Interview
Meral Alma
Die preisgekrönte Malerin Meral Alma (RC Düsseldorf-Schloßturm) zeichnet sich durch ihre großflächigen und knallbunten Gemälde aus. Sie repräsentiert zeitgenössische Gefühlslagen und berührt damit Betrachter weltweit.
Frau Alma, wie fühlt es sich an, Malerin des größten Gemäldes Deutschlands zu sein?
Erleichtert, als ich nach rund zwölf Monaten fertig war und ein wenig stolz, als ich gesehen habe, wie die Bilder in Karlsruhe ihr neues Zuhause gefunden haben: Bei Tag und Nacht in Interaktion mit ihrem Umfeld. Schwebend aufgehängt in den Gebäuden aus Glas - ist das einfach ein großartiger Ort dafür.
Am Karlsruher Bahnhof kann man ebendieses Werk "Zirkus des Lebens IV" bestaunen. Wo sonst stößt man im In- und Ausland auf Ihre Werke?
Meine Arbeiten findet man in Banken-Foyers, Sammlungen, in Firmenzentralen und in Privathäusern unter anderem auch in ausländischen Metropolen wie Basel, Singapur, Boston, Istanbul oder London.
Sie haben bereits geteasert, dass Sie die Reihe "Zirkus des Lebens" weiter fortsetzen möchten. Können Sie bereits etwas Konkretes verraten?
Die Geschichte setzt sich fort und so werde ich sicherlich nicht nur den angedeuteten fünften Teil des Werkzyklus erstellen, sondern auch weitere Teile in den kommenden Jahren.
Ihre Kunstwerke sind knallbunt, leuchtend und aufregend. Nach welchem Konzept arbeiten Sie?
Ich möchte Dinge nicht oberflächlich abbilden, sondern es geht mir darum Situation, Beobachtungen, Empfindungen, Ideen auf die Leinwand zu bannen, an den Betrachtenden unmittelbar weiterzuleiten, diese für ihn erfahrbar zu machen. Farben oder die menschliche Silhouette, die wir zwischen allen anderen immer erkennen, sind es, die mit uns als Betrachter am besten kommunizieren, weshalb meine Bilder selten vollkommen abstrakt sind, sondern expressiv und in leuchtenden Farben mit wiederkehrenden Charakteren, Symbolen und archaisch wirkenden gekritzelten Figuren.
Hier einige Bilder von Meral Alma
Bei meiner Arbeit "Zirkus des Lebens – 4. Akt" hatte ich beispielsweise das Verlangen nach einem intensiverem Bilderleben, was mich auf den Gedanken brachte, eine Art Zugang für mich und den Betrachter in diese Welt zu schaffen, wie eine Tür zu einer anderen Ebene, die man im wirklichen Leben fühlt, und damit das Unsichtbare sichtbar zu machen.
Dazu gehörten Größe, Raumaufbau und Bildebenen: In der ursprünglichen Installation, also bevor die Arbeit dann nach Karlsruhe ging, wurde die Leinwand direkt auf die Wand aufgebracht, deren gesamte Fläche sie einnahm. Der Aufbau im Raum war dabei grob abgeleitet von der Art, wie man im 18. Jahrhundert Raumillusionen mit Hilfe von sogenannten Guckkästen erzeugte. Dazu habe ich weitere Bildebenen entworfen, die auf verschiedenen Lichtfrequenzen reagieren und so gewinnt die sich vor dem Betrachter auftürmende Bildwelt, zum Beispiel in der Dunkelheit, eine ungeahnte Plastizität und scheint sich mit dem Betrachterraum zu verbinden. Das ermöglicht ein viel intensiveres Erleben der Bildwelten beziehungsweise der dort abgebildeten Begebenheiten und Charaktere.
Von der weißen Leinwand bis hin zum lebendigen Gemälde passiert einiges. Wie läuft dieser Prozess ab?
