Titelthema
Alte Vorbilder und neue Impulse
Französische und englische Rosengärten kennt jeder, luxemburgische nicht. Dabei war Luxemburg einst ein Rosenparadies. Heute ist das kleine Land auf dem besten Wege, wieder eines zu werden.
Während ich diese Zeilen schreibe, lächelt mich Rosa Filipes "Kiftsgate" an. Wie die Arme einer Riesenkrake strecken sich die Ableger der Ramblerrose über die Sträucher und kleinen Bäume, sodass die zartweißen Blüten wie Sommerschnee wirken. Der Anblick ist hochromantisch und hat etwas von einem Dornröschenmärchen. Meine anderen Rosen, darunter "Rosy Cushion", "The Fairy", "Shropshire Lad", "Président de Sèze" und "Raubritter" sind nicht so wüchsig und müssen nicht mit einer Kettensäge gebändigt werden; eine Gartenschere reicht, um die verwelken Blumen zu entfernen. Mein Traum von einem mit Rosen gefüllten Cottage-Garten ist in Erfüllung gegangen und ist der Grund, weshalb ich in einem wunderschönen, aber unpraktischen Haus aus dem 17. Jahrhundert im Südwesten von England lebe.
Formal oder lässig?
Ich musste weder lange überlegen, wo und welche Rosen ich pflanze, noch mir Gedanken über den Stil machen, denn beides wurde vom historischen Rahmen vorgegeben. Die meisten Gartenbesitzer aber können sich, solange die Standortbedingungen es zulassen, frei entscheiden – es ist lediglich eine Frage des Geschmacks. Vereinfacht betrachtet, stehen zwei Möglichkeiten zur Auswahl, eine geordnete und strukturierte Rosenschau im französischen Stil oder eine Mischung aus Rosen und Stauden im romantisch-ländlichen englischen Stil.
Ende des 19. Jahrhunderts waren die Franzosen führend in der Gestaltung von Rosengärten. Roseraie du Val-de-Marne bei Paris, entworfen 1899 vom Landschaftsarchitekten Edouard André für den Kaufmann und Rosensammler Jules Gravereaux war damals, und ist heute immer noch, vorbildlich. Rosen in ihren vielfältigen Erscheinungsformen von Bourbon-Rosen bis Tee-Rosen, auch Portland-Rosen, Edelrosen und viele mehr sind dort reihenweise in Beete gepflanzt. Kletterrosen sind auf Obelisken, Pergolen und über Seilen drapiert, alles, um die Blüten auf die bestmögliche Weise zu präsentieren.
Trotz der Beliebtheit von Rosarien entstand fast zeitgleich eine Gegenbewegung in England – inspiriert vom ländlichen, informellen Ambiente der Cottage-Gärten und Wildblumen am Wegesrand. Gertrude Jekyll (1843-1932) war führend in dieser Entwicklung. Ihre Blumengärten mit gemischten Rabatten, in denen Rosen zusammen mit Stauden und Kleingehölzen gepflanzt wurden, waren das Gegenteil eines formalen Rosariums. Dieser Stil fand großen Anklang und wurde in den 1980er Jahren wieder aufgegriffen und verfeinert, insbesondere von Gärtnerinnen wie Rosemary Verey in Barnsley House, Gloucestershire, und Penelope Hobhouse in Tintinhull House, Somerset. Diese Gärten, wie der von Kiftsgate Court in Gloucestershire, werden von vielen als Inbegriff eines romantischen Gartens voller Rosen angesehen. Wenn irgendeine Rosengruppe diese Stimmung und diesen Charakter verkörpert, dann sind es die englischen Rosen, die von David Austin (1926-2018) gezüchtet wurden. Mit der Einführung seiner ersten englischen Rose "Constance Spry" im Jahr 1961 erfüllte Austin den Wunsch nach remontierenden, blühfreudigen, historisch angehauchten Rosen. Zarter Duft und subtile Farbschattierungen sind weitere Markenzeichen seiner über 200 Züchtungen.
Luxemburger Rosenschätze
Die Welt der Rosen ist voller Schätze, die nur darauf warten, wiederentdeckt zu werden. Als mich die Gartenfotografin Marianne Majerus fragte, ob ich an einem Projekt über Luxemburger Rosen mitwirken würde, konnten wir weder ahnen, welche Einblicke wir in die Wirtschaftsgeschichte des Großherzogtums erhalten würden, noch welch eine Fülle an inspirierenden, zeitgenössischen Rosengärten wir finden würden.
Luxemburger Rosen waren in der Gründerzeit und in den 1920er Jahren so beliebt wie heute die englischen Rosen. Tausende Sorten, darunter um die 400 landeseigenen Züchtungen, wurden in industriellem Umfang angebaut und Millionen von Rosenstöcken in die ganze Welt exportiert. Missionare im Kongo schwärmten ebenso von den schönen Rosen wie der König von Schweden. Die Rosenzüchter Soupert & Notting, Ketten Frères und Gemen & Bourg verschickten Kataloge auf deutsch, französisch und englisch. Für diejenigen, die sich angesichts der umfangreichen Auswahl nicht entscheiden konnten, boten die geschäftstüchtigen Züchter Kollektionen, quasi einen Sofort-Rosengarten für den Stadtgarten oder den Villengarten an.
Frieden, Können und Nachfrage sind die einfachen Erklärungen des Entstehens und Florierens der Luxemburger Rosenindustrie. Mit der Unterzeichnung des Abkommens von Versailles 1867 wurde die dauernde Neutralität von Luxemburg deklariert, die weitläufige Festungsanlage um die Stadt Luxemburg wurde abgebaut und Flächen freigestellt. Der Boden war ideal für den Anbau von Rosen, das Land preisgünstig, die Verkehrsanbindungen gut und als Mitglied der deutschen Zollunion hatte das Land Zugang zu einem großen Markt. Dass der Winter in Luxemburg hart ist, war von Vorteil, denn Rosen, die sich dort im rauen Klima behaupten können, waren auch für nördliche Breitengrade wie Schweden und Russland geeignet. Die Geopolitik hatte die Rosenindustrie ins Leben gerufen und war auch der Grund für ihren Niedergang. Der Erste Weltkrieg traf das Luxemburger Rosengeschäft hart. Staatliche Initiativen in den 1930er Jahren waren ohne Erfolg; die Rosenzüchter verschwanden einer nach dem anderen, bis nur noch die Straßennamen auf die einst florierende Industrie hindeuteten.
Dass die Bedeutung der Luxemburger Rosenindustrie nicht völlig in Vergessenheit geraten ist, ist der Initiative begeisterter Rosenfreunde zu danken, allen voran zwei Rosenvereine – die "Lëtzebuerger Rousefrënn" und "Patrimoine Roses pour le Luxembourg". Sie haben historische Luxemburger Rosen gesucht, gefunden und wieder eingeführt. Die Tatsache, dass neue Rosarien angelegt wurden, unter anderem im Schlosspark von Munsbach, im Kurpark von Bad Mondorf, im Parc de Merl in Luxembourg-Stadt und Walferdange, die einen zeitgenössischen Einsatz von historischen und modernen Rosen zeigen, ist beeindruckend.
Darüber hinaus finden regelmäßige Workshops zum Thema Rosenschnitt statt, außerdem Rosentaufen und Rosenbörsen, Initiativen, die Rosen in den Vordergrund stellen. Die alten Rosen-Koryphäen hätten den Kopf geschüttelt, dass die neuen Rosengärten nicht allein der Präsentation der Rosen dienen, aber eine zeitgenössische Begleitpflanzung von Stauden und Gräsern bilden den Hintergrund, vor der die Rosen erstrahlen.
Diese Rosengärten vereinen auf individuelle Weise französische und englische Einflüsse und geben neue Impulse für kleine und große Gärten. Luxemburg ist die neue Adresse für Rosenfans und kann sich mit Stolz wieder als Land der Rosen bezeichnen.
Landschaftsarchitektin Heidi Howcroft hat über 30 Bücher veröffentlicht, unter anderem über Rosen. Ihr Buch "Tee & Rosen – Geschichten übers Leben im Garten-Paradies England" erschein erstmals 2010 bei DVA.
"Luxemburg – Land der Rosen: Schätze von gestern für Gärten von heute" mit Fotografien von Marianne Majerus erschien 2020 bei Editions Schortgen.