst mit uns Dim Sum im Restaurant Yum Cha, das einem Rotarier gehört. Er erzählt mir, wie seine Großeltern auf der Suche nach besseren wirtschaftlichen Möglichkeiten die Dörfer ihrer Vorfahren in der südchinesischen Provinz Fujian verließen und nach Singapur aufbrachen. Während seine Cousins chinesische Schulen besuchten, brachen seine Eltern mit der Tradition und schickten ihn auf eine englischsprachige Schule. Nach seinem Informatik-Studium an der University of Liverpool kehrte er zurück und begann eine Karriere in der IT und im Finanzwesen.

An dritten Tag meiner Reise begleitet mich Kam in das malaiische Viertel Kampong Gelam. Dort treffe ich den Unternehmensberater Tengku Indra. Er ist ein direkter Nachfahre von Hussein Shah, den die Briten im frühen 19. Jahrhundert als Sultan von Singapur anerkannten. Auch wenn die Familie den Titel später verlor, lebt das königliche Erbe im Namen von Tengku Indra weiter, denn „tengku“  bedeutet „Prinz“ auf Malaiisch. In traditioneller Baju-Melayu-Kleidung führt mich der Gründungspräsident des Rotary Clubs Kampong Gelam durch eines der ältesten Stadtviertel Singapurs. Während unseres Spaziergangs deutet Tengku Indra auf die goldene Kuppel der Sultan-Moschee, die sein Vorfahre für seine Untertanen errichten ließ. Auf den Straßen finden Besucher handgefertigten Schmuck, Parfüm und Accessoires für die islamische Pilgerfahrt nach Mekka. Tengku Indra betont, dass sich in dem Viertel auch indische und chinesische Geschäftsleute niedergelassen und eine Heimat gefunden haben.

Meine nächste Verabredung ist in Little India, wo die beiden Rotarier Rajamohan Munisamy und Anil Changaroth auf mich warten. Changaroth lädt uns zu einem üppigen Mahl im Madras New Woodlands ein, einem südindischen Restaurant im Zentrum von Little India. Dort kann man auch die korinthischen Säulen der Abdul-Gafoor-Moschee, eine 15 Meter hohe Buddha-Statue im Sakya-Muni-Buddha-GayaTempel und die bunten Läden in der Serangoon Road bewundern, in denen traditionelle indische Kleidung, getrocknete Kräuter und Gewürze verkauft werden.

2024, Singapur neu entdecken
Joanne Kam und Tengku Indra spazieren durch Kampong Gelam. © Wen Huang

Bei Paratha, einem indischen Fladenbrot, und hauchdünnen Dosa-Pfannkuchen erklärt mir Anil Changaroth, der Gründungspräsident des RC of Peace Builders Singapore, die verschiedenen Arten südindischer Speisen. Ich sitze neben Rajamohan Munisamy, dem stellvertretenden HOC-Vorsitzenden. Er ist praktizierender Hindu, und seine Frau ist Katholikin philippinischer Abstammung. Ihre drei Töchter haben sich für die Religion der Mutter entschieden. „Vielfalt ist uns sehr wichtig“, sagt Munisamy. „Singapur hat nicht viele natürliche Ressourcen. Aber wir sind reich an Humanressourcen. Wir wollen, dass Menschen aller Ethnien friedlich miteinander leben und arbeiten.“

Als ich Singapurs multikulturelles Modell als Schmelztiegel bezeichne, werde ich von Joanne Kam korrigiert: „Ein Schmelztiegel ist eine Gesellschaft, in der sich die Menschen zu einer kulturellen Grundnorm vermischen, die auf der vorherrschenden Kultur basiert.“ In Singapur wird jede ethnische Gruppe angeregt, ihre einzigartige Kultur und Tradition zu bewahren und die der anderen zu schätzen. Und sie bestätigt die Aussage von Chew, dass „Rotary in Singapur ein Abbild unserer multikulturellen Gesellschaft“ ist, und gibt ihrer Hoffnung Ausdruck, dass in einer Zeit, in der viele Gesellschaften von ethnischen Konflikten erschüttert werden, die Convention eine Möglichkeit für Singapur – und Rotary – sein wird, um ihren einzigartigen Ansatz für ethnische und kulturelle Harmonie zu präsentieren.

Wen Huang


 Neue Ideen entdecken


„Die Convention ist eine großartige Möglichkeit, um neue Ideen zu entdecken, andere Menschen kennenzulernen und Partner für Projekte zu finden. Sie ist spannend, inspirierend und energiegeladen. Auf der Convention bauen wir gemeinsam unsere Zukunft weiter auf, die Zukunft von Rotary.“

 

 


Die Welt sehen

2024, Singapur neu entdecken
Mamta Jaiswal, Nagpur/Indien – Zwei Conventions –


„Mein Mann sagt immer zu mir: ,Mamta, du willst die Welt sehen. Warum fährst du nicht zur Convention?‘ Deshalb mache ich das jetzt. Ich fahre dieses Jahr nach Singapur. Und im Jahr darauf nach Calgary. Und bevor es letztes Jahr von Melbourne zurück nach Hause ging, bin ich erst nach Neuseeland, dann nach Sydney und dann wieder nach Indien geflogen.“

  


Energie tanken


„Selbst wenn man sich als Mitglied nicht so richtig wohlfühlt, gibt es keine bessere Medizin dafür als die Teilnahme an der Con ven tion. Alles ist so positiv, und man lernt tolle neue Freunde kennen. Es fällt mir schwer, einen besonderen Moment zu benennen, es sind die Emotionen, die man nie vergessen wird.“

 


 Geschichten hören, die das Leben verändern

2024, Singapur neu entdecken, Jerald Coughter
Jerald Coughter, Belmont/North Carolina – Drei Conventions –


„In meinem Beruf war ich auf gefühlt einer Million Kongressen. Selten habe ich hinterher gedacht: ,Wow. War das fantastisch.‘ Dagegen waren meine Erfahrungen auf den Conventions immer erbaulich. Du hörst Reden von Experten. Du lernst Menschen aus der ganzen Welt kennen. Das kann dein Leben verändern. Außerdem finden die Conventions an interessanten Orten statt!“