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Historie

Auf den Spuren des Apostels Jakobus

Historie - Auf den Spuren des Apostels Jakobus
© Adobe Stock Photo (drei Fotos)

Zahlreiche Indizien deuten darauf hin, dass sich das Grab des Apostels in Santiago de Compostela befindet. Wahrscheinlich wurde sein Leichnam dafür geraubt und in geheimer Mission transportiert.

22.07.2024

Historischer Hintergrund

Zum Verständnis der Geschichte des frühen Christentums ist die Kenntnis auch der wirtschaftlichen Verhältnisse ab der Zeit Herodes I. unerlässlich. Traditionelle Historiographie, die auf Schriftstücken beruht, gibt wichtige aber letztlich sehr unvollständige Hinweise auf historische Zusammenhänge. Denn Schriftstücke sind zufällig erhalten und beschreiben auch nur bestimmte Ereignisse, die dann je nach Vorkenntnis und Werteinstellung des jeweiligen Historikers interpretiert werden. So sieht es auch R. Plötz, der meint, die Geschichte des Apostels Jakobus sei über Schriftinterpretation kaum darstellbar.

Die Kenntnis wirtschaftlicher Zusammenhänge erlaubt eine andere Sicht auf die Historie des Apostels Jakobus d. Ä. als bisherige Darstellungen und Wertungen in der Jakobus-Hagiographie, die wesentlich von den Vorgaben von Bottineau geprägt ist, der die verbreitete Geschichte des Apostels Jakobus mindestens als Irrtum, wenn nicht als inszenierten Betrug erkennt.

Daten und Zusammenhänge zu wirtschaftlichen Verhältnisse in Judäa/Palästina im 1. Jh. nach Chr. sind kaum gegeben, unzutreffend und daher unbrauchbar. Denn es gibt keine Antwort auf die Frage, wie ein vorgeblich armes Land mit einer angeblich ungebildeten Bevölkerung die Mittel aufbringen konnte, die Herodes I., einer der größten Bauherren der Menschheitsgeschichte, für zahlreiche, höchst luxuriöse Bauten, pompösen Lebensstil und zahlreiche Infrastrukturprojekte benötigte.

Der Ausbau des Tiefsee-Hafens Sebastos in Caesarea war neben dem Bau des Tempels in Jerusalem das gigantischste Bauwerk des Herodes in seiner Zeit. Wesentlicher Wirtschaftssektor dieser Zeit war für das Verständnis der Jakobusgeschichte der Handel mit den Erzen Kupfer und Zinn, die im Verhältnis 90 zu 10 die Bronzelegierung ausmachen.

Herodes I. hatte die Konzession von Kaiser Augustus, auf Zypern Kupfer zu fördern. Das erforderliche Zinn für die Bronzelegierung wurde nach jüdischen Quellen aus Kasteron (Cornwall, Devon, Galicien) per Schiff angeliefert.

Der Überseehandel wurde im Reich des Herodes über die drei Häfen in Gaza, Jaffa (Joppe, unter den flavischen Kaisern „Flavia Joppe“) und Caesarea (Maritima) abgewickelt. Der Hafen von Joppe/Jaffa liegt am nächsten zu Jerusalem. In der Zeit von Kaiser Augustus wurde die Hafenfestung Torres de Oeste in Kat-Ira, am Fluss Ria de Arusa, Galicien, erbaut, um Seeräubern das Handwerk des Diebstals von zum Beispiel Zinnbarren unmöglich zu machen. In der Zeit der flavischen Kaiser wurden die beiden Häfen in Jaffa/Joppe, Palästina, und in Iria, Galicien, ausgebaut und hießen dann Flavia Joppe und Iria Flavia.

Mosaik mit Indizien ergeben ein wahrscheinliches Bild der Grablegung des Apostels in Galicien

Die oben gezeigten Zusammenhänge können nun die teils schriftlich, teils mündlich tradierte Geschichte des Todes und der Translatio des Apostels Jakobus in einen konsistenten Rahmen eingebringen. Der Apostel Jakobus d. Ä. wurde in der Zeit der ungesäuerten Brote, also vor dem Paschafest, auf Befehl des Herodes Agrippa enthauptet. Dies wird um den 24./25.3.44 gewesen sein (Apg. 12, 1-4). In Kapitel 10, 5-8 der Apg. wird vom Jesusanhänger Simon, dem Gerber, dessen Haus in Jaffa am Meer lag, berichtet. Diese Berichte der Apostelgeschichte erlauben eine mögliche Erklärung für die Translatio des Leichnams des Apostels Jakobus nach Galicien: Es war bei Todesstrafe – Gesetz des Kaisers Tiberius Claudius Caesar Augustus Germanicus, der von 41–54 n. Chr. regierte – verboten, Leichname von zum Tode verurteilten Menschen weg zu bringen und zu bestatten, die Leichen wurden über die Stadtmauer geworfen und Tieren zum Fraß überlassen.

