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Vom Einsatz her denken

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Boris Pistorius wünscht zum Abschied alles Gute: Bis Ende 2027 soll die Brigade Litauen mit rund 4800 Soldatinnen und Soldaten einsatzbereit sein. © Kay Nietfeld/Picture Alliance/DPA

Die Bundeswehr steht vor einer harten Bewährungsprobe an der Ostflanke der Nato. Jetzt muss es schnell gehen

Frank-Jürgen Weise01.04.2025

Abschreckung findet zuvorderst im Kopf statt. Und darum muss die Bundeswehr glaubwürdig aufgestellt und ausgestattet sein, um dem potenziellen Aggressor die Konsequenzen seines Handelns vor Augen zu führen. Im Oktober 2010 hat die von der Bundesregierung beauftragte „Strukturkommission der Bundeswehr“ – deren Vorsitz ich hatte – ihren Bericht unter dem Titel „Vom Einsatz her denken. Konzentration, Flexibilität, Effizienz“ vorgelegt. Damals war der Einsatz ein anderer (Afghanistan), aber Herausforderung und Anspruch haben sich 2025 nicht geändert: Die Bundeswehr muss konsequent vom Einsatz her gedacht, aufgestellt und ausgerüstet sein. Alles andere ist von Übel! Und dieser Einsatz ist an der Ostflanke der Nato.

Ende des „flexiblen Fähigkeitsmanagements“

Es gibt kein Erkenntnisdefizit – es gibt fehlenden politischen und militärischen Führungswillen sowie objektive Umsetzungshindernisse. Zur Lage der Bundeswehr und den Herausforderungen einer gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge steht alles geschrieben und ist alles gesagt. Jetzt muss energisch umgesetzt werden. In der Zeit der Afghanistan-Operationen musste die Bundeswehr Einsatzkontingente vorhalten, rollendes Material und Kampftechnik wurden aus allen Einheiten zusammengezogen. Diese „Verwaltung des Mangels“ nannte man euphorisch „flexibles Fähigkeitsmanagement“. Heute steht die gesamte Bundeswehr in der unmittelbaren Landesund Bündnisverteidigung; und hier stellt das Deutsche Heer die Masse der Kräfte. Zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte wird ein deutscher Kampfverband dauerhaft im Ausland stationiert (Brigade Litauen). Ein Kraftakt, den das Deutsche Heer meistern wird.

Mit der anstehenden Änderung des Grundgesetzes zur Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigung gibt es Licht am Ende des Tunnels. Sollten sich die Verteidigungsausgaben – in Abstimmung mit den europäischen Partnern – bei zwei Prozent (plus) der Wirtschaftsleistung einpendeln, wäre dies eine Größenordnung von 100 Milliarden Euro jährlich. Hinzu kommen Aufwendungen für gemeinsame Rüstungsvorhaben und die militärische Ertüchtigung der Ukraine auf europäischer Ebene.

Absicherung des Waffenstillstands

Eine große Herausforderung ist die Demografie: Dem aktuellen Bericht der Wehrbeauftragten entnehmen wir, dass das Ziel, bis 2031 die Personalstärke der Bundeswehr auf 203.000 Aktive in der Truppe anzuheben, weiter angestrebt wird. Zum September 2024 stand die Kopfstärke bei 179.317 – der niedrigste Stand seit 2018. Eine allgemeine Dienstpflicht, die den Dienst in der Bundeswehr sowie eine starke Reserve beinhaltet, kann dazu beitragen, das Bewerberreservoir aufzufüllen. Es wird das demografische Grundproblem jedoch nicht lösen. Es bleibt viel zu tun.

Und schon zeichnet sich eine neue Herausforderung am Horizont ab. Sollte es zu einer militärischen Absicherung eines Waffenstillstands in der Ukraine kommen, werden sich die Europäer nicht verwehren können. Eine Aufgabe für die Deutsch-Französische Brigade.

Frank-Jürgen Weise
Dr. Frank-J. Weise, RC Nürnberg-Sebald, ist Oberst der Reserve und ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit.

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