Standpunkt
Stoppt den Drehtüreffekt
Während Rotary Clubs in manchen Ländern ausdünnen, gelten die Mitgliederzahlen im deutschsprachigen Raum als stabil. Warum trotzdem Handlungsbedarf besteht, erklärt Marianne Broska.
Eine beachtliche Anzahl von beeindruckenden Projekten wurde gerade erst für die Flutopfer im Ahrtal und nur kurze Zeit später zugunsten der ukrainischen Bevölkerung realisiert. Dabei haben wir alle erfreut feststellen können: Das rotarische Netzwerk mit seinen Mitgliedern als Multiplikator des rotarischen Gedankens „Service Above Self“ funktioniert. Nur: Damit das so bleibt, müssen wir unsere Mitglieder im Club und gleichzeitig aktiv halten, kontinuierlich passende, dabei aber unterschiedliche Mitglieder hinzugewinnen und dafür sorgen, dass die Clubs nicht überaltern.
Jeder Club kann neue Wege beschreiten und attraktive Modelle entwickeln, die zu neuen Mitgliedern führen. Past-RI-Präsident Holger Knaack gab dazu bereits 2020 den Impuls: Von 18 bis 80 Jahren ist jede Person willkommen, die in den Club passt und den rotarischen Gedanken mit Leben füllt.
Ausreichend rotarische Luft schnuppern lassen ...
Aber wie lässt sich dieses „Passen“ feststellen? Durch einen Vortrag, eine Betriebsbesichtigung oder eine Verabredung zum Kaffee? Eine Möglichkeit ist, dem möglichen Neumitglied die Gelegenheit zu eröffnen, das Clubleben und die Mitglieder, vor allem ihr Verständnis von Rotary, zu erleben. Durch die Teilnahme an mehreren Meetings hätten sowohl das potenzielle Mitglied als auch der Club eine Gelegenheit zum persönlichen Kennenlernen. Werden die gegenseitigen Erwartungen erfüllt, kommt es zur Aufnahme.
Oft aber lähmen die Clubs sich selbst in ihrer Aufnahmepolitik mit einem langatmigen Prozedere, das von einem Aufnahmeausschuss praktiziert wird. Mitgliedschaft ist nicht delegierbar, Mitgliedschaft geht jeden Rotarier an. Es geht um Freundschaft, und jeder ist aufgefordert, seinen Beitrag zum Wohlfühlklima im Club zu leisten. Das entsteht nicht, wenn Aufnahmeausschüsse nach selbst geschaffenen Auswahlkriterien Listen mit potenziellen Neumitgliedern erstellen. Elitär, langatmig und träge stellt sich dieses unnötig komplizierte Verfahren dar. Vom ersten Ansprechen bis zum Vortrag und der möglichen Aufnahme vergehen oft Monate, dabei sollten Ausschüsse unterstützen und beschleunigen.
In den deutschsprachigen Zonen wie etwa in Österreich verzeichnen wir zwar beachtliche Zuwachszahlen, leider gibt es aber gleichzeitig viele Austritte – das ist der sogenannte Drehtüreffekt. Das neue Mitglied tritt in den Club ein, schnuppert ein wenig rotarische Luft und verlässt Rotary nach kurzer Zeit wieder. Warum? Umfragen zeigen, dass die Erwartungen nicht erfüllt werden. Das eigene Engagement wird weder abgerufen noch gefördert, das Mitglied fühlt sich nicht eingebunden und wenig willkommen. Scheinbar fehlt es in so manchem Club an Willkommenskultur und Mitgliedschaftspflege, was die Aufgabe eines jeden Rotary-Mitglieds sein sollte, aber in erster Linie in das oft verkannte und unterschätzte Amt des Clubdienstes fällt.
... und im Beitrittsfall sofort Verantwortung übertragen
Unser aller Bestreben muss es sein, die Rotarier in unseren Clubs immer mal wieder mit den Grundgedanken von Rotary „Doing Good In The World“ und „Service Above Self“ zu konfrontieren. Womit sonst ist das Tragen der rotarischen Nadel gerechtfertigt? Auch RI-President elect Jennifer Jones stellt in ihrer Rede vom 20. Januar 2022 auf der Virtual Assembly das engagierte Mitglied in den Mittelpunkt: „Wir müssen unsere Mitglieder stärker einbinden. Wenn du verantwortungsvolle Kinder willst, musst du ihnen Verantwortung übertragen!“ Diesen Appell richtet sie mit Nachdruck an die Clubs. Mitglieder einzubinden, ihnen Verantwortung und somit Erfolge in der rotarischen Welt zu ermöglichen, stellt Bindung her. Alles ist möglich, auch Tandemlösungen im Vorst and sind denkbar, um das Arbeitsvolumen überschaubar und für jeden machbar zu gestalten. Vor allem aber müssen wir uns um den Nachwuchs aus den eigenen Reihen kümmern. Viel zu oft verlieren wir Austauschschüler aus dem Blickfeld, legen Rotaract-Mitgliedern zu viele Steine in ihren Weg in unsere Clubs und scheuen das manchmal mühsame Gründen – vor allem aber Aufrechterhalten – von Interact Clubs. Es gibt viele Ansätze, um Rotary zukunftsfähig aufzustellen, deshalb haben wir in den letzten Jahren zahlreiche Veranstaltungen zum Thema Stärkung der Mitgliedschaft durchgeführt. Mögen die Impulse unseres Teams mit Franziska Roberta Schneider und Carl Philip Pöpel auch weiterhin ihre positive Wirkung in den Clubs entfalten, denn: We are family, together we grow, together we inspire!
Die dreijährige Amtszeit von Marianne Broska als Rotary International Coordinator für Membership endet am 30. Juni 2022. Nachfolgerin ist Past-Gov. Anke Schewe (RC Essen-Gruga).
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