Zunächst ist da nur die weiße Leinwand und ich. Es ist wie ein unbändiger Trieb. Immer wieder zieht es mich in mein Atelier, zurück zu den Farben und den Leinwänden. Wie eine Liebe, die niemals endet. Jedes Mal von neuem kribbelnd und bewegend, aber auch fordernd. Im Atelier dann scheine ich zeitweise nahezu in einem Farbrausch zu versinken, der mich über Tage oder sogar Wochen in Aktion hält, bis ich oft ausgelaugt vor einem weiteren großformatigen Werk stehe. Es sind Bilder, die nicht unbedingt zuvor durchkomponiert sind, sondern im Prozess des Malens selbst entstehen, als würde erst unter den unzähligen aufgetragenen Farbschichten das eigentliche Motiv zu Tage treten. Teilweise erinnert meine Arbeitsweise mit zum Beispiel am Boden liegenden Leinwänden, der Arbeit mit Händen und untypischen Malwerkzeugen dabei auch etwas an Action Painting. In meiner Arbeit steckt, wie auch beim Action Painting, viel vom Künstler, also mir selbst, nicht nur geistig, sondern auch physisch, indem ich die Leinwände mit fließender Farbe stürze oder Farben werfe — in dem Versuch, eigene körperliche Bewegungen beziehungsweise die Dynamik der Situation im Bild sichtbar zu machen. Die Bilder selbst werden so zu Niederschriften des schöpferischen Erlebens, bei der Ausdruck und Lebendigkeit wichtiger werden, als die perfekte mimetische Ausführung.
Wie viel „Meral Alma“ steckt in Ihren Werken?
Die Quelle der Motive sind meine Beobachtungen, Wahrnehmungen und Interpretationen. Somit ist jede Arbeit eine Transformation meiner persönlich interpretierten Welt.
Die Figur der Balletttänzerin findet sich häufig in Ihren Werken wieder. Welche Bedeutung hat das für Sie?
Oftmals steht die Primaballerina für den Protagonisten der Geschichte, um den es in dem Werk geht. Diese Geschichte hat natürlich nichts mit einer tatsächlichen Tänzerin als Person zu tun, sondern es geht um die mit der Primaballerina verbundene Symbolik: Die Wiederholungen, die Disziplin, die vermittelte Leichtigkeit trotz des bekanntermaßen strapaziösen Trainings, die Unbekümmertheit und so weiter, um nur einige Aspekte aufzuzählen.
Mit Ihren Malereien repräsentieren Sie zeitgenössische Gefühlslagen. Wann und wie beeinflussen Menschen Ihre Kunst?
Mich interessiert der Mensch als Individuum und in Interaktion mit anderen in der jeweiligen Gesellschaft. Quelle meiner Motive sind Beobachtungen. Ein unverfälschter Blick auf einen Moment des Lebens; eine Lebensgeschichte; eine entscheidende Szene zwischen Menschen, so wie es ist. Das versuche ich dann in meine Malerei zu transformieren.
In Ihren Gemälden lassen sich viele unterschiedliche Perspektiven betrachten. Was wollen Sie damit erreichen?
Die unterschiedlichen Perspektiven sollen dem Betrachter ermöglichen, in die Bildwelten einzutauchen. Über meine Arbeiten wurde dazu beispielsweise einmal geschrieben:
„Die Bilder nehmen den Betrachter mit auf eine Reise, eine persönliche Reise, und setzen ihn an einem anderen Ort ab. Manch einer wird tief berührt, erkennt etwas und findet einen Ausgang zu einer anderen Welt.“
Neben Ihrem Abschluss an der Kunstakademie Düsseldorf haben Sie einen Magister-Abschluss der Philosophie und schreiben aktuell an Ihrer Dissertation. Schöpfen Sie künstlerische Inspiration aus der Philosophie?
Nicht im Sinne eines strukturierten Prozesses der Ideenfindung. Aber meine Ausbildung genau wie meine multikulturelle Prägung haben natürlich großen Einfluss darauf, welche Begebenheiten ich in meiner Malerei abbilden möchte und wie ich die Dinge bewerte, die ich beobachte.
Was bedeutet Ihnen Rotary?
Die Idee, Menschen verschiedener Herkunft und Berufe zum Ideenaustausch zusammenzuführen, sowie das Humanitäre passen gut zu meiner Prägung. Auch habe ich tatsächlich immer angenehme, bodenständige, interessante und zugleich sehr engagierte Menschen bei Rotary kennengelernt.
Das Interview führte Delara Moghaddam.