Die Tradition führt nun aus, dass der Kopf des Apostels Jakobus am Ort der Enthauptung Maria, der Gottesmutter, überbracht wurde. Er wird heute in der Jakobuskathedrale des Armenischen Patriarchats in Jerusalem verehrt. Der Leichnam kann bei Nacht von Jerusalem nach Jaffa zum Gerber Simon transportiert und behandelt worden sein, um diesen dann per Schiff außer Landes zu bringen, was bei dem Verbot der Bestattung von Justizopfern notwendig war.

Das Verbot der Bestattung ist zentrales Argument für die zunächst kaum direkt nachvollziehbare anonyme Darstellung der Weise, wie und von wem der Transport des Leichnams nach Spanien erfolgte.

Es kann auch nahegelegen haben, den Leichnam des zum Tode durch Enthaupten verurteilten Apostels Jakobus in einen anderen politischen Zuständigkeitsbereich, nämlich des Preafectus Praetorio Galliarum von Trier zu bringen, wozu Galicien zählte. Diese politische Differenzierung wurde aber erst rund 250 Jahre später eingerichtet; es gab aber bereits eine politische Entwicklung in diese Richtung. Die Schiffe auf der Zinn-Route von Jaffa nach Iria (Galicien) mussten für den Rückweg aus nautischen Gründen mit Ballast beladen werden. Dies waren vielfach bearbeitete Marmorsarkophage, Fertigteile für Gebäude und anderes.

So kann der berichtete Bestattungsort des Apostels in „inter marmoricis“ sogar Hinweis auf den wahrscheinlichen Transportweg sein. Unterwasserarchäologen finden regelmäßig Bauelemente als Ballast nahe dem Rumpf eines Schiffes, so auch auf Zypern (Schiffswrackmuseum in Kyrenia). Der erfolgte Transport auf einem „unbemannten“ Schiff nach Galicien, das von Engeln geleitet wurde, macht deutlich, dass weder Schiffseigner noch Kapitän genannt sein wollten.

Für die Aufbereitung des Leichnams und die Seereise von Jaffa nach Iria sowie die Bestattung dort sind vier Monate hinreichend. So wäre der 25. Juli eines Jahres, der Jakobustag – belegt seit dem 7. Jh. –, als Beerdigungstermin erklärbar. Denn üblicherweise ist der Todes- und Beerdigungstag der Erinnerungstag eines Heiligen.

Die tradierte, reich im Stil keltischer Heiligengeschichten ausgeschmückte Historie der Translation des Leichnams des Apostels hat alle erforderlichen Merkmale wie die Einkerkerung der beiden Jünger des Apostels bei dem Gesetzesvertreter – wie kommt eine Leiche nach Galicien? – und das Zögern der reichen Dame Lupa, den Leichnam im bereits in Marmor errichteten Grabmonument der Familie – was hat Jakobus mit der Familie zu tun? – zu bestatten. Folgt man diesen Darlegungen, so sind auch die archäologischen Funde um das Grab des Apostels Jakobus unter der Kathedrale von Santiago nachvollziehbar und geben ergänzende Hinweise auf eine lange, sehr komplexe Geschichte vieler Völker mit nicht oder kaum gegebener Heiligenverehrung im Spanien der frühen Christen.

Die Komplexität der Historie im Spanien der frühen Christenheit ist durch folgendes gekennzeichnet: Keine Schrifttradition im keltischen Kulturraum; innerchristliche Kämpfe um die Formulierung der Glaubensinhalte, insbesondere der Gottessohnschaft von Jesus, die von Arianern und Moslems negiert wird; Durchzug und Invasion arianischer Germanenvölker (Vandalen, Sueben, Westgoten) durch und nach Spanien, Heiligenverehrung wurde kontrovers gesehen und erst spät im 7./8. Jh. als erlaubt bewertet.

Hinweise, Fundstücke zum Apostel Jakobus im frühen 1. Jahrtausend

Die früheste, um 600, schriftliche Dokumentation des Apostels Jakobus findet sich auf dem Portalstein der westgotischen Kirche St. Maria in Merida, die von Moslems abgerissen wurde. Der Stein wurde in der islamischen Festung vermauert, erst im 20. Jh. freigelegt und wird im Museum für westgotische Kunst in Merida präsentiert. Auf diesem Stein ist der Name des Apostels Jakobus als erster in der Reihe der in Spanien besonders verehrten Heiligen aufgeführt.

