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Rotary und Unicef

Wie wir es schaffen, die ganze Welt gegen ein Virus zu impfen

Rotary und Unicef - Wie wir es schaffen, die ganze Welt gegen ein Virus zu impfen
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Der Kampf gegen Polio darf auch in der jetzigen Situation nicht vergessen werdenUnd wegen der Pandemie bedarf es derzeit weiterer Anstrengungen gegen Covid-19. Wie Impfungen helfen können

23.07.2021

Wir erleben einen Moment der Geschichte, der so noch nie dagewesen ist. Noch nie wurden solche Mengen an Impfstoff produziert und bereitgestellt. Die globale Gesundheitskampagne, in der wir uns gerade befinden, sucht ihresgleichen. In gewisser Weise lässt sich jedoch ein Vergleich anstellen, nämlich mit der Initiative gegen die Kinderlähmung. (siehe auch: www.nytimes.com/2020/12/25/health/covid-vaccine-polio.html)

Im frühen 20. Jahrhundert gab es nur wenige Krankheiten, von denen Kinder und Gemeinden weltweit mehr betroffen waren als von der Kinderlähmung (Polio). Auf dem Höhepunkt der Ausbreitung erkrankten jährlich 350.000 Menschen – überproportional betroffen waren Kinder unter fünf Jahren. In den frühen 1950er-Jahren führten Polio-Ausbrüche in Ländern weltweit zur Schließung von Schulen, Parks und Schwimmbädern – ähnlich wie wir es im vergangenen Jahr während der Coronavirus-Pandemie erlebt haben.

Wie haben wir eines der größten Gesundheitsprobleme dieser Zeit bewältigen können? Polio ist zwar nicht heilbar, es existiert jedoch ein wirksamer Impfstoff, mit dem man sich vor einer Erkrankung schützen kann. (www.who.int/health-topics/vaccines-and-immunization) 1955 wurde unmittelbar nach der Zulassung eines Impfstoffs eine Massenimpfkampagne gestartet. Nach nur fünf Jahren war die Zahl der Fälle von paralytischer Polio in den USA von 38.000 (Stand: 1954) auf 2.525 gesunken. 1988 war Polio zwar in den USA, Australien und weiten Teilen Europas verschwunden, jedoch in mehr als 125 Ländern weiterhin verbreitet. (www.sciencemuseum.org.uk/objects-and-stories/medicine/polio-20th-century-epidemic)

Damals setzten sich Rotary International, UNICEF und unsere Partner in der Global Polio Eradication Initiative (GPEI) – zu denen heute die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die US Centers for Disease Control and Prevention (CDC), die Bill & Melinda Gates Foundation und die Impfallianz Gavi gehören – das ehrgeizige Ziel, die Welt von Polio zu befreien. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die Kinderlähmung ist seitdem um 99 Prozent zurückgegangen und fast 19 Millionen Menschen, die sonst gelähmt worden wären, bleiben dank der Impfung unversehrt. Nur noch zwei Länder melden heute weiterhin Fälle von Infektionen durch das Polio-Wildvirus: Afghanistan und Pakistan.

Impfstoffe haben sich als eine der größten Errungenschaften der modernen Medizin erwiesen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass Impfstoffe jedes Jahr zwischen zwei und drei Millionen Menschen das Leben retten. Jetzt haben wir die Möglichkeit, die Covid-19-Pandemie durch Impfungen zu beenden.

Während die Entwicklung und Auslieferung von Impfstoffen in einigen Teilen der Welt für Hoffnung sorgt und dort eine Rückkehr zur Normalität in greifbare Nähe rückt, kommt es in vielen anderen Teilen der Welt weiterhin zu Ausbrüchen, sodass die täglich registrierten weltweiten Infektionen auf ihrem bisher höchsten Stand liegen. In Indien lagen die Covid-19-Neuinfektionen (covid19.who.int/region/searo/country/in) Mitte Mai bei über 400.000 pro Tag. Die Folge waren ein kritischer Mangel an medizinischem Sauerstoff, ein Mangel an freien Krankenhausbetten und eine steigende Zahl von Todesfällen. Wir müssen sicherstellen, dass Länder wie Indien und Brasilien in dieser Krise konsequent unterstützt werden und alle Bevölkerungsgruppen einen fairen und gleichberechtigten Zugang zu Impfstoffen erhalten. Dabei können wir uns an dem Konzept orientieren, das bereits bei der Ausrottung des Polio-Wildvirus so erfolgreich war.

Insbesondere die gerechte Verteilung der Dosen für die Polio-Schluckimpfung (Oral Polio Vaccine, OPV) an gefährdete Kinder auf der ganzen Welt – auch in abgelegenen und konfliktreichen Gebieten – war für den Fortschritt im Kampf gegen Kinderlähmung entscheidend. Das sollte uns als Richtschnur dienen, wenn es um unsere künftigen Bemühungen in Sachen Covid-19-Immunisierung geht. "Wir haben es selbst in der Hand, das Coronavirus erfolgreich einzudämmen – genau wie bei Polio", so Immediate Past Rotary-International-Präsident Holger Knaack. "Es gibt keinen technischen oder biologischen Grund, warum die Ausrottung von Polio oder Covid-19 in irgendeinem Teil der Welt scheitern sollte. Es ist nur eine Frage des politischen und gesellschaftlichen Willens."

Es geht darum, sicherzustellen, dass alle Menschen eine Impfung gegen das Coronavirus erhalten, sobald mehr Impfdosen verfügbar sind. Gleichzeitig sind wir uns bewusst, dass dies unsere Kapazitäten bei bestehenden Impfprogrammen für Kinder einschränken wird. "Wir müssen die Durchführung der Covid-19-Impfungen angemessen planen und darauf achten, dass unsere Bemühungen bei anderen wichtigen Impfungen und Services nicht darunter leiden", sagt dazu auch Henrietta Fore, Unicef Executive Director.

Letztendlich müssen wir alle zur Eindämmung der Pandemie beitragen: indem sich jede Person impfen lässt, sobald ein Impfstoff für verfügbar ist. Und indem wir uns alle gegen die Verbreitung von Fehlinformationen über Impfstoffe einsetzen und unsere Mitmenschen über die Sicherheit und Notwendigkeit von Impfungen aufklären. Gemeinsam müssen Organisationen wie Rotary und Unicef und unsere anderen Partner in der GPEI weiterhin die im Kampf gegen Polio entstandenen Strukturen nutzen, um Gesundheitssysteme weltweit zu stärken und die Immunisierung voranzutreiben. Denn die Pandemie ist für niemanden vorbei, bis sie für alle vorbei ist.

Quelle: Unicef Connect