Erinnerungen an 1991
Wie alles begann
Am 15. Juni 1991 war ich als Governor elect bei der Charter des RC Bled anwesend. Alles sprach von der bevorstehenden Erklärung der Unabhängigkeit Sloweniens. Stand mein offizieller Besuch im kommenden Monat infrage? Würde ich plötzlich Visa brauchen, denn gleich Slowenien wollte sich auch Kroatien am 25. Juni 1991 für selbstständig erklären? Unmittelbar danach brachen Kampfhandlungen zwischen slowenischen Kräften und der jugoslawischen Volksarmee aus. Das Österreichische Bundesheer organisierte seinen ersten und wohl einzigen Grenzsicherungseinsatz. Wenig später fuhr ich trotzdem zu Clubbesuchen in Ljubljana, Bled und Zagreb, vorsichtshalber per Bahn, nicht im Auto. Es war eine Reise ins völlig Ungewisse, keine Auskünfte über Verbindungen, keine Fahrkarte bis zum Ziel, nichts. Ich kam gut nach Ljubljana. Beim RC Bled erklärte der Präsident, wenige Tage zuvor seien noch die Panzer der Volksarmee vor dem Clublokal auf und ab gefahren, in Zagreb zeigte man mir im Zentrum den Sitz des nunmehrigen Präsidenten. Nicht lange danach schlug eine Granate in das Gebäude ein, die Front war nicht allzu weit. Überall nahm man mich sehr freundlich auf, aber Nationalitätenspannungen waren spürbar. „Die mit der anderen Religion“ hörte ich im katholischen Slowenien über die orthodoxen Serben, aber beide Seiten waren Teile des Distrikts 1910. Österreich sei schuld an den Konflikten, weil man in Jahrhunderten habsburgischer Herrschaft vor der osmanischen Expansion Fliehende nebeneinander angesiedelt hatte. Tatsächlich entstand so stückweise die seit 1527 errichtete Militärgrenze Österreichs gegen die Osmanen, in deren Wehrdörfer sich Christen, egal welcher Glaubensrichtung, integrierten. Diese Grenze wurde zwar 1878 aufgelöst, die Einsprengung verschiedener Nationalitäten und Bekenntnisse blieb aber bestehen, teils bis heute. Einmal nahm mich Ivan Husi?, Präsident des RC Zagreb, seit Juli 2011 erster Governor des neuen Distrikts 1913, nach Sisak mit. Das dortige Spital lag direkt an der Kampflinie und ein Wiener Club wollte beim Ersatz alter Geräte helfen. Wir fuhren an Maschinengewehrnestern vorbei, bis wir am Ziel ankamen. Vor den Fenstern des Operationssaals waren dicke Bretter. Der Chirurg erklärte, er könne nicht wegen eines jeden Artilleriefeuers eine Operation unterbrechen. Schließlich lehnte Husi? den Wunsch auf Gerätetausch ab. Selbst Spitalsarzt, wisse er, auch in kommunistischer Zeit hätte man veraltete Geräte ersetzen können. Berührend war der Händedruck eines Versehrten mit einer von Rotary finanzierten Prothese. Wie so oft sah man manches in Ungarn etwas anders. „Bittä scheen, haben uns Tierken von Esterreichern befrait“, sagte mir halb im Spaß ein ungarischer Clubpräsident. Kein Spaß war hingegen, dass man anfangs die Abgabe von Clubberichten an den Distrikt verweigerte. „Wir wollen nicht, dass irgendwer liest, worüber wir sprechen.“ Punktum! So misstrauisch war man in den totalitären Zeiten geworden. Es dauerte lange, bis dieses Gefühl überwunden war. Erst im Januar 1992 fand mein Besuch in Belgrad statt. Die militärische Situation hatte sich verschärft, Bedingung für mein Kommen war, Österreichs Botschaft müsse arbeiten und die AUA (Austrian Airlines) fliegen. Am Wiener Flughafen erfuhr ich, die Jugoslawen hätten am Vortag einen Hubschrauber der UN abgeschossen, die AUA-Flüge seien sistiert und ich zur JAT umgebucht. Nolens volens flog ich, der Club Belgrad empfing mich aber herzlich. Man würdigte, dass ich gekommen war. Bald machten wir Pläne für die Charter; am 28. Juni, dem serbischen Nationalfeiertag, sollte sie stattfinden. Raja Saboo, damals Präsident RI, machte dafür zur Bedingung, es dürften keine Sanktionen der UN über Jugoslawien verhängt sein, und ich versprach dies zu beachten. Nur wenige Tage vor der Feier traten aber sehr wohl UNO-Sanktionen in Kraft, und ich musste die Feierlichkeit absagen, den serbischen Freunden fehlte dafür jedes Verständnis. Erst 1995 konnten wir die Charter nachholen. Die Gegensätze zwischen den Nationalitäten hatten sich indessen eher verschärft, sie zu überbrücken war trotz Bemühungen nicht immer möglich. Zu tief waren manche Wunden geworden.
Mitglieder in den Extension-Gebieten aufzunehmen war anfangs nicht einfach. Wer war vertrauenswürdig, somit „rotarabel“? Nicht jede Empfehlung hielt Recherchen stand. Generell konnte man aber auf Selbstreinigung bauen, meist früher als später zeigte sich, wenn jemand rotarischen Ansprüchen nicht genügte. Seit den Anfängen sind nun über 20 Jahre verstrichen, aus Ungarn, Kroatien, Slowenien und Serbien wurden Distrikte. Rotary ist in diese Länder zurückgekehrt und wesentlich gefestigter als vor dem Weltkrieg, der dort alle rotarischen Aktivitäten beendete.