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Wir haben keinen Planeten B

 - Wir haben keinen Planeten B
Energie für die Zukunft: Westfälischer Wind statt rheinische Braunkohle - doch noch ist das Ziel nicht erreicht. © Karola Müller von der Grün

Die Energiewende neu zu denken und persönlich zu handeln. Dazu rief auf der Distriktkonferenz in Langen Wolfgang Messing vom RC Mülheim a.d. Ruhr-Uhlenhorst auf. Gemeinsam mit Karl-Heinrich Link (RC Wiesbaden) verfasste er diesen Beitrag.

14.07.2025

Es gibt den Klimawandel, und dieser ist von Menschen ausgelöst. Bisher ist keine global abgestimmte Strategie erkennbar, wie die Emission klimaschädlicher Gase in die Atmosphäre wirkungsvoll eingedämmt werden kann.

Mehr als 50 Prozent dieser Treibhausgase werden in China, USA, Indien und Russland generiert, Länder mit mehr oder weniger ausgeprägten autokratischen Führungsstrukturen und wenig Sinn für Maßnahmen zum Klimaschutz oder, wie im Fall der USA, regiert von einem Klimaskeptiker ("Drill, baby drill!"). Folglich wird zurzeit fast der Hälfte der Weltbevölkerung das Bewusstsein für einen Klimawandel kaum nahegebracht. Darüber hinaus erleben viele asiatische Länder einen industriellen Aufschwung. Ihre Bewohner werden in Zukunft wenig Bereitschaft zum klimafreundlichen Verzicht auf Konsum zeigen.

Die Folge: Der Treibhausgasanteil in der Atmosphäre steigt stetig weiter an. Das mit dem Pariser Abkommen von 2015 gegebene Versprechen der Weltgemeinschaft auf eine globale Klimaneutralität bis 2050 scheint nicht mehr erreichbar. 

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Windräder sollen stärker in den Fokus rücken. © Karola Müller von der Grün

Dagegen will die Europäische Gemeinschaft (EU-27) mit den"Green Deal"-Projekten die Pariser Zielvorstellung realisieren. Auch Deutschland handelt: Die Ampel-Koalition hat die Klimaneutralität gesetzlich bereits für 2045 festgelegt. Die neue schwarz-rote Regierung hat diese Vorgabe in ihrem Koalitionsvertrag bestätigt, verbindet sie allerdings mit dem Hinweis, dass das Industrieland Deutschland dabei keinen Schaden nehmen darf.

Für den Weg zur Klimaneutralität hat die Scholz-Regierung der Energiewirtschaft 2023 einen in der EU einzigartigen Weg vorgegeben: 80 Prozent des prognostizierten Strombedarfs in 2030 soll aus erneuerbaren Energiequellen kommen. Zusammen mit dieser Zielsetzung wurden die auf Windkraft- und Photovoltaikanlagen verteilten Erzeugungsleistungen definiert. Diese Vorgaben mögen in den nächsten fünf Jahren realisierbar sein.

Die volatile Energieerzeugung dieser Anlagen erfordert allerdings einen enormen Umfang an Stromspeichern in Phasen von Überschussstrom sowie an Back-up-Kraftwerken zur Abdeckung von Dunkelflauten oder Spitzenlasten. Darüber hinaus fehlt es an Trassen zur Durchleitung des erzeugten Stroms in die industriellen Ballungszentren. Infolge langer Genehmigungs-, Liefer- und Installationszeiten wird die bedarfsgerechte Stromversorgung aller industriellen und privaten Verbraucher voraussichtlich zum Engpass einer erfolgreichen grünen Energiepolitik werden.

Auch für die von der Ampel-Regierung vorgegebenen Produktionsmengen an grünem Wasserstoff als Ersatz fossiler Reaktionsmittel oder Energieträger werden bis 2030 kaum ausreichend erneuerbare Energien zur Verfügung stehen. Hier fehlen zudem Abnahmegarantien, um Interessenten zu einer Investitionsentscheidung zum Bau von Wasserstoffelektrolysen zu bewegen.

Dies hat insbesondere einen Einfluss auf den von staatlicher Seite geförderten Umbau deutscher Stahlwerke zur Grünstahl-Produktion. Bisher wird in der Prozessabfolge der Stahlproduktion zunächst Eisenerz in einem Hochofen über einen Reduktionsprozess unter Einsatz von Kokskohle zu Roheisen umgewandelt. Hierbei werden große CO2-Mengen freigesetzt. Nimmt man stattdessen Wasserstoff als Reduktionsmittel, erfolgt die Roheisengewinnung nahezu klimaneutral.

Es ist – Stand heute – absehbar, dass die ersten im Bau oder in der Planung befindlichen Reduktionsanlagen aus Mangel an Wasserstoff bis weit über 2030 hinaus mit klimaschädlichem Erdgas betrieben werden müssen. Damit würde der Teil der zugesagten Förderungsgelder, der an die Herstellung von grünem Stahl gebunden ist, erst nach einer längeren Produktionsphase ausgezahlt – ein hohes unternehmerisches Risiko für die involvierten Unternehmen.  

Die neue schwarz-rote Koalition hat angekündigt, die eingeleitete Klimatransformation auf den Prüfstand zu stellen. In jedem Fall soll in Zukunft weniger reguliert und mehr ermöglicht werden, um die angeschlagene deutsche Wirtschaft zu ertüchtigen.

Mit dem Potential gewonnener Erfahrungen aus realisierten Projekten kann Deutschland angesichts der hohen Kompetenz deutscher Ingenieure Vorbild auf dem Weg zur weltweiten Klimaneutralität sein. Auf ein Wirtschaftswunder grüner Klimatransformation, wie es der ehemalige Bundeskanzler Olaf Scholz 2023 ausgerufen hatte, zu hoffen, erscheint allerdings verwegen.

Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass der (relativ kleine) deutsche Klima-Fußabdruck angesichts der weltweiten Emissionen keinen Beitrag im Sinne eines Gamechangers leisten kann.

Umso wichtiger ist es, weltweit darauf einzuwirken, Maßnahmen zum Klimawandel entschiedener anzugehen, damit die Folgegenerationen sicherer leben können. Es macht dabei ein wenig optimistisch, dass China – die "Werkbank der Welt" – der derzeit weltweit größter Emittent von Treibhausgasen, nicht nur in der Fertigung von Komponenten wie Photovoltaik-Panels und Windrädern sowie E-Autos global führend ist, sondern mittlerweile auch zu deren Anwendung im eigenen Land große Bemühungen unternimmt.  

Als Ingenieur und Arzt, als Väter und Großväter sind wir überzeugt: Damit unsere Folgegenerationen sicher leben können, müssen die katastrophalen, aus allen Ufern geratenen CO2-Emissionen durch den Menschen gestoppt und deren Ursachen beseitigt werden.

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Zu Hause im Revier: Familie Messing. 
Im Hintergrund erkennt man den Hochofen 2 aus dem ehemaligen Roheisenwerk der August Thyssen AG, 1985 stillgelegt. Die Begrünung vor dem Hochofen steht sinnbildlich dafür, dass in dem einstigen Industrieareal die Natur wieder „das Kommando übernimmt“ und der „Landschaftspark“ immer mehr Gestalt erhält.

Unsere Quintessenz für den Hausgebrauch lautet etwas bescheidener, aber nicht weniger anspruchsvoll: Es sind vor allem unsere eigenen Entscheidungen, wie die Wahl des Stromanbieters, die Ernährungsweise und die Wahl unseres Transportmittels, die hauptsächlich zum Verlauf des Klimawandels beitragen können.

Bei allem darf nicht vergessen werden: Wir haben keinen Planeten B.


Zu den Autoren:

Wolfgang Messing (RC Mülheim an der Ruhr-Uhlenhorst) hat seinen Lebensmittelpunkt im Ruhrgebiet, studierte an der RWTH Aachen Maschinenbau mit der Fachrichtung Verfahrenstechnik, war weltweit mit Verkauf, Bau und Inbetriebnahmen von Industrieanlagen, insbesondere in der Stahl- und Kraftwerksindustrie, aktiv, ist seit der Gründung 1998 Mitglied des RC Mülheim a.d. Ruhr-Uhlenhorst und war Präsident 2006/07. Er erlebt seine gesamte Familie in unmittelbarem Umfeld in vier Generationen mit einem 100-jährigen Vater, Rotarier in Duisburg, der ausdrücklich die Klimawandelansichten seines Sohnes teilt, verfolgt aufmerksam das Aufwachsen seiner vier Enkelinnen, derzeit in einem Alter zwischen 2-12 Jahren, die mit großer Wahrscheinlichkeit bis ins nächste Jahrhundert hinein am Geschehen auf unserem Planeten Anteil nehmen werden, für dessen weitere lebenswerte Entwicklung in dieser Zeit die Weichen gestellt werden müssen.

Karl-Heinrich "Carlo" Link (RC Wiesbaden) ist APL Professor für Allgemein- und Viszeralchirurgie an der Universität Ulm, war Direktor Chirurgisches Zentrum APK Wiesbaden, war Student der Philosophie/Ethnologie an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz 2018-2022, war Präsident des  RC Wiesbaden 2010/2011 und Distriktgovernor D1820 2018/2019, übte weltweit wissenschaftliche Tätigkeiten aus (siehe: www.kh-link.de; www.colon-rectal-cancer.com), führte erstmalig umfassend lebensrettende Behandlungsmethoden in der interdisziplinären Krebsbehandlung in Deutschlang mit der Studiengruppe FOGT, Studienzentrale Universität Ulm (Leitung KH Link) ein, verfasste nach Beendigung des oben genannten Studiums das Sachbuch "Klimawandel!" (Verlag Linus Wittig) – für die eigenen 3 Kinder und 3 Enkel sowie für  alle.