Bereits um 640 wurde die Reliquie der linken Hand des Apostels Jakobus in Torcello (Sitz des Bischofs von Altinum, Lagune Venedig) als Besitz des Bischofs Vitalis nachgewiesen. Diese Reliquie wurde Teil des Reichsschatzes der deutschen Könige und Kaiser. Die deutsche Königin Mathilda, Tochter des englischen Königs Henry I. und Ehefrau des deutschen Königs Heinrich V. wurde am 25. Juli 1110, dem Jakobustag, in Mainz zur Königin gekrönt. Sie verehrte den Apostel Jakobus. Nach dem Tod ihres Mannes nahm sie diese Reliquie mit nach England. In der Folge gab es bis zu König Barbarossa nicht erfolgreiche Bemühungen deutscherseits, diesen Teil des Reichsschatzes wiederzuerlangen. Die Reliquie, der Abtei Reading geschenkt, gelang nach den Wirren der Zeit Heinrichs VIII. schließlich in die St. Peter-Kirche in Marlow (Großbritannien).

Es gibt gute Gründe, die Geschichte des Apostels Jakobus möglichst frei von geschichtsideologischen Vorgaben neu zu erzählen.

Dr. Hans Jürgen Arens


Die Cause Jakobus auf einen Blick

1. Indizien für sein Grab in Santiago de Compostela

Das Reich des Herodes I. war eine "Talassokratie", ein Land das vom Welthandel geprägt war und zentral die Warenströme auf sich zog, etwa über die Häfen Caesarea Maritima, Jaffa und Gaza. Verbindungen über See und Land (Karawanen) brachten und transportierten alles, was gehandelt wurde. Auch getrocknete Fische vom See Genezareth nach Wiesbaden, wie auch Zinn aus Galicien und Cornwall.

2. Jakobus und Galicien

Jakobus entstammte der Familie des Fischers Zebedäus, der mindestens ein Schiff mit einer Besatzung von bis zu zwölf Personen hatte. Jakobus und sein Bruder Johannes galten als temperamentvoll bis cholerisch und waren engste Freunde. Jesu.

Nach Jesus Tod und Auferstehung und nach Pfingsten folgten die Apostel den Handelsströmen, um das Evangelium, die frohe Botschaft, zu verbreiten.

Für die Herstellung von Bronze sind die beiden Metalle Kupfer (90 Prozent) und Zinn (zehn Prozent) erforderlich. Kupfer wurde auf Zypern abgebaut (Konzession durch Kaiser Augustus an Herodes) und Zinn wurde in Cornwall, Devon und Galicien gefördert (keltische Siedlungsgebiete). Der Talmud berichtet von der Zinnförderung in Kasteron. Der Weg nach und von Galicien zum Reich des Herodes war üblicherweise eine Schiffsroute.

3. Was ist die Botschaft Jesu – was ist Erlösung?

Erlösung bedeutet Überwindung menschlicher Selbstherrlichkeit: "Der Heilige Geist wird Dich zu einem Klang himmlischer Freude machen. – Gib Dich in Gottes Hände. Das heißt erlöst sein."

4. Menschliche Ablehnung – Kreuzestod und Martyrium

Wir Menschen mögen die Botschaft Jesu nicht zu konkret, weil Konsequenzen (Ausstoß aus einer Gemeinschaft, Verunglimpfung bis zur Vernichtung) unangenehm bis tödlich sein können. Apostel Jakobus wurde auf Geheiß von Herodes Agrippa um 44 n. Chr. in den Tagen der ungesäuerten Brote (um den 24./25. März) zur Freude von Juden in Jerusalem enthauptet (Apg.12, 1-4).

Wegen des geltenden Verbots des Wegtransportes von Leichen von zum Tode Verurteilter musste der Leichnam gestohlen und in geheimer Mission in den westlichen Teil des Römischen Reiches, in die Zinn-Region Galicien, transportiert werden. Die Bestattung des Leichnams um den 25. Juli des Jahres (ca.) 44 – Patrozinium am Beerdigungstag – wurde im 7. Jhdt. bezeugt (hl. Willibrord).

5. Pilgerschaft

2024, pilger, jakobsweg
Ein Pilger auf dem Jakobsweg

Unsere Bekehrung, die Metanoeite (Umkehr), ist eine kontinuierliche Pilgerschaft, ein Marsch in das Herz Gottes. Die Pilgerfahrt wirkt erlösend, ist aber auch streckenweise sehr beschwerlich. Sie kommt auch dem Wunsch nach Gemeinschaft auf dem Weg nach und kann bei aller Not Erleichterung bringen.


Hans-Jürgen Arens (RC Emmerich-Rees) ist über 3000 Kilometer auf Jakobswegen gelaufen, hat in Israel gegraben, Archive durchgesucht, irische Mönchstraditionen erforscht. Das Ergebnis: Die gefundenen Indizien sprechen für den Kern der Historie des Grabes des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela.